Hoffnung für ME/CFS-Betroffene: Vielleicht kann man die Krankheit bald mit einem Bluttest feststellen.
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Hoffnung für ME/CFS-Betroffene: Vielleicht kann man die Krankheit bald mit einem Bluttest feststellen.

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Möglicher Bluttest für Chronisches Fatigue Syndrom ME/CFS

In Deutschland sind bis zu 300.000 Menschen an ME/CFS erkrankt - dem Chronischen Fatigue Syndrom. Viele von ihnen sind bettlägerig und die Krankheit ist schwer zu behandeln. In den USA wurde nun erstmals ein Bluttest entwickelt, der Hoffnungen macht.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die Myalgische Enzephalomyelitis bzw. das Chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS, auch Chronisches Erschöpfungssyndrom oder Müdikeitssyndrom) ist eine tückische Krankheit. Einerseits, weil sie von Ärztinnen und Ärzten oft nicht oder zu spät erkannt wird, und andererseits, weil sie das Leben und Wohlbefinden der Betroffenen massiv einschränkt. 75 Prozent der Betroffenen sind arbeitsunfähig oder können nicht mehr die Schule besuchen, 25 Prozent sind so schwer betroffen, dass sie das Haus nur noch selten verlassen können und sogar bettlägerig sind. Insgesamt erkranken mehr Frauen als Männer und auch Kinder sind betroffen.

Typische Symptome von ME/CFS

  1. Grippesymptome, die über Monate hinweg nicht besser werden
  2. Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen
  3. Post-exertional Malaise bzw. eine Belastungsintoleranz: Schon eine geringe Anstrengung kann zu einem körperlichen Zusammenbruch führen, von dem sich Betroffene tage-, wochen- oder monatelang nicht erholen.
  4. Störungen mit dem Gleichgewicht oder dem Blutdruck
  5. Erschöpfung, auch Nachtschlaf führt nicht zu einer Erholung
  6. Empfindlichkeit auf Geräusche, Licht, Berührungen
  7. Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Nach einem Jahr die Diagnose ME/CFS

Auch Katharina Herr hat ME/CFS, ihre Krankheitsgeschichte ist typisch. Im Februar 2015 wird sie wegen eines Infektes krank geschrieben - und wenige Wochen später konnte sie keine 30 Meter mehr laufen. An was sie erkrankt war, das konnte ihr lange Zeit keiner sagen. Heute ist sie befristet verrentet, mit gerade mal 30 Jahren.

"Ich hatte ungefähr ein Jahr Ärztemarathon hinter mir, bis ich dann an der Charité Berlin die Diagnose CFS bekommen habe. Und damit bin ich aber wirklich eine der schnellen. Mein Vorteil war, dass ich im Internet schon auf die Erkrankung gestoßen bin, und dann das Glück hatte, einen Hausarzt zu finden, der mir geglaubt hat und der Thematik auch offen gegenüberstand. Was wirklich nicht selbstverständlich ist." Katharina Herr, ME/CFS-Betroffene

Obwohl das Chronische Fatigue Syndrom schon seit Ende der 1960er-Jahre von der WHO als neurologische Krankheit definiert ist, die biologische Ursachen hat, wird die Krankheit von vielen Ärzten fälschlicherweise als psychosomatisch oder psychisch angesehen. Das Problem: Bislang kann man ME/CFS nur anhand von einem Symptombild erkennen - und das bedeutet, dass ein Arzt oder eine Ärztin sich mit der Krankheit gut auskennen muss. Oft tritt es nach einem Pfeifferschen Drüsenfieber auf, das durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöst wird.

"Fatigue, Schmerzen sind ja alle relativ allgemein, die kann man auch bei anderen Erkrankungen haben. Natürlich gibt es schon sehr charakteristische Symptome wie die Belastungsintoleranz, aber selbst das sieht man manchmal auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen." Prof. Carmen Scheibenbogen, Leiterin Immundefekt-Ambulanz, Charité Berlin

Bluttest für ME/CFS entwickelt

Forscher von der Stanford-Universität in den USA haben nun erstmals einen Bluttest vorgestellt, der Proben von ME/CFS-Patienten zuverlässig von gesunden unterscheiden konnte.

"Das war für uns das Wichtigste: Wenn man ein eindeutiges Signal in dem Test hat - dann hat man ME/CFS." Dr. Ron Davis, Stanford-Universität, USA

Dabei wurden insgesamt 40 Blutproben untersucht, je zwanzig von gesunden und zwanzig von erkrankten Personen. Eine kleine Studie, mit vorläufigen Ergebnissen.

"Ein diagnostischer Marker würde nicht nur zeigen, dass jemand erkrankt ist, sondern auch, welche Erkrankung er hat. Das heißt im schlechtesten Falle zeigt dieser Test auch bei vielen anderen Erkrankungen eine solche Veränderung." Prof. Carmen Scheibenbogen, Leiterin Immundefekt-Ambulanz, Charité Berlin

Darum wird das Team um Ron Davis demnächst damit beginnen, auch andere Blutproben mit dem Test zu untersuchen.

"Es wäre großartig, es wäre eine Riesenerleichterung für alle Betroffenen, eigentlich warten da ja schon alle darauf, dass es endlich mal einen objektiven Nachweis gibt, einen einfachen Test, um die Krankheit zu diagnostizieren. Eine zusätzliche Belastung und Druck zusätzlich zur Krankheit ist, dass man sich ständig erklären und rechtfertigen muss. Man sieht halt gesund aus und dann sind auch noch die Laborwerte ok, und viele zweifeln dann daran, dass man wirklich krank ist." Katharina Herr, ME/CFS-Betroffene

Energiestoffwechsel ist bei ME/CFS fehlerhaft

Auch an der Universität Würzburg wird an ME/CFS geforscht. Hier im Fokus: die Mitochondrien der Körperzellen. Mitochondrien sind die "Energiekraftwerke" unseres Körpers, sie wandeln den eingeatmeten Sauerstoff in die körpereigene Energiewährung ATP um. Schon heute ist deutlich: Bei ME/CFS-Betroffenen ist dieser Energiestoffwechsel durcheinandergeraten. Wie bei einem schlechten Handy-Akku lädt sich der Energievorrat nicht mehr auf.

"Wir glauben, dass in ME/CFS-Patienten die Mitochondrien heruntergefahren werden - ausgelöst durch eine Virusinfektion." Dr. Bhupesh Prusty, Universität Würzburg

Das kann zum Beispiel ein Herpes-, Grippe- oder das Epstein-Bar-Virus sein. Selbst, wenn sich im Blut keine Viren mehr nachweisen lassen, könnte das einen Effekt haben, so der Mikrobiologe. Er hat gesunde Zellen im Blutplasma von ME/CFS-Patienten heranwachsenlassen, auch Katharina Herr hat so eine Probe abgegeben.

Das Resultat: In ME/CFS-Blutplasma verhält sich eine gesunde Zelle auf einmal wie eine kranke. Bhupesh Prusty vermutet, dass nur wenige Zellen mit den Viren infiziert werden, diese aber an andere Zellen Signale senden, damit diese ihre Mitochondrien herunterfahren. Für die Viren wäre das eine Überlebensstrategie, denn Mitochondrien sind auch wichtig für das körpereigene Abwehrsystem.

Zu wenig Forschungsgeld für ME/CFS

Doch bis aus Würzburg weitere Ergebnisse zu erwarten sind, kann es noch eine Weile dauern. Die Forschung zu ME/CFS ist weltweit und auch in Deutschland massiv unterfinanziert. Und das bei rund 300.000 Betroffenen hierzulande, das sind mehr Patienten als bei Multipler Sklerose.

"In Deutschland gibt es für ME/CFS kein Geld, keine Förderung. Es hat einfach keine Priorität." Dr. Bhupesh Prusty, Universität Würzburg

Vom 5.-12. Mai findet darum eine internationale Aktionswoche für ME/CFS statt. Auf der ganzen Welt wird es Veranstaltungen geben, auch in München, unter dem Motto "Millions Missing". Dabei wird auf die Millionen Erkrankten aufmerksam gemacht, die bettlägerig sind und seit Jahren ihre Häuser und Wohnungen nicht mehr verlassen können.

Man hat für nichts mehr Kraft. Kann kaum mehr aufstehen oder arbeiten gehen. Dazu: Muskelschmerzen, Nervenstörungen und Grippesymptome über Jahre und Jahrzehnte hinweg. All das können Hinweise auf ME/CFS sein.
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Man hat keine Kraft, kann kaum mehr aufstehen. Dazu Muskelschmerzen, Nervenstörungen und Grippesymptome. Das können Hinweise auf ME/CFS sein.