Montagmorgen, 9 Uhr: Patrick Malzer sitzt in seinem Büro im Regensburger-Ankerzentrum. Der 30-Jährige leitet das Team der Asylsozialberater der Johanniter in der Einrichtung. Zusammen mit zwei Sozialpädagogen der Caritas berät sein siebenköpfiges Team die Menschen in der Einrichtung bei allen möglichen Fragen. Oft geht es dabei um die Bürokratie, oft aber auch nur um Alltagsfragen. "Wenn die Menschen eine Ansprechperson brauchen, kommen sie meistens zu uns. Weil sie wissen, dass ihnen hier zugehört wird", sagt Malzer.
Keine Schule in den ersten Monaten
Die ersten, die heute Morgen zu Malzer in die Sprechstunde kommen, sind ein Vater und sein kleiner Sohn. Der Mann hat einen Brief dabei, in dem er aufgefordert wird, das Kind in einer Schule anzumelden. Ein Irrtum, wie sich herausstellt, denn Kinder dürfen in den ersten vier Monaten nach der Ankunft im Ankerzentrum überhaupt nicht in die reguläre Schule, sagt Malzer. Der durch das amtliche Schreiben sichtlich verunsicherte Vater habe nichts zu befürchten. Das Schreiben hätten fälschlicherweise viele Familien im Ankerzentrum bekommen, die jetzt besorgt zu ihm kommen, sagt Malzer. Nur ein Behördenfehler, eine Kleinigkeit, die Malzers Team dennoch zusätzlich belastet.
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Hilfe bei Anträgen und Formularen – aber nicht nur
Eigentlich sind die Asylsozialberater dafür da, den Menschen nach der Ankunft durch den Behördendschungel zu helfen. Sie sollen neutral und unabhängig beraten, wenn jemand seinen Asylantrag stellt oder seine Familie nachholen möchte. Dieses Recht sichert den Asylbewerbern eine EU-Richtlinie zu. "Es gibt einfach Themen, die man vielleicht nicht direkt mit dem Bundesamt besprechen will" sagt Malzer, der in diesen Fällen eine vertrauliche Anlaufstelle ist. Doch wie umfangreich dieses Recht auf eine unabhängige Beratung wahrgenommen werden kann, ist in Bayern nicht konkret geregelt, sagt Malzer. Seine drei Vollzeitstellen würden für knapp 1.800 Menschen kaum reichen. In anderen Regierungsbezirken sei das Beratungsverhältnis aber teilweise noch schlechter.
Volles Haus, Schimmel an den Wänden
Immer wieder sind es Fälle in denen Menschen mit der deutschen Bürokratie überfordert sind, das wird im Laufe von Malzers Sprechstunde schnell deutlich. Wenn es die knappe Zeit gerade zulässt und der Fall dringlich ist, berät er auch Asylbewerber außerhalb des Ankerzentrums. Ein junger Mann, der nach der Erstaufnahmeeinrichtung in einem Dorf in der Oberpfalz untergebracht wurde, ist zu ihm gekommen. Er zeigt ihm Fotos seiner Unterkunft. Er habe dort mit über 15 Mitbewohnern in einem Haus keine Privatsphäre, sagt der Mann. Er würde gerne wo anders untergebracht werden. Die Fotos zeigen verdreckte Toiletten und Schimmel an den Wänden und Möbeln der Gemeinschaftsunterkunft. Malzer nimmt den Fall auf und schickt die Fotos an die zuständige Behörde weiter. Bis der Fall dort bearbeitet werde, könne es bis zu vier Wochen dauern, gibt er dem Mann mit auf dem Weg.
Härtefälle belasten die Berater auch persönlich
Nicht immer sind die Probleme lösbar. Gerade wenn es um Abschiebungen geht oder um den Familiennachzug, erlebt Malzer auch Härtefälle, die auch ihn belasten. Teilweise kommen Menschen zu ihm, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Dabei geht es dann auch mal um Menschenhandel, Folter oder Zwangsprostitution.
Für solche Fälle arbeiten in Malzers Team auch die beiden angehenden Psychotherapeutinnen Lena Jung und Theresa Gröschl. Zu den beiden kommen Menschen, die in ihren Heimatländern oder auf der Flucht Schlimmes erlebt haben und unter Flashbacks und Angstattacken leiden.
Aber auch die lange Dauer und die Ungewissheit des Asylverfahrens können die Menschen im Ankerzentrum belasten, sagt Theresa Gröschl. "Was wir ganz häufig sehen, sind Zukunftsängste. Eine Unsicherheit, wie geht es hier weiter? Wo komme ich hin, wenn ich aus dem Ankerzentrum raus muss?" Das könne zu Schlaf- oder Essstörungen führen.
Doch für die Arbeit der beiden Frauen steht nicht ausreichend Geld zur Verfügung. Die psychische Beratung wird nicht von der Landesregierung sondern von Wohlfahrtsorganisationen finanziert. Aktuell ist nur Geld für 25 Stunden vorhanden. Immer wieder müssten die beiden deshalb Menschen vertrösten und auf die Warteliste setzen, sagt Lena Jung. "Denen, die bei uns ankommen, können wir tatsächlich helfen. Aber das sind wenn es hoch kommt 20 Leute. Hier leben aber 1.700. Wir brauchen einfach mehr Stunden", sagt Jung.
Forderung: mehr Geld für Psychotherapeuten
Patrick Malzer findet, dass die Arbeit seiner Kolleginnen auch vom Staat finanziert werden müsste. Wenn die Menschen psychisch schnell stabilisiert würden, erhöhe das sowohl die Integrationschancen als auch später die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch bei der Asylsozialberatung könnte Malzer noch mindestens zwei Kollegen mehr brauchen, sagt er.
Noch wichtiger seien aber klare Perspektiven für die Menschen im Ankerzentrum, eine Arbeitserlaubnis von Anfang an und schnellere und transparentere Verfahren. Malzer nennt ein Beispiel: Seit Kurzem haben auch Menschen im Ankerzentrum Zugang zu Integrations- und Deutschkursen. Doch jede Teilnahme muss einzeln durch das Bundesamt genehmigt werden. Bis ein Antrag dort bearbeitet wird, vergingen aber oft Monate, sagt Malzer. "Wenn die Genehmigung für den Kurs dann kommt, haben die Menschen das Ankerzentrum teilweise schon längst wieder verlassen.“
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