Umweltzonen machen Anwohner gesünder. Asthmatiker und Herzkranke brauchen weniger Medikamente bei weniger Feinstaub und Stickstoffdioxid.
Bildrechte: picture-alliance/dpa, colourbox.com, Montage: BR

Umweltzonen machen Anwohner gesünder. Asthmatiker und Herzkranke brauchen weniger Medikamente bei weniger Feinstaub und Stickstoffdioxid.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Umweltzonen: Weniger Feinstaub senkt Ausgaben für Medikamente

Saubere Luft führt dazu, dass Herz- und Lungenpatienten weniger Medikamente brauchen, so eine aktuelle Studie zu Feinstaub und Umweltzonen. Das spart Kosten von knapp 16 Millionen Euro im Jahr.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Umweltzonen senken die Kosten im Gesundheitswesen. Das belegt eine Studie des Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Chance in Berlin, die am 12. Mai 2020 im Fachblatt ScienceDirekt zur "Wirkung sauberer Luft auf die Arzneimittelausgaben" ins Netz gestellt wurde.

Umweltzonen verbessern die Luftqualität

Seit dem Jahr 2008 haben insgesamt 58 deutsche Städte Umweltzonen eingeführt. Das Ziel ist, schadstoffintensiven Pkw, Lkw und Bussen die Einfahrt zu verweigern, um Feinstaub und Stickstoffdioxid in der Luft zu reduzieren. Mehrere wissenschaftliche Studien und das Umweltbundesamt kommen zu dem Ergebnis, dass sich durch Umweltzonen die Feinstaubbelastung um fünf bis zehn Prozent reduziert.

"Die Verbesserung der Fahrzeugflotte in einem Einzugsbereich einer Metropolregion führt dazu, dass die Feinstaubkonzentration, aber auch die Konzentration von Stickoxiden zurückgeht - das sind die Formen der Luftverschmutzung, die durch Verkehr entstehen." Nico Pestel, Institute of Labor Economics, Programmbereich Umwelt, Gesundheit und Arbeitsmärkte

Asthmatiker und Herzkranke brauchen weniger Medikamente

Städte mit hohem Verkehrsaufkommen haben eine besonders schlechte Luftqualität. Laut Europäischer Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen starben im Jahr 2016 rund 400.000 Menschen in der EU vorzeitig, weil sie Feinstaub ausgesetzt waren. Die Einführung der Umweltzonen hat dazu geführt, dass sich - laut aktueller Studie - in diesen deutschen Städten die Arzneimittelausgaben für Asthmatiker und Herzkranke um 15,8 Millionen Euro senken ließen.

"Wenn wir auf Medikamentenverschreibungen schauen, die die Patienten bekommen haben, vorher und nachher im Vergleich zur Kontrollgruppe, kommen wir insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Umweltzonen in den deutschen Städten jährlich knapp 16 Millionen Euro an Ausgaben für Medikamente eingespart haben." Nicolas Koch, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC)

Krankenkasse AOK stellt anonymisierte Daten zur Verfügung

Die Studie des Mercator-Instituts basiert auf Luftqualitätsmessungen des Umweltbundesamtes sowie auf anonymisierte Arzneimittelausgaben der größten Krankenkasse AOK mit 2,7 Millionen Versicherten.

"Wir haben dem Mercator-Institut für die Analyse von Gesundheitseffekten von Umweltzonen ermöglicht, verschlüsselte AOK Daten zu analysieren." Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK

Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge amortisiert sich nach 10 Jahren

Die Wissenschaftler der Mercator-Stiftung gehen davon aus, dass etwa 200.000 ältere Diesel-Fahrzeuge nachgerüstet werden müssten, um in Umweltzonen einfahren zu dürfen. Laut ADAC kostet das Nachrüsten etwa 600 Euro pro Pkw. Somit entstehen Gesamtkosten von 120 Millionen Euro für das Nachrüsten der Autos.

"Es stehen also Ersparnisse von 16 Millionen im Jahr bei den Medikamentenausgaben. Außerdem gibt es einen Kostenblock, der einmalig anfällt, von 120 Millionen Euro fürs Nachrüsten. Wenn man auch Zinseseffekte mitrechnet, dann kommt man zu diesem Fazit: Nach knapp 10 Jahren sind diese Kosten wieder eingespielt durch Ersparnisse bei den Medikamentenausgaben." Nicolas Koch, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC)

Umweltzonen reduzieren auch Krankenhauskosten

Nicht eingerechnet sind weitere Folgekosten, die bei besserer Luft vermieden werden: Etwa die Behandlung von Asthmatikern oder Herzkranken im Krankenhaus. Eine Studie vom 27. September 2019 veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Umweltzonen auch die Krankenhausaufenthalte der Risikogruppen kürzer machen oder ganz verhindern. Der Analyse zufolge reduzieren Umweltzonen die Fälle koronarer Herzkrankheiten um 5,3 Prozent und Asthma um 4,4, Prozent.

"Man muss bedenken, dass weitere Kostenbereiche dazukommen, die auch reduziert werden und damit lohnt sich die Einführung einer Umweltzone noch deutlicher." Nico Pestel, Institute of Labor Economics, Programmbereich Umwelt, Gesundheit und Arbeitsmärkte

Kritik an Umweltzonen

Mittlerweile haben elf Länder in Europa über 300 Umweltzonen eingerichtet, um nach Möglichkeit vorgeschriebene Grenzwerte für die Luftqualität einzuhalten. Kritiker halten die Schadstoff-Einsparungen durch Umweltzonen für zu gering und plädieren für deren Abschaffung.

"Umweltzonen verfehlen ihren Zweck und verursachen lediglich einen unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand sowie zusätzliche Einschränkungen und Kosten für Autofahrer." ADAC-Untersuchung zur Wirksamkeit von Umweltzonen

Gute Luft fördert die Konzentrationsfähigkeit

Andere Studien belegen, dass die Arbeitsproduktivität bei guter Luft zunimmt. Auch Fußballspieler, Schüler und Schachspieler können sich bei geringer Feinstaubkonzentration besser konzentrieren und bringen messbar bessere Leistungen. Die aktuelle Studie, die zeigt, dass sich Ausgaben für Medikamente durch Umweltzonen reduzieren, gehört zu den wenigen Analysen, die den monetären Nutzen von Umweltzonen beleuchten.