Die Zugspitze - ein Forscherteam der Technischen Universität München um Riccardo Scandroglio untersucht dort den schmelzenden Permafrost.
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Ein Forscherteam der Technischen Universität München um Riccardo Scandroglio untersucht den Permafrost auf der Zugspitze.

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Der Permafrost schmilzt: Verliert die Zugspitze ihren Halt?

Wenn Böden oder Felswände dauerhaft gefroren sind, spricht man von Permafrost. In den Alpen findet man Permafrost in der Regel ab einer Höhe von 2.800 Metern. Noch. Denn der Klimawandel droht den Permafrost aufzutauen – mit gefährlichen Folgen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nicht nur an den Polkappen schmilzt das Eis durch die Klimaerwärmung. Auch in Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, gibt es Eis – den sogenannten Permafrost. Wenn das ewige Eis taut, wird der Fels instabil. Wird die Zugspitze so zur Gefahr für Wanderer und Menschen, die am Fuße des Berges leben?

Untersuchungen im Berg

Welche Folgen das Auftauen des Permafrostes in der Zugspitze hat, will Riccardo Scandroglio herausfinden. Er ist Teil eines Forschungsteams der Technischen Universität München, das seit über 15 Jahren die Zugspitze wissenschaftlich untersucht. Das tauende Eis befindet sich im Inneren des mächtigen Berges. Seit der letzten Eiszeit hält es Fels, Geröll und Steine auf etwa 2.800 Metern Höhe wie ein Klebstoff zusammen.

Um zum Permafrost zu gelangen, liegt eine anstrengende Wanderung vor ihm und seinem Team. Ihr erstes Ziel ist die Umweltforschungsstation im Schneefernerhaus knapp unter dem Gipfel der Zugspitze. Bis dahin kommen sie noch mit der Seilbahn.

Ein Labor im Herzen des Berges

Am Schneefernerhaus beginnt auf etwa 2.700 Metern der Kammstollen. Er führt von der Südseite der Zugspitze quer durch den Berg auf seine Nordflanke. Am Anfang ist der Stollen noch beleuchtet. Scandroglio gibt letzte Anweisungen, bevor es für sein Team in den dunklen Berg geht. Auf der Südseite, so sagt er, sei es noch angenehm. Doch mit jedem Schritt werde es ein bisschen kälter. Der Messbereich liegt hinter der Nordflanke von Deutschlands höchstem Berg. Diese schattige Felswand ist schon jetzt im Herbst von Schnee und Eis überzogen.

Permafrost, erklärt Scandroglio, sei sehr abhängig von der Lage. Er müsse in schattigen Bereichen sein. Also meistens hinter steilen Nordwänden, die im Winter schneefrei bleiben. Das erlaube der Kälte vom Winter in den Felsen reinzukommen. So könne der Kern vom Felsen gefroren bleiben.

Eine verborgene Welt aus Eiskristallen

Um den Permafrost zu finden, muss das Team noch weiter in den Berg hinein. Stetig bergauf. Es wird immer enger und niedriger. Nun weisen ihnen nur noch ihre Stirnlampen den Weg. Ohne dieses Licht ist es hier rabenschwarz. Kein Laut dringt von der Außenwelt herein. Nach etwa 15 Minuten Aufstieg ist es endlich soweit. Vor den Forschern erstreckt sich eine wunderbare Welt aus Eiskristallen. Sie sind nun mitten im Permafrost. Alles um sie herum ist gefroren. Boden, Wände, Felsen - überall Eis. Von nun an geht es nur noch auf allen Vieren weiter. In den Felswänden stecken Temperaturfühler. Die Forscher haben sie vor 15 Jahren angebracht. Seither wird die Temperatur des Berges ständig gemessen.

Riccardo Scandroglio packt sofort seine Instrumente aus und beginnt mit ersten Messungen. Die Ergebnisse beunruhigen ihn. Die Temperaturen steigen, sagt er. Sie liegen momentan fast bei 0 Grad. Man erkennt mit bloßen Augen, dass es von den Wänden leicht tropft. Kein gutes Zeichen.

Der Berg verliert seinen Kitt

Es ist ein klarer Trend abzulesen. In den letzten Jahren steigen die Temperaturen stetig um etwa 0,1 Grad pro Jahr, erklärt der 33-jährige Forscher. Das heißt, so Scandroglio, in zehn Jahren sei die Temperatur hier im Eisstollen um ein Grad höher. Damit sei dieser Bereich vom Permafrost an der Grenze zum Schmelzen. In den nächsten zehn Jahren werde es hier im Berg nicht mehr dauerhaft gefroren sei, vermutet der Wissenschaftler.

Doch das Eis hat eine wichtige Funktion. Es hält Felsen, Geröll und Steine wie ein Kleber zusammen. Taut der Permafrost auf, verliert der Berg seine Stabilität. Welche Auswirkungen das haben kann hatte sich im Sommer 2017 in der Schweiz gezeigt. Eine Felswand löste sich vom Piz Cengalo und stürzte ins Tal. Acht Menschen kamen ums Leben. Der kleine Ort Bondo in Graubünden wurde von einer Schlamm- und Gerölllawine überrollt. Niemand kann solche Massen aufhalten. Auch der höchste Gipfel der Alpen, der Mont Blanc, fängt an, seinen Halt zu verlieren. Hunderte Steinschläge und Felsstürze ereignen sich dort - und das jedes Jahr.

Der Temperaturanstieg in den Bergen ist eine tickende Zeitbombe

Die Veränderung der Hochalpen in Europa ist auch ein Thema, das dem Deutschen Alpenverein (DAV) immer mehr zu schaffen macht. Tobias Hipp ist der Experte für Permafrost im DAV. Er macht sich vor allem Sorgen um die Sicherheit der Bergsteiger. Der tauende Permafrost, so sagt er, sei eine tickende Zeitbombe im hochalpinen Bereich. Die Normalroute auf den Mont Blanc zum Beispiel sei im Sommer sehr gefährlich und kaum mehr möglich. Auch Hüttenfundamente, Seilbahnen und Bergstationen können instabil werden, fürchtet er. Sie wurden zu einer Zeit gebaut, als der Boden noch dauerhaft gefroren war. Nun fängt der Boden an, sich zu setzen und sich zu bewegen. Dies habe Folgen für die Stabilität auch mancher Hütten des Deutschen Alpenvereins.

Wie stabil ist die Zugspitze?

Um herauszufinden wie es um die Stabilität der Zugspitze steht, schicken Riccardo Scandroglio und sein Team Stromstöße in die Felsen der Zugspitze. Mithilfe dieser Stromstöße können sie messen, ob der Fels im Inneren des Berges gefroren ist oder nicht. Denn Eis und Wasser haben einen unterschiedlichen Widerstand. Immer öfter treffen die Forscher dabei auf Wasser statt Eis. Der Permafrost schmilzt nachweislich. Hatte die Permafrostlinse vor 15 Jahren noch eine maximale Ausbreitung von 70 Metern ist sie jetzt nur noch 50 Meter breit.

Keine Gefahr für die Bevölkerung

Dank der Arbeit der Wissenschaftler ist die Zugspitze einer der bestüberwachten Berge Bayerns. Eine akute Gefahr besteht ihnen zufolge nicht, anders als in anderen Regionen der Alpen. Die Auswirkungen in Bayern seien sehr klein, meint Scandroglio. Dadurch, dass die Fläche, die auf der Zugspitze betroffen ist, nur klein sei, werden keine großen Massen in Bewegung sein, beruhigt der Wissenschaftler der Technischen Universität München. Die der Zugspitze zu Füßen liegenden Talorte sind also nicht in Gefahr. Auch wenn für die Wissenschaftler fest steht: Das Auftauen des Permafrosts im Herzen des Berges lässt sich nicht mehr stoppen. In nur wenigen Jahren wird ihr innerer Kitt verschwunden sein.

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