Ein Arzt impft eine Kollegin mit einem Grippeimpfstoff.
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Der Grippeimpfstoff gehört zu den Totimpfstoffen. Sie lösen im Körper die Bildung von Antikörpern gegen die Influenzaviren aus.

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Corona-Impfung: Jetzt noch auf Totimpfstoffe warten?

Manche Menschen haben bisher mit der Impfung gegen das Coronavirus gezögert. Sie misstrauen den mRNA- und Vektor-Impfstoffen und warten auf Totimpfstoffe. Aber was sind Totimpfstoffe eigentlich und wie funktionieren sie?

Die vierte Welle der Pandemie hat Deutschland im Griff, täglich infizieren sich Tausende mit dem Coronavirus. Viele davon sind nicht geimpft und haben damit ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf. Die in Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffe sind wirksam, zuverlässig und inzwischen weltweit milliardenfach verimpft. Nebenwirkungen traten nur extrem selten auf. Trotzdem misstrauen manche den Vektor- und mRNA-Impfstoffen und warten auf einen Totimpfstoff. Doch was macht einen Totimpfstoff eigentlich aus? Worin unterscheidet er sich von anderen Impfstoffen? Gibt es tatsächlich einen Grund, deswegen mit der Impfung gegen das Coronavirus zu warten?

Was sind Totimpfstoffe und gegen welche Krankheiten werden sie eingesetzt?

Impfstoffe lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe.

Lebendimpfstoffe enthalten lebendige Krankheitserreger, die sich vermehren können. Allerdings in so geringer Menge und so abgeschwächt, dass sie die Erkrankung selbst nicht auslösen. Lebendimpfstoffe sind zum Beispiel die Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Auch der Impfstoff gegen Polio (Kinderlähmung), der in den 1960er- und 1970er-Jahren bei der Schluckimpfung zum Einsatz kam, war ein Lebendimpfstoff.

Totimpfstoffe enthalten unschädlich gemachte Krankheitserreger. Das können komplette Krankheitserreger wie Viren sein, die mit Hitze, Strahlung oder chemischen Substanzen abgetötet (inaktiviert) wurden. Manche Impfstoffe enthalten auch nur einzelne Bestandteile von Krankheitserregern. Andere Totimpfstoffe lösen keine Reaktion gegen den Krankheitserreger selbst aus, sondern gegen den giftigen Stoff, den er produziert. Totimpfstoffe werden meist zusammen mit einem Wirkverstärker (Adjuvans) verabreicht, um eine ausreichend starke Immunreaktion hervorzurufen. Zu den Totimpfstoffen werden unter anderem die Impfstoffe gegen Diphtherie, Hepatitis B, Polio, Keuchhusten, Tollwut und Tetanus gezählt.

Was ist der Unterschied zu mRNA- und Vektor-Impfstoffen?

Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna enthalten jeweils ein kleines Stück Erbinformation des Coronavirus in Form von mRNA (messenger ribonucleic acid, Boten-Ribonukleinsäure), verpackt in Lipid-Nanopartikel. Die mRNA enthält den Bauplan für das sogenannte Spike-Protein, mit dem das Virus an menschliche Zellen andocken kann.

Auch die Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson enthalten den Bauplan für das Spike-Protein. Sie nutzen aber ein abgeschwächtes, für den Menschen harmloses Virus als Transportmittel (Vektor). 2019 wurde der erste Vektorimpfstoff zugelassen. Es war ein Impfstoff gegen das Ebolavirus.

Eine Impfung mit einem Vektor- und mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 regt die Zellen an der Einstichstelle an, für kurze Zeit das Spike-Molekül des Coronavirus zu bilden. Das Immunsystem reagiert darauf, behält das Spike-Protein im Gedächtnis und ist für die Abwehr vorbereitet, wenn es später mit dem echten Virus konfrontiert wird.

Welche Totimpfstoff-Kandidaten könnten bald zugelassen werden?

Am 17. November 2021 hat das US-Unternehmen Novavax bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA den Antrag auf Zulassung seines Impfstoffs Nuvaxovid (NVX-CoV2373) gestellt. Für die Grundimmunisierung sind zwei Dosen notwendig. Nuvaxovid ist ein Impfstoff auf Protein-Basis. Er enthält das Spike-Protein, das mithilfe von manipulierten Viren in Insektenzellen erzeugt und dann in Lipid-Nanopartikeln verpackt wird. Die Bezeichnung "Totimpfstoff" trifft auf Nuvaxovid nur im weitesten Sinne zu. Mit einem Impfstoff, der das komplette abgetötete Virus enthält, wie zum Beispiel das Tollwut-Vakzin, hat der Impfstoff von Novavax wenig gemeinsam.

Auch der Covid-19-Impfstoff Vidprevtyn von Sanofi-GSK wird von der EMA geprüft. Am 20. Juli 2021 startete das sogenannte Rolling-Review-Verfahren. Sobald genügend Daten aus laufenden Studien vorliegen, kann das Unternehmen einen formellen Antrag auf Marktzulassung bei der EMA stellen. Vidprevtyn ist wie Nuvaxovid ein Protein-Impfstoff und funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Ob und wann Sanofi-GSK einen Zulassungsantrag bei der EMA stellt, ist noch unbekannt.

Seit dem 2. Dezember 2021 prüft die EMA auch den Impfstoff VLA2001 von Valneva in einem Rolling-Review-Verfahren. Die EU hat bereits einen Liefervertrag über 60 Millionen Dosen für die Jahre 2022 und 2023 mit dem Hersteller abgeschlossen.

Der Impfstoff enthält das komplette Coronavirus SARS-CoV-2 und ist damit ein konventioneller Totimpfstoff. Das Coronavirus für den Impfstoff wird in Vero-Zellen vermehrt, die von Nieren-Zellen der grünen Meerkatze abstammen. Anschließend werden die Viren unschädlich gemacht und daraus der Impfstoff produziert. Nach diesem Verfahren stellt Valneva bereits seit Jahren einen zugelassenen Impfstoff gegen die Japanische Enzephalitis her. Die Zulassungsstudie für VLA2001 läuft noch bis kommendes Jahr.

  • Zum Artikel "So funktionieren die Impfstoffe von Novavax und Valneva"

Bereits seit Mai 2021 prüft die EMA den Impfstoff Coronavac von Sinovac aus China. Er enthält wie der Impfstoff von Valneva das ganze, aber inaktivierte Virus. Auch die Herstellung ist ähnlich. In der Türkei, Chile, Brasilien und anderen Ländern ist Coronavac bereits im Einsatz. In Studien zeigte er aber, wie andere Totimpfstoffe auch, eine geringere Wirksamkeit als die bisher in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe.

Außerhalb Europas sind weitere Totimpfstoffe im Einsatz. Bis auf die Impfstoffe Covaxin aus Indien und BBIBP-CorV aus China sind diese aber nur in wenigen Ländern (zum Beispiel Kasachstan und Kirgistan) oder nur im Herkunftsland (Iran) zugelassen.

Vorteile und Nachteile von Totimpfstoffen

Konventionelle Totimpfstoffe lassen sich relativ schnell in großen Mengen herstellen. Ein weiterer Vorteil ist die lange Lagerfähigkeit. Sie können bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad Celsius mehrere Jahre lang aufbewahrt und bis zu 24 Stunden lang bei Raumtemperatur eingesetzt werden. Daher lassen sie auch in entlegenen Teilen der Erde verabreichen. Impfstoffe mit dem kompletten Virus rufen zudem eine breitere Immunantwort hervor als Impfstoffe, die das Immunsystem nur mit einem Teil des Erregers, zum Beispiel dem Spike-Protein, konfrontieren. Das kann aber auch zu einer übermäßig starken Immunreaktion führen, die sich gegen den eigenen Körper richtet.

Bei Totimpfstoffen lässt der Impfschutz im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen allerdings im Allgemeinen mit der Zeit nach. Eine Auffrischung ist in manchen Fällen nach wenigen Jahren notwendig. Bei FSME zum Beispiel ist das je nach Alter nach drei bis fünf Jahren der Fall. Bei anderen Krankheiten wie Diphtherie oder Tetanus ist eine erneute Schutzimpfung erst nach fünf bis zehn Jahren notwendig.

Den meisten Totimpfstoffen wird ein Verstärker (Adjuvans) zugesetzt, um eine ausreichende Immunreaktion hervorzurufen. Dieser Verstärker kann grippeähnliche Symptome auslösen. Prinzipiell sind Totimpfstoffe aber gut verträglich.

Fazit

Die ersten Totimpfstoffe gegen Covid-19 könnten bald zugelassen werden. Wann das passiert und wann und in welchen Mengen sie tatsächlich verfügbar sind, ist ungewiss. Das Warten auf sie kann also noch Monate dauern.

"Totimpfstoff" ist zudem eine unscharfe Bezeichnung. Eng gefasst sind Totimpfstoffe die Impfstoffe, die abgetötete Krankheitserreger enthalten. Dann sind die Impfstoffe von Novavax und Sanofi-GSK jedoch keine Totimpfstoffe. Weit gefasst sind Totimpfstoffe alle Impfstoffe, die keine lebenden Krankheitserreger enthalten. Dann sind allerdings die mRNA- und Vektor-Impfstoffe auch Totimpfstoffe.

Diese mRNA- und Vektor-Impfstoffe wurden bereits milliardenfach verimpft und haben nur in sehr seltenen Fällen Nebenwirkungen gezeigt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass konventionelle Totimpfstoffe oder Protein-Impfstoffe sicherer, zuverlässiger oder in anderer Hinsicht besser sein könnten als die Impfstoffe, die schon bisher verwendet werden. Nebenwirkungen, die nur einmal unter hunderttausend oder einer Million Menschen auftreten, lassen sich in den Studien für die Zulassung der Impfstoffe kaum entdecken. Unklar ist bei den noch nicht zugelassenen Impfstoffen auch, wann der Impfschutz eintritt, wie lange er anhält und wann Auffrischungsimpfungen notwendig sind.

Gegen die aktuelle vierte Welle der Pandemie können konventionelle Totimpfstoffe und Protein-Impfstoffe nichts mehr ausrichten. Für Impfungen zur Auffrischung beziehungsweise zum Boostern sind sie 2022 wahrscheinlich eine Alternative zu mRNA- und Vektorimpfstoffen.

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