Der Münchner Sozialwohnungskomplex "Ramses" im Münchner Stadtviertel Westkreuz (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / dpa | Sven Hoppe

Der Münchner Sozialwohnungskomplex "Ramses" im Münchner Stadtviertel Westkreuz (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

"Wohngeld Plus" boomt: Antragsberge fordern Bayerns Kommunen

Seit Jahresbeginn greift das neue staatliche Unterstützungsprogramm "Wohngeld Plus". Schon vorher war klar: Die Anträge werden dramatisch steigen, die Bearbeitung bringt die Ämter an die Grenzen. Eine erste Bilanz.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3 am Samstag am .

Viele bayerische Städte und Gemeinden ahnten schon Ende letzten Jahres, dass eine riesige Antragswelle für das neue "Wohngeld Plus" auf sie zuschwappt. "Seit der Ankündigung der Wohngeld-Plus-Reform im September 2022 sind bis zum Jahresende bereits 5.695 Anträge eingegangen", heißt es von Münchner Sozialreferat. Über 11.000 sind im ersten Halbjahr 2023 noch einmal dazu gekommen. Etwa ein Drittel der Fälle konnten in der Landeshauptstadt bislang abgeschlossen werden.

Im Schnitt 190 Euro mehr

Auch in anderen bayerischen Städten stellen deutlich häufiger Menschen Anträge zum neuen "Wohngeld Plus". Im Schnitt werden dadurch rund 190 Euro mehr ausgezahlt, um bedürftigen Haushalten eine zusätzliche finanzielle Entlastung bei den Wohnkosten zu ermöglichen – gerade angesichts dramatisch gestiegener Energiepreise. Konkrete Zahlen zu den Wohngeldhaushalten in Bayern liegen zum Halbjahr leider noch nicht vor, heißt es aus dem zuständigen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.

Dass sich mit dem reformierten, staatlichen Unterstützungsprogramm auch der Empfängerkreis erweitert hat, wird in Regensburg in der Oberpfalz deutlich: "Die Zahl der Wohngeldhaushalte hat sich stark nach oben entwickelt und ist in Regensburg um mehr als ein Drittel gestiegen", heißt es seitens der Stadt. Die Auszahlungssumme hat sich im ersten Halbjahr mit über 4,7 Mio. Euro verdoppelt.

Der Wille ist da, allein: Es fehlt an Personal

Eines wurde bei einer BR-Anfrage in mehr als zehn bayerischen Städten deutlich: Den Ämtern war frühzeitig klar, welche Mehrarbeit auf sie zurollt, und sie haben versucht entsprechend zu reagieren, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags: "In den einzelnen Städten musste je nach Zuwachs der Anträge mehr Personal gewonnen oder von anderen Stellen abgezogen werden, um sich in die komplexe Materie einzuarbeiten."

Ein Problem haben nämlich alle Kommunen: Es gibt auf dem Arbeitsmarkt fast keine speziell ausgebildeten Kräfte. Deshalb musste beispielsweise auch die Stadt Rosenheim in Oberbayern auf fachfremdes Personal zurückgreifen: "Das Wohngeldrecht ist sehr komplex, die Einarbeitung insbesondere Fachfremder ist daher sehr aufwändig und langwierig", so ein Sprecher. Dies führe in der Konsequenz neben der Antragsflut zu zusätzlicher Belastung und Rückständen. Auch in Rosenheim haben sich bis Ende Juni die Antragszahlen knapp verdreifacht.

Viele fehlerhafte Anträge

Dass die bundeseinheitlichen Anträge komplex und mit acht Seiten auch recht umfangreich sind, wurde bereits im Vorfeld der Wohngeldreform kritisiert. Denn damit, sagt Bernd Buckenhofer vom Bayerischen Städtetag, sei die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler gemacht werden, naturgemäß hoch: "Was wiederum die Abwicklung verzögert. Leider haben sich die frühen Warnungen des Bayerischen Städtetags somit bestätigt. Wenn auch das Ziel des Wohngeld-Plus-Gesetzes aus sozialpolitischer Sicht sinnvoll ist, war das Gesetz leider schlecht formuliert."

In Landshut und München verweist man allerdings darauf, dass es bei dem Antragsverfahren für die Bürgerinnen und Bürger mit dem "Wohngeld Plus" schließlich keine Änderungen gegeben habe. "Beschwerden über eine etwaige komplexe Antragstellung gab es bisher nicht", so ein Sprecher der Stadt Landshut.

Wohngeldanträge größtenteils unvollständig ausgefüllt

Die Antragsteller klagen eher über langwierige Bürokratieabläufe und ein hohes Maß an Nachweispflichten, um ihre finanzielle Bedürftigkeit zu belegen. Dieses Problem erlebt man auch im oberfränkischen Hof, nämlich "dass die Wohngeldanträge größtenteils unvollständig ausgefüllt werden und somit sehr viele Nachfragen durch die Wohngeldbehörde bis zur vollständigen Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich werden". So heißt es seitens der Stadt.

Dabei ist die dortige Bearbeitungsquote ein Beleg dafür, dass sich kleinere und mittlere Kommunen noch vergleichsweise leicht tun. Von 954 Wohngeld-Plus-Anträgen im ersten Halbjahr 2023 wurden in Hof 846 entschieden, das entspricht knapp 87 Prozent.

Moratorium endet: Druck könnte steigen

Um die Kommunen wenigstens etwas vor der zu erwartenden Flut neuer Anträge zu schützen, hat der Bundestag bei der Verabschiedung des Wohngeld-Gesetzes ein Moratorium eingebaut. Das Wohngeld hat nämlich eigentlich Vorrang vor anderen Leistungen, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt und die Miete zu decken. Erst danach kommen die Grundsicherung oder das neue Bürgergeld in Betracht.

Bei Grundsicherungsempfängern muss erst geprüft werden, ob sie beim meist höheren "Wohngeld Plus" leistungsberechtigt wären. Laut Moratorium durften jedoch beispielsweise Jobcenter jene Bürger, die bereits Grundsicherung beziehen, vorerst nicht mehr auf das vorrangige Wohngeld verweisen. Das Moratorium endete jedoch zum 30. Juni 2023.

Zusätzliche Arbeit für Wohngeldstellen

Da nunmehr die Transferleistungsbehörden wie Jobcenter und Sozialhilfe wieder an die Wohngeldstelle verweisen können, wenn die Menschen wohngeldberechtigt werden, befürchtet man in Regensburg spürbar mehr zusätzliche Arbeit für die Wohngeldstellen. Das hat auch finanzielle Folgen für den Freistaat. Während das Bürgergeld nur vom Bund bezahlt wird, teilen sich Bund und Länder die Kosten beim Wohngeld.

Ämter bitten um Geduld

Alle angefragten bayerischen Kommunen legen Wert darauf, dass sie sich – trotz Personalmangel – den Herausforderungen im Antragsprozess für das "Wohngeld Plus" stellen. Schließlich geht es im Einzelfall immer auch um existentielle Nöte und Ängste. Der Bewilligungszeitraum hat sich mit der Wohngeldreform immerhin auf 24 Monate erhöht.

Wie sehr die Ämter in Verzug sind, ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Während in Landshut der Bearbeitungsrückstand aufgrund des Personalmangels mittlerweile drei Monate beträgt, sieht man sich in Regenburg in der Lage Rückstände aufzuholen: "Die Bearbeitungszeiten liegen im Schnitt bei bis zu drei Monaten. Bei sofortiger Einreichung vollständiger Unterlagen ist auch eine schnellere Bearbeitung der Anträge gewährleistet."

Im Video: Wohngeld Plus scheitert an der Umsetzung (BR quer, 02.03.2023)

Viele Geringverdiener sind dringend auf Entlastung angewiesen, das Wohngeld Plus soll sie bringen.
Bildrechte: BR quer
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Viele Geringverdiener sind dringend auf Entlastung angewiesen, das Wohngeld Plus soll sie bringen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!