Immer mehr Corona-Schutzmaßnahmen werden gelockert, doch die Ansteckungsgefahr bleibt. Auch, weil wir uns häufig ins Gesicht fassen. Doch es gibt Tipps gegen diese Angewohnheit.
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Immer mehr Corona-Schutzmaßnahmen werden gelockert, doch die Ansteckungsgefahr bleibt. Auch, weil wir uns häufig ins Gesicht fassen.

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Corona und Hygiene: Warum wir uns immer ins Gesicht fassen

Immer mehr Corona-Schutzmaßnahmen werden gelockert, doch die Ansteckungsgefahr bleibt. Auch, weil wir uns häufig ins Gesicht fassen. Aber warum fällt es uns so schwer, die Finger von Augen, Mund und Nase zu lassen? Und welche Tipps gibt es dagegen?

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Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Wer mit seinen Fingern ständig ins Gesicht greift, tut seinem Immunsystem keinen Gefallen. Denn durch die Schleimhäute an Augen, Nase und Mund können schnell Keime in den Körper gelangen, die wir vorher mit den Händen an Türklinken, der Haltestange in der S-Bahn oder an Geldscheinen "eingesammelt" haben. Häufiges Händewaschen hilft zwar. Trotzdem ist der Drang, sich an der Nase zu jucken oder die Augen zu reiben, stets präsent. Und sich bewusst nicht ständig ins Gesicht zu fassen, ist nicht so einfach – denn wir sind alle Wiederholungstäter.

Wir oft fassen wir uns eigentlich ins Gesicht?

3,6 Mal pro Stunde greifen wir uns nach einer Studie des National Institutes of Health in Bethesda (Maryland/USA) von 2013 durchschnittlich ins Gesicht. Bei knapp der Hälfte dieser Gesichtsberührungen, exakt 44 Prozent, wird die Schleimhaut an Mund, Nase und Augen berührt. Durch dieses Einfallstor können Viren und Bakterien dann ungehindert von den Händen aus in den Körper eindringen.

Warum fassen wir uns überhaupt ins Gesicht?

Der Gewohnheit des Menschen, sich ins Gesicht zu fassen, ist ein reflexhaftes Verhaltensmuster, sagt Samy Egli, Verhaltenstherapeut am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München:

„Es gibt sehr viele Ursachen, warum ich mir ins Gesicht fasse. Diese Verhaltensweise ist hochautomatisiert und unbewusst. Und je unbewusster, je automatisierter wir ein Verhalten ausüben, desto schwieriger ist es, es bewusst zu kontrollieren.“ Samy Egli, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München

Was hat das mit Stress zu tun?

Nach Erkenntnissen von Hirnforschern der Universität Leipzig ist die Selbstberührung im Gesicht vor allem ein Anzeichen für Stress und Anspannung. Eine Studie in der Fachzeitschrift Brain Research, die die Wissenschaftler um den Haptik-Forscher Martin Grunwald 2014 veröffentlichten, konnte nachweisen, dass die Hirnströme von Probanden unmittelbar vor der unbewussten Gesichtsberührung sanken. Dies gebe Hinweise auf eine Überlastung jenes Teils des Kurzzeitgedächtnisses, der Informationen zum sofortigen Abruf bereithält, so die Wissenschaftler. Dieser Leistungsabfall führe wiederum zu einer erhöhten emotionalen Belastung, also Stress. Sobald die Probanden der Studie aber ihr Gesicht berührten, stiegen die Hirnströme wieder an und die Belastung ließ nach. Der Kontakt mit Nase oder Mund scheint also Stress regulieren zu können.

Wie kann ich verhindern, mir ständig ins Gesicht zu fassen?

Selbstdisziplin alleine reicht nicht, sagt Verhaltenstherapeut Egli. Wichtig sei, sich zunächst das unbewusste Verhalten bewusst zu machen.

„Ich muss mir erstmal des Verhaltens gewahr werden und es vom Unbewussten auf die bewusste Ebene holen. Und dann muss ich ein alternatives Verhalten einüben, das ich stattdessen machen will.“ Samy Egli, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München

Ein solches alternatives Verhalten könnte bereits das Sich-Beobachten und Sich-Bewusst machen selbst sein. Wenn einen zum Beispiel die Nase kitzelt – einfach das Kitzeln wahrnehmen, ohne aber dem Drang nachzugeben, sich ins Gesicht zu fassen.

Gibt es auch Trainingsmethoden?

Eine andere Möglichkeit ist es, mit dem verhaltenstherapeutischen Verfahren "Habit Reversal Training" ein Gegenverhalten einzuüben, um die Hände in den Griff zu bekommen:

„Ich kann zum Beispiel versuchen, eine Hand zur Faust zu Ballen oder Hände in die Hosentaschen zu stecken – ein Verhalten, das nicht kompatibel ist mit dem Verhalten, mir ins Gesicht zu fassen.“ Samy Egli, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München

Durch das Habit Reversal Training könne man sehr schnell, gute Resultate erreichen und ein Verhalten tatsächlich in Tagen oder, je nachdem wie viel man übt, auch Wochen ändern, sagt Verhaltenstherapeut Egli. Normalerweise wendet er diese Methode bei starken psychische Störungen seiner Patienten, aber auch bei zwanghaftem Nägel kauen oder Haare ausreißen an.

Gibt es Hilfsmittel, um das Gesichtberühren zu unterbinden?

Inzwischen gibt es auch mediale Unterstützung im Kampf gegen das Jucken und Streicheln im Gesicht. Verhaltenstherapeut Samy Egli empfiehlt, sich YouTube-Videos von Politikern anzusehen, die eben noch empfehlen, die Hände vom Gesicht zu lassen - und sich anschließend selbst die Augen reiben.

„Im nächsten Moment, wenn wir vielleicht in einer ähnlichen Situation sind, denken wir an dieses Video und können es dann auch unterlassen.“ Samy Egli, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München

Eine andere Option ist die Website donottouchyourface.com. Diese überwacht via Webcam, ob die Hände im Gesicht landen. Sobald die Finger in Nasen- oder Augennähe wandern, blinkt der Bildschirm rot und es ertönt ein "No".

Insgesamt so, Psychologe Egli, kommt man ums Üben nicht herum, wenn man sich nicht mehr ins Gesicht fassen will. Von heute auf morgen wird es allerdings eher nicht klappen.

Immer mehr Corona-Schutzmaßnahmen werden gelockert, doch die Ansteckungsgefahr bleibt. Auch, weil wir uns häufig ins Gesicht fassen. Doch es gibt Tipps gegen diese Angewohnheit.
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Die Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus bleibt. Auch, weil wir uns häufig ins Gesicht fassen. Doch es gibt Tipps gegen diese Angewohnheit.