Ein Anhänger liegt in Berching umgekippt unter einer durch starken Wind beschädigten Fahrzeughalle.
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Ein Anhänger liegt in Berching umgekippt unter einer durch starken Wind beschädigten Fahrzeughalle.

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Sturm bei Berching: Was macht den Tornado zum Tornado?

Der Sturm, der vor einer Woche bei Berching wütete, war wirklich ein Tornado. Das bestätigte der Deutsche Wetterdienst nach genauer Analyse. Denn nicht jeder heftige Sturm ist ein Tornado: Die Kriterien und die Voraussetzungen sind ganz besondere.

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In den Abendstunden des Donnerstags vergangener Woche fegte eine Gewitterfront mit Sturmböen über den oberpfälzischen Landkreis Neumarkt hinweg. In der Gemeinde Berching richtete sie besonders großen Schaden an. Die Schadensspur war sehr schmal und durch extreme Verwüstungen gekennzeichnet. Deshalb gingen Feuerwehr und Polizei von einem Tornado aus - und diese Einschätzung hat der Deutsche Wetterdienst nun offiziell bestätigt.

Einschätzung als Tornado ist oft voreilig

Oft wird bei schmalen Schneisen der Zerstörung mit umgestürzten Bäumen, Autos oder Bauwerken automatisch auf einen Tornado geschlossen. Was aber voreilig ist, denn in vielen Fällen werden räumlich konzentrierte Schadensschneisen dieser Art eher von Gewitterfallböen, sogenannten Downbursts, verursacht als von Tornados. Deshalb geht man in Fachkreisen mit solchen "Tornado"-Meldungen kritisch um, besonders wenn wie bei diesem Ereignis das Markenzeichen eines Wirbelsturms, nämlich sein bis auf den Boden herabreichender Wolken-"Rüssel", nicht dokumentiert wurde.

Erst eine genaue Schadensanalyse bringt Klarheit

Da braucht's ähnlich wie in der Kriminalistik einen "Profiler", der den genauen Hergang des Ereignisses zu rekonstruieren vermag. Dazu gehört nicht nur die Analyse von Bildern eines speziellen Regenradars, dem Dopplerradar, sondern auch die genaue Untersuchung der Schadensspur vor Ort, eine forensische Schadensanalyse. Im Falle eines Downbursts liegen die umgefallenen Bäume und Masten mehr oder weniger parallel zueinander.

Kennzeichen eines Tornados hingegen - den man sich wie einen gewaltigen Staubsauger mit einer Saugkraft von in der Regel deutlich mehr als 100 km/h vorstellen muss - sind unterschiedliche Fallrichtungen. Und zwar in der Weise, dass die Spitzen der umgefallenen Gegenstände diesseits und jenseits der Hauptschadensspur des Tornadozentrums zueinander weisen. Man spricht von einem sogenannten konvergenten Schadensmuster.

Nun ist der Berchinger Tornado amtlich

Tornado-typische Radarbilder und Schadensmuster wurden von den Experten des Deutschen Wetterdienstes im Verlauf ihrer Analyse festgestellt. Der Tornado von Berching ist nun amtlich. Dabei geht man von Böenspitzen bis zu 180 km/h aus! Das ist extrem für deutsche Verhältnisse, bereits ab Winden oberhalb von 117 km/h spricht man von einem "Orkan".

Tornados wie in Berching kommen in Deutschland häufiger vor, als man glaubt, sind aber meist von kleinerem Kaliber als ihre tödlichen Verwandten in den USA. Voraussetzung für die Entstehung solch kleinräumiger, aber extrem starker und damit schadensträchtiger Wirbelstürme ist eine feuchte Luftmasse in der unteren Atmosphäre. Diese wird von teils trockenerer Luft in der höheren Atmosphäre überlagert.

Unterschiedliche Windstärken und -richtungen erzeugen Tornado-Potenzial

Entscheidend für ein erhöhtes Tornadopotenzial sind dabei sehr unterschiedliche Windrichtungen und -stärken je nach Höhe in der Atmosphäre. Das klassische tornadoträchtige Windmuster ist ein schwacher bis mäßiger Wind aus Südost bis Südwest in der unteren Atmosphäre, der in höheren Luftschichten von einem stürmischen Wind aus West bis Nordwest überlagert wird.

Bei stürmischen Höhenwinden denkt man sofort an den "Jetstream". Und in der Tat treten viele Tornados in der Nähe eines solchen Höhenorkans auf. Auch topografische Einflüsse wie ein von Süd nach Nord verlaufener Talzug, der den bodennahen Wind auf südliche Richtungen trimmt, kann zur Entstehung eines Tornados beitragen.

Das beschriebene Windmuster wird in der Sprache der Experten als "starke Windscherung" bezeichnet. Dabei braucht es für die Entstehung eines Tornados keine heftigen Sommergewitter in schwül-warmer Luft, wie man gemeinhin glaubt. Es reicht eine kräftige Kaltfront mit einer unter Umständen topografisch getriggerten, extrem starken Windscherung - wie am Donnerstag vergangener Woche in Berching in der Oberpfalz.

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