Wie lange hält die Immunität nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung?
Bildrechte: picture alliance/Bildagentur-online/Ohde
Bildbeitrag

Wie lange hält die Immunität nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung?

Bildbeitrag
> Wissen >

Wie steht es mit der Immunität nach Covid-19?

Wie steht es mit der Immunität nach Covid-19?

Anfang des Jahres erkrankten mehrere Mitarbeiter der Firma Webasto an Covid-19. Jetzt haben sie so gut wie keine Antikörper mehr im Blut. Das zeigt sich auch in anderen Fällen. Verschwindet die Immunität gegen Sars-CoV-2 nach kurzer Zeit?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Im Krankenhaus Schwabing, wo neun Mitarbeiter der Firma Webasto auf der Intensivstation lagen, zeigen aktuelle Bluttests, dass sie kaum noch Antikörper gegen das neuartige Coronavirus haben. Am 18. Juni 2020 veröffentlichten chinesische Forscher im Fachblatt Naturemedicine ein ähnliches Ergebnis: Die Zahl der Antikörper ging nach zwei Monaten bereits um etwa zwei Drittel zurück.

Webasto-Mitarbeiter werden regelmäßig auf Antikörper untersucht

Chefarzt Clemens Wendtner ist froh, dass seine ehemaligen Patienten der Firma Webasto immer noch alle drei bis vier Wochen zum Blutabnehmen kommen. Anfangs zeigten sich bei den neun Patienten Erreger im Blut, dann Antikörper und jetzt scheint bei einigen der Immunschutz schon wieder zurückzugehen.

"Wir haben in der Nachsorge unserer Patienten gesehen, dass bei einem Teil, sprich bei 40 Prozent, im Verlauf ein Verlust an neutralisierenden Antikörpern stattgefunden hat. Das deutet daraufhin, dass keine Langzeitimmunität gegeben sein könnte bei diesen Patienten und sie sich eventuell auch wieder mit Sars-CoV-2 anstecken könnten." Clemens Wendtner, Chefarzt im Krankenhaus Schwabing

Milder Verlauf könnte zu schwacher Immunität führen

Die chinesische Studie untersuchte 74 Patienten mit und ohne Symptome. Das Ergebnis: Bei den symptomlosen Infizierten war die Zahl der Antikörper nach acht Wochen um fast 80 Prozent zurückgegangen. Bei den Menschen, die Symptome hatten, waren es noch um die 60 Prozent.

"Wir haben in Schwabing eine kleine Fallzahl und auch die chinesische Publikation hatte wenige Patienten. Ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie weit der Schweregrad der Infektion auch die Immunitätslage langfristig beeinflusst." Clemens Wendtner, Chefarzt im Krankenhaus Schwabing

Immunitätsentwicklung bei Covid-19 noch unklar

Experten hoffen auf weitere Studien, um besser einschätzen zu können, wie sich Immunität nach einer Covid-19-Erkrankgung ausbildet und wie lange sie vorhält.

"Ich bin zurückhaltend und warne zur Vorsicht: Wir können jetzt noch nicht sagen, dass Menschen, die diese Covid-19-Infektion quasi ohne Symptome durchmachen, schlechter geschützt sind gegen eine Neuinfektion." Bernd Salzberger, Infektiologe an der Uniklinik Regensburg

Coronaviren-Infektion garantiert keinen dauerhaftem Schutz

Nicht nur Covid-19, auch ein banaler Schnupfen wird von Coronaviren ausgelöst. Jeden Winter bekommen wir meist mehrfach einen Schnupfen. Daraus leiten Wissenschaftler ab, dass eine durchgemachte Coronaviren-Infektion nicht unbedingt zu einem dauerhaften Schutz führen muss. Anders ist das bei Kinderkrankheiten wie Masern oder Windpocken: Wer sie einmal hatte, wird sie in aller Regel kein zweites Mal bekommen.

"Von Mers-Coronaviren und der Mers-Epidemie auf der Arabischen Halbinsel aus dem Jahr 2013 wissen wir, dass es einen Schutz über einen Zeitraum von etwa ein bis zwei Jahren gab. Aber dann haben sich ehemalige Patienten wieder angesteckt. Das Phänomen der sinkenden Immunität ist bei Coronaviren also durchaus bekannt." Clemens Wendtner, Chefarzt im Krankenhaus Schwabing

Antikörper und T-Zellen dienen der Immunabwehr

Was Hoffnung macht: Nicht nur Antikörper bekämpfen krankmachende Erreger. Auch eine andere Gruppe von weißen Blutzellen, die T-Lymphozyten oder kurz T-Zellen genannt, erkennt körperfremde Stoffe und setzt sich zur Wehr. Vielleicht tragen die T-Zellen dazu bei, dass genesene Patienten auch gesund bleiben. Zumindest liegen derzeit weltweit keine gesicherten Daten vor, dass es bereits Neuansteckungen nach durchgemachter Covid-19-Erkrangkung gegeben hätte.

"Die T-Zellen sind die andere Achse des Immunsystems. Zurzeit laufen Untersuchungen, ob Patienten eventuell durch T-Zellen geschützt werden, so dass sie sich nicht erneut mit Sars-CoV-2 anstecken können." Clemens Wendtner, Chefarzt im Krankenhaus Schwabing

Kurzer Immunschutz könnte Impfbemühungen erschweren

Wenn es so sein sollte, dass der Immunschutz nach einer durchgemachten Corona-Infektion nur für relativ kurze Zeit vorhält, könnte es auch schwer werden, einen lang anhaltenden Impfschutz zu entwickeln. Trotz dieser Befürchtungen, wird weltweit und auch in Deutschland auf Hochtouren an verschiedenen Impfstoffen geforscht.

"Mit den Impfstoffen wollen wir erreichen, dass ganz gezielt eine sehr gute und hoffentlich etwas länger dauerhafte Immun-Reaktion des Körpers erzielt wird. Und dass ein Schutz vorhanden ist, wenn man mit dem Erreger Sars-CoV-2 konfrontiert wird." Klaus Chichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Insituts

Forschung an Medikamenten gegen Covid-19

Parallel zu den Bemühungen, einen Impfstoff zu finden, halten es Experten für wichtig, weiterhin nach Medikamenten zu fahnden, die einen schweren Verlauf bei Covid-19 abmildern können. Das Ebola-Medikament Remdesivir gilt als eine mögliche Option, die bei Covid-19 bereits zugelassen ist.

"Bis heute gibt es keinen HIV-Impfstoff, aber HIV kann sehr gut kontrolliert werden, weil wir eine Vielzahl von Arzneien entwickelt haben. Wir sollten diese Strategie auch bei Covid-19 verfolgen, um eventuell auch diese Krankheit durch eine intelligente Kombination verschiedener Medikamente zu beherrschen." Clemens Wendtner, Chefarzt im Krankenhaus Schwabing

Die Frage der Immunität nach Covid-19 ist noch offen

Fazit: Das neue Coronavirus ist noch zu wenig erforscht und zu kurz im Umlauf, als dass sich jetzt schon genau sagen ließe, wie lang eine Immunität nach durchgemachter Erkrankung besteht. Es fehlen auch gesicherte Erkenntnisse, wie hoch der Antikörperspiegel sein muss, um vor einer erneuten Ansteckung zu schützen. Außerdem wollen Forschende die Rolle der T-Zellen bei der Abwehr von Coronaviren noch besser beleuchten.