Ein menschenleeres Großraumbüro voller leerer Schreibtische und Stühle.
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Besser so: Laut einer neuen Studie ist die Schließung von Arbeitsstätten im Kampf gegen Covid-19 besonders effektiv.

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Corona-Maßnahmen: Was wirkt und was nicht

Müssen wir wirklich zu Hause sein und der Arbeitsstätte fernbleiben, um der Ausbreitung des Coronavirus Einhalt zu gebieten? Eine neue wissenschaftliche Studie sagt: ja.

Dass der "Lockdown light" im November in Deutschland im Kampf gegen das Coronavirus nicht die erhofften Ergebnisse erzielt hat, können wir alle daran erkennen, dass wir uns seit dem 16. Dezember in der zweiten Runde eines härteren Lockdowns befinden. Schulen und Kitas sind dicht, Geschäfte bleiben geschlossen, in Bayern gelten Ausgangsbeschränkungen sowie nachts eine Ausgangssperre. Wo möglich, soll man im Home Office arbeiten. Treffen mit mehr als zwei Haushalten? Fehlanzeige.

Studiert man die aktuellen Zahlen des RKI, das am 30. Dezember weit mehr als tausend Corona-Todesfälle verkündete, wird schnell klar, dass diese zweite Runde der härteren Corona-Maßnahmen wahrscheinlich nicht am 10. Januar 2021 zu Ende sein wird. Bislang gelten all diese Maßnahmen nur bis zu diesem Datum, aber am 5. Januar kommen die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Gesundheitsminister Jens Spahn geht von einer Verlängerung aus.

Ist das wirklich notwendig? Diese Frage mag sich manch einer dieser Tage mehr als entnervt stellen. Nun liefert eine neue Studie eine wissenschaftliche Antwort darauf: Ja, ist es. Weil alles andere nicht genug bringt.

Elf Maßnahmen gegen Covid-19

Diese Studie ist im Fachmagazin "Plos ONE" erschienen und wurde von Wissenschaftlern um Anita M. McGahan von der University of Toronto veröffentlicht. Sie untersucht, wie wirksam verschiedene Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus sind und welchen Einfluss sie auf die Covid-19-Infektions- und Todeszahlen haben. Dafür betrachteten die Forscher Daten von vierzig Regionen, wozu viele einzelne US-Staaten zählen, aber auch Länder wie Mexiko, Schweden oder Südafrika. Auch Deutschland ist mit dabei.

Elf Maßnahmen nahmen die Forscher in ihr Modell auf. Dazu gehören unter anderem Schulschließungen, das Verbot öffentlicher Veranstaltungen, Informationskampagnen, Kontaktverfolgung, Reisebeschränkungen oder Ausgangssperren. Das ist jener Maßnahmenkatalog, mit dem Regierungen weltweit in der ein oder anderen Form versucht haben und versuchen, die Ausbreitung des Coronavirus in den Griff zu bekommen und die Infektionszahlen zu senken. Dazu gab es für jede Maßnahme auch noch einzelne Abstufungen. So gab es beispielsweise bei den Reisebeschränkungen die Einteilungen von "keinerlei Maßnahmen" über "Screenings bei der Einreise" und Quarantäneverordnungen bis hin zu Grenzschließungen.

Einige Maßnahmen fordern höhere soziale Kosten als andere

Darüber hinaus teilten die Forscher diese Maßnahmen bei der Analyse der Ergebnisse in zwei Kategorien auf – in jene, die weniger "soziale Kosten" verursachen, also ein bisschen weniger wehtun als jene, die große Einschränkungen nach sich ziehen. Zur ersten Kategorie zählen dabei Absage von Veranstaltungen mit mehr als hundert Personen, koordinierte Informationskampagnen, sowie Empfehlungen, zu Hause zu bleiben, nicht innerhalb des Landes zu reisen sowie teilweise internationale Reisebeschränkungen. Die zweite Kategorie hält einschneidendere Maßnahmen parat: Schulschließungen, Schließung von Arbeitsstätten, Ausgangsbeschränkungen.

All diese Maßnahmen mit ihren verschiedenen Ausprägungen steckten die Forscher in ein Modell, das auch die Covid-19 Infektions- und Todesfälle enthält. All diese Daten reichen bis Ende November 2020. So konnten sie mithilfe von statistischen Methoden herausfinden, wie gut welche Maßnahme wirkt.

Kern-Maßnahmen alleine reichen meistens im Kampf gegen Corona nicht aus

Wenig überraschend ist, dass es innerhalb der Regionen bei den ergriffenen Maßnahmen sowie bei den Infektions- und Todesfällen große Unterschiede gibt. Die zu ergreifenden Maßnahmen hängen einerseits vom Infektionsgeschehen ab, aber auch davon, wie gut sich die Bevölkerung an die bereits ergriffenen Maßnahmen hält. Denn das ist die zweite Einsicht: Die weniger einschneidenden Corona-Maßnahmen, die von den Forschern als "Kern-Maßnahmen" bezeichnet werden, reichen alleine nicht aus, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen – außer in Regionen, in denen sich die Bevölkerung außerordentlich gut an die Maßnahmen und Empfehlungen hält. Deshalb können diese "soften" Maßnahmen in der Analyse in neunzig Prozent der untersuchten Regionen das Infektionsgeschehen nicht ausreichend eindämmen. Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass Corona-Tests und die Kontaktverfolgung nicht so effektiv sind wie andere Maßnahmen.

Einschneidende Maßnahmen sind erforderlich: Schließung von Arbeitsstätten und Schulen

Es erfordert mindestens eine der härteren Maßnahmen, um die Ausbreitung effektiv einzudämmen. Von diesen hat jede für sich gesehen das Potenzial, den Zuwachs der Covid-19-Infektionen um mehr als zehn Prozent zu senken. Im Modell haben gezielte Schließungen von Arbeitsstätten die größte Auswirkung, gefolgt von allgemeinen Schließungen von Arbeitsstätten, Ausgangsbeschränkungen und gezielten Schulschließungen. Danach kommen allgemeine Schulschließungen und ein Versammlungsverbot von mehr als zehn Personen.

Der Kampf gegen Covid-19 ist "sozial" teuer, aber alles andere hilft nicht genug

So schreiben die Forscher, dass es relativ hohe "soziale Kosten" erfordert, die Steigerung der Covid-19-Infektionszahlen auf null zu senken. Für wen dieses Ergebnis – weniger wissenschaftlich ausgedrückt – nach unserem derzeitigen harten Lockdown riecht, hat Recht: Es sind leider genau diese einschneidenden Maßnahmen, die sich im Modell im Vergleich mit all den anderen Maßnahmen und in über vierzig Regionen weltweit am effektivsten erwiesen haben.

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