Krallenfrosch (Xenopus laevis)
Bildrechte: picture alliance / blickwinkel/B. Trapp | B. Trapp

Einem Krallenfrosch (Xenopus laevis) wachsen genau wie einem Menschen normalerweise keine Beine nach.

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Regenerativmedizin: Dem Krallenfrosch wächst ein neues Bein nach

Nach einer Amputation wächst eine Gliedmaße nicht nach. Das gilt normalerweise auch für den Krallenfrosch. Bis jetzt: Ein Cocktail aus fünf Wirkstoffen lässt Krallenfröschen ein neues Bein wachsen – funktionstüchtig und fast vollständig.

Fühlt sich eine Seegurke bedroht, kann sie als Ablenkungsmanöver einen Teil ihrer inneren Gedärme abwerfen. Diese Organe wachsen später nach. Einige Gattungen von Strudelwürmern können bei Bedarf neue Muskeln oder Gewebe nachbilden. Und wenn ein Axolotl ein Bein verliert, wächst ein neues Gliedmaß nach. Forscherinnen und Forscher interessieren sich schon lange für die fast wundersam erscheinenden regenerativen Fähigkeiten dieser Tiere – denn was bei Seegurken, Strudelwürmern oder Axolotln möglich ist, ist Säugetieren wie dem Homo sapiens verwehrt. Lediglich die menschliche Leber verfügt über die Fähigkeit, sich fast vollständig zu regenerieren, nachdem sie halbiert wurde.

Auch der Krallenfrosch (Xenopus laevis) besitzt normalerweise keine Selbstheilungskräfte. Verlieren diese Amphibien ein Bein, wächst normalerweise lediglich ein knorpeliger Dorn nach. Nun aber ist es Forschenden gelungen, bei Krallenfröschen die Neubildung eines amputierten Beines anzuregen: Innerhalb von 18 Monaten nach der Amputation eines Hinterbeins wuchs diesen Tieren ein funktionstüchtiges und fast vollständiges Bein nach. Das Forscherteam berichtet darüber im Fachmagazin „Science Advances“.

Genau wie der Mensch hat der Krallenfrosch normalerweise keine nachwachsenden Beine

Der Krallenfrosch ist hierzulande auch unter dem Begriff „Apothekerfrosch“ bekannt. Das liegt daran, dass er bis in die 1960er-Jahre hinein als eine Art lebender Schwangerschaftstest genutzt wurde: Im sogenannten „Froschtest“ wurde einem weiblichen Krallenfrosch etwas Urin einer Frau gespritzt. Laichte der Frosch wenig später ab, war der Test positiv, die Frau schwanger.

Über was der Krallenfrosch normalerweise aber genauso wenig wie der Mensch verfügt, sind regenerative Fähigkeiten nach dem Verlust von Gliedmaßen. Für die ganz besonderen regenerativen Eigenschaften von Axolotol, Seegurke oder Strudelwurm interessiert sich die Regenerativmedizin schon lange: Könnte man herausfinden, wie diese Tiere das anstellen, könnte man Ähnliches auch beim Menschen versuchen. Der Strudelwurm beispielsweise verfügt in seinem Bindegewebe über Stammzellen, die bei Bedarf neue Organe oder Muskeln bilden können.

Nachwachsende Gliedmaßen dank Bioreaktor, ohne Stammzellen oder Gentherapie

Die Forschenden um Nirosha Murugan von der US-amerikanischen Tufts University wählten für die Krallenfrösche einen anderen Ansatz: Nachdem den erwachsenen Tieren ein Hinterbein amputiert worden war, wurde die Wunde 24 Stunden lang von einem Bioreaktor bedeckt, der neben Seidenproteinen mit einem Cocktail aus fünf Wirkstoffen gefüllt war. Die Wirkstoffe erfüllten jeweils unterschiedliche Zwecke: Einige verhinderten eine Entzündung oder verhinderten die Bildung von Kollagen, das zur Narbenbildung führen würde. Andere förderten die Neubildung von Nervensträngen, Blutbahnen und Muskeln.

Nach 18 Monaten war den Krallenfröschen dann ein neues Bein nachgewachsen, das fast komplett funktionstüchtig war, inklusive einer Knochenstruktur. Den Tieren wuchsen sogar eine Art Zehen nach – allerdings ohne Knochen. Die neugebildeten Beine reagierten auf Reize von außen und die Frösche konnten sie zum Schwimmen nutzen. Die Tatsache, dass die Wunden der Tiere lediglich eine relativ kurze Zeit vom Bioreaktor bedeckt waren, und dies allein einen monatelangen Prozess der Regeneration anstieß, wertet die Studienleiterin Nirosha Murugan als positives Zeichen: „Das deutet darauf hin, dass Frösche und vielleicht auch andere Tiere über schlummernde regenerative Fähigkeiten verfügen, die aktiviert werden können.“

Das Beinwachstum des Krallenfrosches als Möglichkeit für die regenerative Medizin

Die Forschenden schienen somit einen Prozess angestoßen haben, der bei Embryonen ganz ähnlich abläuft: Die Gliedmaße bilden sich dabei quasi selbst, ohne weitere Einwirkungen von außen. Insbesondere benötigte ihr Ansatz weder eine Gentherapie noch verwendete Stammzellen, die bislang in der regenerativen Medizin als vielversprechend angesehen werden. In einem nächsten Schritt will das Forscherteam ausloten, inwieweit sich diese Behandlung auch bei Säugetieren anwenden ließe.

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