Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern und Parteichef der Freien Wähler
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Löb

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister von Bayern und Parteichef der Freien Wähler

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Aiwanger: "Dienstleister statt Oberschlaumeier" sein

Wahlkampfauftakt der Freien Wähler: Spitzenkandidat und Parteichef Hubert Aiwanger poltert beim Landesparteitag in Hirschaid vor allem gegen die Grünen und das Heizungsgesetz. Für Bayern kündigt er unter anderem ein Wohnbauprogramm an.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Am Ende bleibt niemand sitzen. Minutenlang applaudieren die Freien Wähler stehend ihrem Parteivorsitzenden. Eine Dreiviertelstunde lang hat Hubert Aiwanger, der auch Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Landtagswahl ist, beim Parteitag in Hirschaid die Parteikollegen auf den Wahlkampf eingestimmt.

Aiwangers Kernbotschaft: Die Freien Wähler packen an, haben das Ohr am Bürger und machen Politik von unten anstatt von oben. Laut Aiwanger versteht sich seine Partei als "Dienstleister und nicht als Oberschlaumeier, der den Menschen das richtige Gendern beibringt und sagt, wie viel Fleisch sie essen sollen".

Aiwanger wirft Grünen "rosarote Blütenträume" vor

Den Grünen hingegen wirft Aiwanger "rosarote Blütenträume" vor. "Diese Doppelzüngigkeit, diese Selbstgerechtigkeit von einer gewissen Kaste in dieser Gesellschaft, die anderen im Detail vorschreibt, was sie zu tun haben, und selber Wein trinken und den anderen Wasser predigen", von denen habe er die Nase gestrichen voll, so Aiwanger.

Der Hauptgegner der Freien Wähler im Wahlkampf ist damit klar: die Grünen. Immer wieder kommt Aiwanger in seiner Rede auf sie zurück, nutzt jede Gelegenheit, sie zu kritisieren. "Wir müssen wieder Politik für die Bürger machen, nicht gegen die Bürger", ruft er seinem Publikum in Hirschaid zu und spielt dabei auch auf das umstrittene Heizungsgesetz an.

Aiwanger: "Kümmert euch um die Probleme der Leute"

In einer Zeit, in der jedes vierte Krankenhaus unter Schließungsdruck stehe, in der die Bundeswehr nicht einsatzfähig sei, in der es Pflegenotstand gäbe und Fachkräfte fehlten, "in dieser Zeit, diskutieren wir ein Heizungsgesetz und wollen dem Normalbürger im neuen Haus das Holzheizen verbieten und ähnlichen Unsinn", sagt der Spitzenkandidat der Freien Wähler. Der Ampelregierung ruft er zu: "Kümmert euch um die Probleme der Menschen, dann bleiben die Menschen auch in der politischen Mitte."

Die politische Mitte wieder stärken und verhindern, dass die Bürger "radikale Parteien" wie die AfD wählen, dass sei sein Ziel, betont der Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident. Die Menschen müssten wieder Vertrauen in Politiker bekommen. Machen, was man sagt und sagen, was man denkt, dafür stünden die Freien Wähler.

Bundespolitische Themen im Fokus

Neben der Kritik am Heizungsgesetz im Bund wollen die Freien Wähler mit einigen weiteren bundespolitischen Themen in den Landtagswahlkampf ziehen. Sie fordern die Abschaffung der Erbschaftssteuer, Steuerentlastungen insbesondere für Geringverdiener, neue Pflegekonzepte und einen günstigen Industriestrompreis. "Wir müssen von unten stochern, damit oben die Bundespolitiker merken, was an der Basis los ist", rechtfertigt Aiwanger die bundespolitische Ausrichtung des bayerischen Wahlkampfs.

Die Industrie verlasse das Land, wie auch Hunderttausende Bürger, weil sie ihre Rechnungen und Steuern nicht mehr bezahlen könnten, so der Spitzenkandidat der Freien Wähler. "Schluss mit der ewigen Neiddebatte, wenn jemand im mittleren Bereich 40 bis 50.000 Euro verdient und dann immer mehr Einkommenssteuer zahlen soll", verlangt Aiwanger und fordert eine Entlastung der Arbeitnehmer, "damit die Menschen wieder gerne arbeiten".

In Bayern: Wohnungsbau und Wasserstoff

Auf Landesebene kündigt er ein bayerisches Wohnbauprogramm an, um "aus Bayern den Wohnungsbau anzufüttern". In der Energieversorgung will der bayerische Wirtschaftsminister unter anderem die Wasserstofftechnologie weiter ausbauen und zum Beispiel die Umstellung des Erdgasnetzes zum Wasserstoff fördern.

Außerdem versprechen die Freien Wähler, sich für mehr Verwaltungspersonal an Schulen einzusetzen und den Praxisbezug an Schulen zu stärken. Sie bleiben bei ihrem Nein zur dritten Startbahn am Flughafen München und wollen mehr Stellen bei der Polizei schaffen – und zwar jährlich mehr als 500 bis 2029. Fast 40 Forderungen haben die Freien Wähler formuliert. Die sollen im Herbst in einen Koalitionsvertrag fließen, wenn es wieder zu einer schwarz-orangenen Koalition kommt.

Wahlziel: Fortführen der Regierungskoalition

Und dass es so weit kommt, da ist Aiwanger guter Dinge: "Wir haben ein umfangreiches, gutes Wahlprogramm und werden am Verhandlungstisch sitzen und einen Koalitionsvertrag entwickeln." Aktuellen Umfragen zufolge würde es momentan für eine Fortsetzung der Koalition von CSU und Freien Wählern reichen. Im aktuellen BayernTrend (Mai 2023) stehen die Freien Wähler bei 12 Prozent. Bei der Landtagswahl 2018 bekamen sie 11 Prozent der Wählerstimmen.

Und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte den Freien Wählern schon vor mehreren Monaten zugesagt, die Koalition mit den Freien Wählern fortführen zu wollen. Den Koalitionspartner, die CSU, erwähnt Aiwanger in seiner Rede zum Wahlkampfauftakt übrigens kaum. Er freue sich, dass auch Söder ein Wohnbauprogramm für den Herbst angekündigt hat und die CSU-Bundesfraktion sich für die Abschaffung der Erbschaftssteuer ausspricht. Viel mehr Worte verwendet er für den Regierungspartner allerdings nicht - auch keine kritischen. Das überlässt er diesmal seinen Parteikollegen.

Aiwanger: "Dienstleister statt Oberschlaumeier" sein
Bildrechte: BR24
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Aiwanger: "Dienstleister statt Oberschlaumeier" sein

Enders stichelt gegen CSU

Für Umweltminister Thorsten Glauber, Spitzenkandidat in Oberfranken, haben sich die Freien Wähler in der vergangenen Legislaturperiode gegenüber der CSU behauptet. Die Wasserstoffstrategie, die kostenlose Meisterausbildung, die Abschaffung der Erbschaftssteuer und der Ausbau der erneuerbaren Energien, das alles seien "originäre Freie Wähler-Themen", auf die die CSU aufgesprungen sei.

Die Generalsekretärin der Freien Wähler, Susann Enders, stichelt gegen den Regierungspartner: Die Freien Wähler hätten ein "sattes, inhaltsreiches, ganz klares Wahlprogramm - im Gegensatz zur CSU". Über Aiwanger sagt Enders: "Er ist derjenige, der in Erding ganz klar die Sprache der Bürger gesprochen hat."

Zahmer als in Erding

Bei der Kundgebung in Erding vor 13.000 Zuschauern, darunter auch AfD-Anhänger, sagte Aiwanger vor ein paar Wochen: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss." Ganz Deutschland diskutierte anschließend über diese Aussage. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze nannte Aiwanger daraufhin einen "geistigen Brandstifter". SPD-Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn sieht in dem bayerischen Wirtschaftsminister gar einen "Mini-Trump". Beide forderten Aiwangers Rücktritt, doch der blieb und steht zu seinen Worten.

Aus den Reihen der Freien Wähler ist nur vereinzelt Kritik an Aiwangers Auftritt in Erding zu hören. Die Partei setzt ganz auf ihn: Hubert Aiwanger ist das Zugpferd der Partei. Schließlich ist er laut Umfragen nach Söder der bekannteste Politiker in Bayern. Seine ruppigen Worte (auch auf Twitter) dürften einiges mit seinem hohen Bekanntheitsgrad zu tun haben. Markige Sprüche wie bei der Anti-Heizungsgesetz-Demo in Erding liefert Aiwanger in Hirschaid allerdings nicht. Die Rede zum Wahlkampfauftakt bleibt für seine Verhältnisse relativ zurückhaltend. Und das, obwohl er sich für die Landtagswahl im Herbst einiges vorgenommen hat: Er will seine Partei erneut in ein Regierungsbündnis mit der CSU führen und die Freien Wähler zur zweitstärksten Kraft in Bayern machen - noch vor den Grünen.

Grafik: BR24 BayernTrend: Die Sonntagsfrage im Mai 2023

Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2023
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

BR24 BayernTrend: Die Sonntagsfrage im Mai 2023

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!