Die Regeln der Deutschen Bahn: Auch Maske tragen
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Die Deutsche Bahn hat Hygieneregeln

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#Faktenfuchs: Wie hoch ist das Infektionsrisiko beim Bahnfahren?

Volle Züge, wenig Raum, um Mindestabstand zu halten, nicht alle tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung: Vielen Pendlern und Reisenden ist derzeit mulmig, wenn sie Bahn fahren müssen. Ist das Corona-Infektionsrisiko dort im Moment höher? Ein #Faktenfuchs.

In den sozialen Netzwerken wird derzeit häufig in Frage gestellt, ob Bahn fahren in der aktuellen Situation mit steigenden Infektionszahlen noch sicher ist. Auf Twitter berichten Nutzer von Gedrängel in den Gängen und zu wenig Abstand:

Manche wollen die Bahn als Fortbewegungsmittel gar nicht mehr nutzen, da es ohne Reservierungspflicht zu voll sei. "Ich verzichte", schreibt etwa Nutzerin Verena und begründet das so:

"Keine Reservierungspflicht, zusteigen wer/wo will, immer wieder Züge mit zu wenig Waggons - ist es voll und die Leute stecken oft über Stunden wie in einer Sardinenbüchse."

Wie sicher ist das Reisen mit der Bahn? Wie hoch die Gefahr, sich in einem Zug mit dem Corona-Virus zu infizieren?

Ausbrüche in der Bahn lassen sich nur schwer ermitteln

Laut Robert-Koch-Institut lassen sich Ausbrüche in der Bahn nur schwer ermitteln, da die Identität eines Kontaktes nicht immer nachvollziehbar ist. Das geht aus dem epidemiologischen Bulletin hervor, das das RKI am 17. September 2020 veröffentlichte.

Darin betrachteten die Wissenschaftler das Infektionsumfeld von Covid-19-Ausbrüchen in Deutschland genauer: Über welchen Weg und an welchen Orten steckten sich Personen mit dem Virus an? Sie verweisen aber auch darauf, dass diese untersuchten Fälle nur 27 Prozent der gesamten Sars-CoV-2-Fälle ausmachten.

Das Ergebnis: Im Bereich Verkehrsmittel hatte das RKI - anders als bei Bus und Flugzeug - bei der Bahn keine Ausbrüche und Fälle registriert. Das heißt aber nicht, dass es dort nicht zu Infektionen gekommen sein kann. Eine Untererfassung von Fällen in der Bahn ist möglich, so das Robert Koch-Institut.

Bisherige Studien zum Infektionsgeschehen in der Bahn

Der Forschungsstand zum Infektionsgeschehen in Zügen ist bislang überschaubar. Anfang September stellte die Bahn erste Ergebnisse einer Studie aus der Hand der Auftragsforschungs-Firma Charité Research Organisation (CRO) vor, die eine Tochter der Berliner Universitätsklinik ist. Die Forschungsgruppe, die spezialisiert ist auf klinische Studien, untersucht innerhalb von drei Zeiträumen, Juni und Oktober 2020 und Februar 2021, welcher Infektionsgefahr das Zugpersonal ausgesetzt ist.

Zwischen dem 29. Juni und 3. Juli 2020 wurden 1.073 Mitarbeitende der Deutschen Bahn auf akute und überstandene SARS-CoV-2-Infektionen untersucht. Getestet wurde das Zugbegleiterpersonal, Triebfahrzeugführerinnen und Werkhandwerker. Das Ergebnis: Zugbegleiter hatten sich nicht häufiger infiziert als Kollegen ohne Kundenkontakt. Für Mitarbeiter in den Fernverkehrszügen bestehe kein erhöhtes Risiko, an SARS-CoV-2 zu erkranken: "Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Züge keine Infektionshotspots sind, da sonst auch das Zugbegleitpersonal stärker als der Bevölkerungsdurchschnitt betroffen sein müsste", heißt es im vorläufigen Bericht.

Die Studie, heißt es, stehe im Einklang mit Beobachtungen der Gesundheitsinstitute und anderer Studien, die weltweit von einer geringen Anzahl an Infektionen in Zügen berichten. Verwiesen wird auf zwei Studien - eine davon ist auch eine Studie der Deutschen Bahn selbst, die die bisherigen Erkenntnisse seit dem Ausbruch des Coronavirus im Frühjahr 2020 zusammenfasst: So sollen unter anderem der schnelle Luftaustausch und die Frischluftzufuhr in den Zügen Grund für ein niedriges Infektionsrisiko sein.

Die zweite zitierte Studie wurde 2016 veröffentlicht, darin wurde die Verbreitung von Influenza- und früher existierenden Viren aus der Corona-Familie über Transportmittel wie Flugzeug, Schiff und Bahn untersucht. Das Ergebnis: Viren wurden über den Zugverkehr zwar in neue Gegenden gebracht, allerdings bedarf es weiterer Studien, um das genaue Infektionsrisiko abzuschätzen.

Weitere Forschungen nötig

Die Forschungsgruppe der aktuellen Studie der Deutschen Bahn und der Charité Research Organisation weist darauf hin, dass die Ergebnisse der Untersuchungen beim DB-Personal nicht eins zu eins auf Passagiere übertragbar seien. Ob das Risiko für Fahrgäste zum Beispiel durch längeren Kontakt zu einem infizierten Sitznachbarn höher sei, lasse sich mit den Daten der vorliegenden Studie nicht beantworten.

Um das Infektionsgeschehen in Zügen der Deutschen Bahn besser zu verstehen, untersucht die Bahn derzeit zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mögliche Infektionswege in Schienenfahrzeugen anhand von Simulationsrechnungen und Versuchen im Labor an einem Originalfahrzeug. Wann Ergebnisse vorliegen, ist noch unklar.

Wichtige Faktoren: Fahrtdauer und Abstand

Wie wichtig es ist, genügend Abstand auf Bahnfahrten zu halten, zeigt eine Studie von Wissenschaftlern aus China, die im Juli im Fachmagazin "Clinical Infectious Diseases" veröffentlicht wurde.

Die Auswertung der Daten ergab: Je dichter die Passagiere sitzen, desto höher ist das Infektionsrisiko. Und je länger man fährt, desto größer das Risiko sich anzustecken. Die Wissenschaftler ziehen folgendes Fazit: Abstand halten - je länger die Fahrt dauert, desto mehr. Das heißt zum Beispiel, bei drei Stunden Fahrt und mehr sollten mindestens zwei Plätze frei bleiben.

Allerdings: Die Studie lässt sich nur bedingt auf deutsche Verhältnisse übertragen, da sich die Art der Züge und das Fahrgastaufkommen unterscheiden. Außerdem gab es im Untersuchungszeitraum keine Maskenpflicht.

Mund-Nasen-Schutz ist unverzichtbar

Ausreichend Abstand im Zug zu halten, dafür plädiert auch der stellvertretende Leiter des Institutes für Virologie der Technischen Universität München, Dieter Hoffmann. Für ihn kommt es auf drei Faktoren an: Abstand, Dauer, Maske. Das Wichtigste ist seiner Meinung nach das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. "Wenn es eine gut sitzende Maske ist, die dicht ist, sollte sie Schutz bieten. 100 Prozent mag der Schutz nicht sein, aber er ist recht gut." Ein Restrisiko bleibe aber immer, etwa wenn ein sogenannter "Super-Spreader" mit hoher Viruslast neben einem sitzt.

Streitpunkt Reservierungen

Der Abstand zu anderen Fahrgästen ist immer wieder Grund zur Sorge bei Reisenden: Wenn sonst nicht in Kontakt stehende Menschen direkt nebeneinander reservieren können, brächten die Maßnahmen nichts, befürchtet eine Twitter-Nutzerin.

Die Bahn erteilt einer Reservierungspflicht eine Absage: "Eine Reservierungspflicht, die einen Abstand zwischen den Fahrgästen von mindestens 1,50 m garantiert, würde das Sitzplatzangebot im Fernverkehr auf ein Viertel verknappen", schreibt die Bahn in einer Mail-Antwort an BR24. Derzeit sei die Bahn auf vielen Verbindungen zwar deutlich geringer ausgelastet, eine derartige Reduzierung brächte das Bahnsystem aber an seine Grenze. Schon jetzt werde die Zahl der Reservierungen von vornherein begrenzt, um Reisenden die Möglichkeit zu schaffen, sich bei Bedarf umzusetzen.

Laxer Umgang mit der Maske an Bord

Nicht nur die fehlende Reservierungspflicht treibt Fahrgäste der Bahn um. An Bord ist zwar jeder verpflichtet, Mund und Nase zu bedecken. Ausgenommen davon ist die Zeit, in der man isst und trinkt. Und diese Zeit ohne Maske scheinen einige Reisende auszunutzen:

"Neben mir sitzt jemand, der eine Stunde an einer Tüte Studentenfutter nagt. Die beste Entschuldigung, keine Maske zu benutzen", schreibt ein Twitter-User und urteilt:

"Solange essen und trinken erlaubt bleibt, ist die Maskenpflicht doch ein Witz."

Auch der Virologe Dieter Hoffmann findet Essen und Trinken im Zug problematisch, denn es erhöht das Infektionsrisiko. Er empfiehlt deshalb, zum Essen und Trinken in einen Bereich zu gehen, wo man genügend Abstand zu den Mitreisenden hat, "dass man nicht direkt neben dem Nachbarn isst". Man solle zudem die Maske nicht abnehmen, wenn der Nachbar die Maske ebenfalls nicht auf hat. Im Zweifel rät Hoffmann dazu, sich einen anderen Sitzplatz zu suchen.

Die Bahn äußerte sich zur Problematik Essen und Trinken nicht dezidiert. Nach wie vor halte sich die große Mehrheit der Reisenden an die Maskenpflicht.

Fazit

Zur Frage, ob beim Bahnfahren das Infektionsrisiko steigt, steht die Forschung noch am Anfang. Es lässt sich auf der Grundlage bisher weniger aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen keine verlässliche Aussage treffen.

Infektionen in der Bahn sind laut RKI schwer zu ermitteln, weil die Kontaktverfolgung nicht einfach sei. Eine Studie der Bahn gemeinsam mit der Charité Research Organisation kommt zum Schluss, dass Züge keine Infektions-Hotspots sind. Eine Studie aus China belegt, dass der Abstand zu Mitreisenden und die Reisedauer insgesamt für das Infektionsrisiko wichtig sind. Diese fand allerdings zu anderen Bedingungen statt, als sie jetzt in deutschen Zügen herrschen.

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