Bruno zeigt ein Foto von sich. Darauf zu sehen ist er vor Corona, damals war er deutlich trainierter und schlanker.
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Bruno zeigt ein Foto von sich. Darauf zu sehen ist er vor Corona, damals war er deutlich trainierter und schlanker.

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Dick durch Corona: Jugendliche kämpfen gegen die Kilos

Zocken und essen, kaum Freunde treffen, wenig bewegen: Der 16-jährige Bruno hat in der Pandemie 50 Kilo zugenommen. Ein Schicksal, das er mit vielen Jugendlichen teilt. In einer Klinik im Allgäu kämpfte er gemeinsam mit anderen gegen die Pfunde.

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"Ich habe nicht mehr gelacht", so beschreibt Bruno seinen Alltag in der Pandemie. Dafür hat er umso mehr gegessen. Schließlich standen 114 Kilo auf der Waage, der 16-Jährige schämte sich, ging kaum noch vor die Tür. "Beine voll groß, Waden voll groß, auch die Hüfte war voll groß bei mir. Sehr viel Fettanteil. Es ist schon sehr schlimm, wie es geworden ist." Das soll sich ändern, Bruno will sich wieder wohlfühlen in seinem Körper.

Vierwöchige Reha im Allgäu

Helfen soll ihm eine vierwöchige Reha in der Alpenklinik Santa Maria der Katholischen Jugendfürsorge in Oberjoch. Die Klinik ist unter anderem auf Ernährungstherapie bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert.

Ziel ist es, sie durch Schulungen selbst zu Ernährungsexperten zu machen. Sie erfahren alles über die Ursache und die Auslöser ihrer Erkrankungen und wie sie sich im Alltag selbst helfen können. Für das Politikmagazin Kontrovers dürfen wir Bruno während der gesamten Rehazeit begleiten.

Ernährungstherapie als Selbsthilfe

Die Erstdiagnose von Bruno: extremes Übergewicht. Sein Essverhalten muss sich ändern. Gemeinsam mit dem 13-jährigen Mario lernt er jetzt, warum bestimmte Lebensmittel schlecht für ihn sind – weil sie zum Beispiel besonders viel Fett oder Zucker enthalten. Erst wenn die Kinder wissen, welche Lebensmittel ihnen schaden, wenn sie sie in großen Mengen essen, können sich die Kinder auch zuhause, nach der Reha, selbst helfen.

Corona-Pandemie sorgt vermehrt für Übergewicht bei Kindern

Das ist nicht nur für Bruno und Mario wichtig. In Deutschland gilt jedes 5. Kind als übergewichtig oder extrem übergewichtig, also adipös. Das war vor der Pandemie. Erste Studien zeigen, dass sich die Situation durch Corona sogar verschärft hat. Die Gründe dafür sind für Dr. Markus Koch, Chefarzt der KJF Alpenklinik, eindeutig: "Bewegungseinschränkungen, deutlich weniger Sport, deutlich weniger soziale Kontakte, wenig geregelter Tagesablauf und dann auch veränderte Essgewohnheiten in der Familie. Die führen dann in der Summe dazu, dass in sehr hoher Geschwindigkeit viele Jugendliche in den letzten Monaten zugenommen haben."

50 Kilo plus - Dick durch Corona

Große psychische Belastung durch Gewichtszunahme

Bruno zeigt uns ein Foto, wie er vor Corona ausgesehen hat, ein lachender, schlanker Jugendlicher. "Als 13-Jähriger, 14-Jähriger, da war noch alles gut. Ich war auf einem Gewicht, mit dem ich zufrieden war. Also wirklich, mit 13, 14 hatte ich das beste Leben. Das war natürlich vor Corona."

Die vielen zusätzlichen Kilos bestimmen bald Brunos Leben: "Mitte 2021 bin ich nicht mehr zur Schule gegangen wegen meinem Aussehen, so schlimm war es. Auch, weil mir keine Sachen mehr gepasst haben. Du musst ja eine Woche in die Schule gehen und du hast einfach nicht genug Klamotten, weil du zu dick bist."

Geregelter Alltag und Gemeinschaft baut Kinder auf

Schon nach einer Woche Reha geht es Bruno deutlich besser. Die Gemeinschaft in der Reha soll den Jugendlichen helfen, sich besser zu fühlen – wieder mehr so wie früher. Und genau so ist es für den 16-Jährigen: "In dieser einen Woche habe ich mehr gelacht als die letzten sechs Monate. Wir haben Spiele gespielt und so weiter, waren oft gemeinsam, haben viel geredet und Spaß gehabt." Auch der durchstrukturierte Alltag, früh aufstehen und früh ins Bett gehen, hilft den Kindern und Jugendlichen, wieder zurück in ein geregeltes Leben zu finden.

Täglicher Sport als große Umstellung

Zur Reha gehört auch: jeden Tag Sport, vier Wochen lang. Ein hohes Pensum, das Bruno an seine Grenze bringt. Die regelmäßige Bewegung ist entscheidend, auch in der Zeit nach der Reha. Denn zu wenig Bewegung ist eine der wichtigsten Ursachen für Übergewicht bei Jugendlichen, zusammen mit der ungesunden Ernährung. Zwei Faktoren, die auch vom sozialen Umfeld bestimmt werden. Eltern und Verwandte können ihre Kinder hier sehr unterstützen.

Schwerer Abschied aus der Reha-Klinik

Nach vier Wochen heißt es für Bruno ab auf die Waage. Mit 114 Kilo ist er angekommen. Jetzt zeigt die Waage 106,8 Kilo. Er hat ganze 7,4 Kilo abgenommen. Ein toller Erfolg für den 16-Jährigen, auch wenn er sich eher leise freut: Der Abschied aus der Klinik fällt Bruno sehr schwer.

Draußen vor der Klinik, kurz bevor er bei seiner Mutter ins Auto steigt, kommen ihm sogar die Tränen. "Das ist schon ein trauriges Gefühl. Das sind auch irgendwie meine Freunde geworden so. Ich kann es irgendwie gar nicht beschreiben. Ich dachte nicht, dass ich weinen werde."

Neue Gewohnheiten zuhause umzusetzen

Die größte Herausforderung steht Bruno noch bevor: Das Gewicht halten und weiter abnehmen. Die neue Ernährung im Alltag umsetzen und weiterhin viel Sport machen. Genau das fällt ihm schwer. Wir treffen ihn zwei Monate nach der Reha. Wie ist es ihm ergangen? "Ich habe null zugenommen und null abgenommen", erzählt Bruno. Sport gemacht habe er, aber nur sieben Mal. Zu wenig, das wisse er auch.

Trotzdem hat Bruno die Reha geholfen, vor allem mental. Er fühlt sich besser, ist wieder gerne unter Menschen. Die großen Veränderungen sind in seinem Kopf passiert. "Ich freu mich, wenn ich jetzt zur Schule gehe. Und ich freue mich auch, bestimmte Klamotten anzuziehen. Ich weiß, ok, heute sehe ich gut aus. Das hat sich sehr stark verändert." Bis zum Sommer will er auf jeden Fall weiter abnehmen, mit seiner Familie Urlaub am Strand machen. Der Kampf gegen die Corona-Kilos geht weiter. Für ihn und für viele andere Kinder und Jugendliche.

  • Zum Artikel: "Dick durch Corona: Die Zeit nach der Reha"
Jugendliche vor schwarzem Hintergrund.
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Jugendliche vor schwarzem Hintergrund.

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