Immer noch erkranken im Durchschnitt jedes Jahr weltweit etwa 200.000 Menschen an Lepra, vornehmlich in Indien, Brasilien, Indonesien und Teilen Afrikas. Schätzungsweise zwei bis drei Millionen Menschen weltweit müssen ihr Leben lang mit den Folgen der bakteriellen Infektion zurechtkommen - das heißt, oft mit verkrüppelten Händen oder Füßen, entstellten Gesichtern und vielem mehr. Das müsste nicht sein. Denn die Erkrankung gilt nicht nur als gut behandelbar und heilbar, sondern in vielen Fällen sogar als vermeidbar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft die Länder deshalb dazu auf, mehr für die Bekämpfung der Infektionskrankheit zu tun.
Lepra-Bekämpfung: weniger Diagnosen aufgrund der Pandemie
Im Jahr 2021 wurde laut Angaben der WHO weltweit bei 133.802 Menschen Lepra diagnostiziert. Allerdings ist die Statistik aufgrund der Corona-Pandemie wohl immer noch verfälscht. "Die COVID-19-Pandemie hat die Lepra-Kontrollprogramme weltweit unterbrochen, sodass weniger Menschen eine rechtzeitige Diagnose erhielten", schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem anlässlich des diesjährigen Welt-Lepra-Tages veröffentlichten epidemiologischen Bulletin vom 19. Januar 2023. Die tatsächlichen Zahlen der Neuerkrankungen dürften also weit höher liegen, vermutet auch das RKI. Eine frühe Diagnose von Lepra ist aber wichtig. Zum einen können durch die frühe Diagnose und die gezielte Behandlung schwerwiegende Krankheitsfolgen vermieden werden. Außerdem ist laut RKI eine frühzeitige Diagnose der Erkrankung "ein wichtiger Faktor für das Verhindern einer kontinuierlichen Übertragung auf enge Kontaktpersonen."
Lepra - die lange Inkubationszeit und der Schutz von Kontaktpersonen
Lepra ist eine Infektionskrankheit, die durch das bereits 1873 vom Norweger Gerhard Armauer Hansen entdeckte Bakterium Mycobacterium leprae ausgelöst wird. Das Problem ist jedoch: Die Inkubationszeit - das heißt, bis nach der Ansteckung die ersten Krankheitssymptome auftreten - ist aufgrund des sehr langsamen Wachstums des Erregers sehr lang. Bis zu zwei Jahrzehnte könne sie dauern, schreibt das RKI. Und genau so lange ist der Lepra-Kranke für sein enges Umfeld auch ansteckend, ohne dass er es ahnt.
Eine frühe Diagnose von Lepra-Kranken ist daher auch wichtig, um enge Kontaktpersonen, "die einem hohen Risiko ausgesetzt sind, in den Folgejahren an Lepra zu erkranken", wie das RKI schreibt, zu schützen. Schon eine einmalige Gabe einer bestimmten Antibiotikadosis "kann eine Erkrankung bei einem erheblichen Anteil der Kontaktpersonen verhindern", so das RKI. Mathematische Modelle hätten berechnet, dass so die Neuerkrankungsrate innerhalb von fünf Jahren um 50 Prozent und innerhalb von 25 Jahren um 90 Prozent reduziert werden könnte. Auch Leprakranke selbst können seit vielen Jahren mit einer kombinierten Antibiotika-Therapie gut behandelt und geheilt werden.
Lepra gehört zu den Zoonosen
Auch Tiere können Lepra haben. Bereits vor zehn Jahren konnten Forscher mithilfe von DNA-Analysen nachweisen, dass Menschen sich bei Gürteltieren mit Lepra anstecken können. Lepra zählt damit zu den sogenannten Zoonosen. Das sind Infektionskrankheiten, die auf natürlichem Weg vom Tier auf den Menschen übertragen werden können.
Lepra - die Krankheitssymptome
Die Erreger, die Lepra auslösen, befallen das Nervensystem. Im Frühstadium bekommen Leprakranke Flecken auf der Haut, meist an Armen, Beinen oder am Kopf. An den betroffenen Körperregionen empfinden die Personen vor allem im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf keine Wärme, Kälte, Berührungen und Schmerzen mehr. Wenn sie sich dann an diesen Stellen verletzen und es nicht spüren, entzünden sich die Wunden. Oft infizieren sie sich über die Verletzungen zusätzlich mit anderen Krankheiten. Am Ende sterben diese Bereiche ab und es kommt zu den für Lepra typischen Verstümmelungen.
Gesetze gegen Leprakranke
In den Schriften vieler Religionen, etwa im Christentum, Hinduismus oder Buddhismus, wird Lepra als Strafe für Verfehlungen im aktuellen oder früheren Leben angesehen. Laut der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP), der auch die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) angehört, werden Leprakranke, aber auch geheilte Patienten, in vielen Ländern nicht nur geächtet, sondern sogar per Gesetz stigmatisiert. Allein in Indien, dem Land, in dem es Jahr für Jahr die meisten neudiagnostizierten Lepra-Fälle gibt, existieren mehr als 100 solcher Vorschriften. Sie versagen den Erkrankten die gesellschaftliche Teilhabe in verschiedensten Lebensbereichen und wirken sich zum Beispiel auf den Wohnort, die Beschäftigung, das Wahlrecht und sogar das Eheleben aus. Den Vereinten Nationen liegen aus vielen Ländern Berichte vor, dass auch leprakranke Kinder diskriminiert werden, insbesondere im Bildungsbereich.
Diskriminierung begünstigt Lepra-Verbreitung
Viele Erkrankte scheuen sich, aus Scham, Schuldgefühlen und der Furcht vor Diskriminierung einen Arzt aufzusuchen. Zudem leiden sie unter Depressionen und Angstzuständen. Der Arztbesuch fällt dann erst recht aus. Um auf diese Not und den daraus resultierenden Teufelskreis aufmerksam zu machen, wurde 1954 der Welt-Lepra-Tag eingeführt. Er findet jedes Jahr am letzten Sonntag im Januar statt. Der diesjährige Welt-Lepra-Tag am 29. Januar steht unter dem Motto: "Act Now. End Leprosy. ", also "Jetzt handeln: Lepra beenden.". Der Tag soll das Bewusstsein für die Krankheit schärfen sowie die Länder zu verbindlichem Engagement bei der Lepra-Bekämpfung anregen. Das RKI verweist darauf, dass die Erkrankung heutzutage nicht nur behandelbar, sondern auch vermeidbar sei und alle notwendigen Instrumente zur Verfügung stünden, "um Lepra im Sinne einer Unterbrechung der Übertragung zu eliminieren." Noch heute zählt die WHO Lepra zu den 20 vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs).
Im Video: Gespräch mit Lepraärztin Dr. Ruth Pfau
Ruth Pfau behandelt in einer Krankenstation in Karachi einen an Lepra erkrankten Mann (13.01.2005).
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