Archivbild: 16.10.2021, Bayern, Greding: Rainer Rothfuß beim Landesparteitag der AfD Bayern.
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AfD in Bayern: Zum Teil auf Moskaus Linie?

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ringt die AfD um eine einheitliche Haltung. Die Parteispitze stellt sich aufseiten der Ukraine. Doch mehrere bayerische AfD-Mitglieder und Funktionäre fallen weiter durch ihre Russland-Nähe auf.

Strom, Gas und Wasser erreichen die Bewohner Mariupols bis zum zweiten März. Dann beginnt die Belagerung, bombardieren russische Truppen die Stadt ohne Unterlass. Am selben Tag fällt die erste ukrainische Stadt an Russland: Cherson. 300 Menschen sterben - Soldaten und Zivilisten, so Chersons Bürgermeister. An diesem Tag sendet der russische Fernsehkanal NTV einen Beitrag. Der Inhalt: Politiker aus Nato-Staaten argumentieren gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.

Ein deutscher "Geopolitiker und Berater", wie ihn der Sender nennt, sagt: "Der Westen muss verstehen, dass Russlands geopolitische Interessen ignoriert wurden. Es ist klar, dass der Staat aufsteht, um seine Sicherheit, seine Interessen zu schützen." Der "Geopolitiker und Berater", der Russland verteidigt, ist Rainer Rothfuß, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Bayern, Stadtrat in Lindau und seit Jahren Gast im russischen Fernsehen. In der Vergangenheit rechtfertigte er die Annexion der Krim oder die Anerkennung der Teilrepubliken im Donbas - regelmäßig hatte er Auftritte bei RT (Russia Today), oder wie im oben geschilderten Fall bei NTV, einem Sender des staatlichen Gaskonzerns Gazprom.

AfD-Spitze: Angriff "durch nichts gerechtfertigt"

Während der bayerische AfD-Mann Rothfuß das Vorgehen Russlands für nachvollziehbar hält, äußern sich AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am Tag der Invasion eindeutig: "Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist durch nichts gerechtfertigt. Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen", heißt es in einem schriftlichen Statement. Auch Bayerns AfD-Chef Stephan Protschka schreibt: "Ich verurteile den Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste."

Im Gespräch mit dem BR wiederholt Protschka seine Aussage. Ohne Frage sei es "ein völkerrechtswidriger Angriff. Krieg ist keine Lösung." Das Interview seines Stellvertreters Rothfuß sei mit der Parteispitze nicht abgestimmt gewesen, für problematisch hält er es jedoch nicht: "Ein gewisses Verständnis dafür, dass sich der Russe ins Eck gedrängt fühlt, sollte man vielleicht schon aufbringen", so Protschka.

Rainer Rothfuß nennt den Konflikt auf BR-Anfrage einen "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands". Zugleich äußert er Verständnis: Russland leide unter einem geschichtlichen Trauma, jedes Jahrhundert einmal vom Westen überfallen worden zu sein.

Bystron: Mitverantwortung Deutschlands

Neben Rothfuß ist in dem russischen TV-Beitrag vom zweiten März auch ein Ausschnitt aus einer Rede des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron zu sehen. Auch Bystron hatte während einer Sondersitzung des Parlamentes am 27. Februar betont, dass es sich um einen Angriffskrieg Russlands handle. Die Gründe dafür sieht er auch in westlichen Bündnissen und der Bundesregierung: "Die NATO hat sich verschoben an die Grenze Russlands. Die amerikanische Einflusssphäre hat sich in Richtung russische Grenze verschoben."

Auf Nachfrage des BR bekräftigt Bystron seine Aussagen: „Deutschland trägt eine Mitverantwortung.“ Die Bundesrepublik hätte in der Vergangenheit Zahlungen an die Ukraine an die Einhaltung des Minsk-II-Abkommens knüpfen müssen. Das sei nicht geschehen. Vielmehr habe die Ukraine in den Donbas-Gebieten "weiter eskaliert", so Bystron weiter. "Das führte zur Eskalation des gesamten Krieges." Russland erwähnt der außenpolitische Sprecher der AfD nicht.

"Einschätzungen über die Hintergründe des Krieges gegen die Ukraine unterliegen in Deutschland im Unterschied zur Russischen Föderation natürlich der Meinungsfreiheit", sagt Ursula Münch, Professorin für Politikwissenschaften und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Münch sieht in den Aussagen den Versuch, "den russischen Angriff als zu weitgehend, letztendlich aber als Notwehr darzustellen". Auf diese Weise "schließt man sich der Täter-Opfer-Umkehr an, die auch von Putin und seinem Umfeld betrieben wird".

In der Vergangenheit fielen deutsche Politikerinnen und Politiker zahlreicher Parteien durch ihre Nähe zu Russland auf. Darunter Mitglieder der Regierungsparteien in Bund und Ländern, der Linken, und immer wieder AfD-Mitglieder.

Sicherheitsbehörden: Grauzone zwischen Meinungsäußerung und Einflussnahme

Deutsche Sicherheitsbehörden beschäftigen sich seit Jahren verstärkt mit ausländischer Einflussnahme, gerade auch aus Russland. Im Fokus stehen sowohl Organisationen als auch Einzelpersonen. Nach BR-Informationen werden mehrere Personen als sogenannte Einflussakteure Russlands geführt. Als Einflussakteure gelten Personen, die als Sprachrohr anderer Staaten auftreten oder deren Falschinformationen verbreiten. Die Schwelle, um als feindlicher Spion zu gelten, hätten diese Personen bisher nicht überschritten. Es handle sich um die "Grauzone zwischen Meinungsäußerung und Einflussnahme", so eine Behördenmitarbeiterin.

Landtag Bayern: Referent mit großer Nähe zu Russland

In Bayern fiel den Sicherheitsbehörden ein AfD-Mitglied mit engen Verbindungen zu Russland auf: Jurij Kofner, Jahrgang 1988, Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion und zuständig für den Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Kofner verfasst regelmäßig Papiere über die Wichtigkeit russischer Energieexporte. Diese werden im Landtag von AfD-Mitgliedern zitiert.

Kofner gilt als Vertreter der sogenannten neo-eurasischen Idee, der Vorstellung eines gemeinsamen kulturellen Raumes in Europa unter Hegemonie Russlands. Diese Idee ist in Westeuropa vor allem unter neurechten Akteuren verbreitet. Kofner selbst suchte wiederholt die Nähe zu neurechten Personen, publizierte im rechtsextremen Compact Magazin.

Eine Sicherheitsüberprüfung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, die Kofner angestoßen hatte und die alle Mitarbeitenden im Landtag durchlaufen, die Zugang zu Verschlusssachen (VS) beantragen, wurde nicht durchgeführt. Das hatte zur Folge, dass Kofner keine Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen erteilt wurde. Das zeigen Recherchen des BR. Zu geheimen Dokumenten, die nicht Geheimhaltungsstufe VS sind, hat Kofner Zugang. Verschlusssache ist alles, was im staatlichen Interesse durch besondere Sicherheitsmaßnahmen vor Unbefugten geheim gehalten werden muss.

Für eine Überprüfung von "sicherheitsrelevantem" Verhalten hatte sich Kofner nicht die erforderlichen letzten zehn Jahre in Deutschland aufgehalten. Er lebte bis 2019 in Russland. Die russische Föderation gilt laut Bayerischem Sicherheitsüberprüfungsgesetz als "Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken für die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit befassten Person". Das Landesamt für Verfassungsschutz wollte sich auf BR-Anfrage nicht zu Einzelfällen äußern. Kofner selbst ließ Nachfragen dazu unbeantwortet und verwies auf "dafür relevante Stellen".

Russlandexpertin: "Nützliche Idioten" für Russlands Führung

Die Osteuropa-Expertin Susanne Spahn, die unter anderem für die Friedrich-Naumann-Stiftung zu Russlands Informationskrieg geforscht hat, beobachtet seit Jahren, dass die AfD „traditionell russische Narrative unterstützt“. Sie seien "nützliche Idioten für die russische Führung" und die Propaganda-Zwecke des Kreml. In den vergangenen Jahren waren AfD-Politiker als sogenannte "Wahlbeobachter" auf der Krim oder in Donezk tätig, Abgeordnete reisten nach Syrien, wo Russland Kriegspartei auf Seiten Assads ist. Das alles, so Spahn, um Russlands Politik zu legitimieren. Genau wie dieses Mal im Krieg gegen die Ukraine.

Anmerkung: Eine frühere Version des Textes stellte die Hintergründe zur Sicherheitsüberprüfung von Jurij Kofner nicht korrekt dar. Der betreffende Abschnitt wurde geändert.

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