Reproduktionsbiologin Katharina Späth
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Einem Forschungsteam ist es gelungen, eine Eizelle zu erschaffen, die von zwei verschiedenen Frauen stammt.

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Künstliche Befruchtung: Wie Forscher die Grenzen verschieben

Einem Forschungsteam ist es gelungen, eine Eizelle zu erschaffen, die von verschiedenen Frauen stammt. Das Ziel: Frauen, die sonst nicht schwanger werden können, zu einem Baby zu verhelfen. Doch es gibt auch Kritik an der Methode.

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Die Reproduktionsbiologin Katharina Späth hat gerade ein Paket geöffnet. Darin ist Trockeneis, es dampft. Sie zieht sich blaue Handschuhe über. Geliefert wurde das Paket in ein Labor in Oxford, dort arbeitet die 36-Jährige als Forscherin. Ursprünglich stammt sie aus Neumarkt in der Oberpfalz. Sie holt ein blaues Kästchen aus dem Paket. Darin sind Röhrchen mit Urin-, Haar- und Nabelschnurproben von einem Baby, das im September 2023 in Griechenland geboren wurde. Das Baby Nummer Sieben.

Zwei Eizellen zusammengesetzt zu einer

Katharina Späth untersucht die DNA aus den Proben. Denn: Die sieben Babys sind im Rahmen einer Studie zur sogenannten Spindeltransfer-Methode entstanden. Beteiligt sind Forscher in Oxford, Athen und Barcelona. Man braucht für die Methode zwei Eizellen. Von einer jungen Spenderin nimmt man die fruchtbare Hülle, von der Wunsch-Mutter den DNA-Kern.

Darin sind alle Erbinformationen enthalten, die einen Menschen ausmachen – Aussehen etwa, Intelligenz und Charakter. Dieser Kern wird in die leere Eizelle der Spenderin eingesetzt. Es entsteht: Eine neue Eizelle, die von zwei verschiedenen Frauen stammt. Sie ist sehr fruchtbar, denn in der Eizell-Hülle sind die Mitochondrien, die "Kraftwerke der Zellen". Sie enthält aber trotzdem den DNA-Kern der Frau, die ein Kind bekommen möchte.

Forscherin: "Mehr als Blümchen-Biologie"

Manche nennen die Kinder, die daraus entstehen "Drei-Eltern-Babys"; Katharina Späth findet das nicht ganz korrekt, weil der Part der Spenderin bei unter einem Prozent liegt. Außerdem sei die DNA des Zellkerns, also die genetische Erbinformation, nur von zwei Elternteilen. Katharina Späth erzählt, sie hatte gerade angefangen mit ihrer Doktorarbeit, als sie 2015 von der Idee eines spanischen Embryologen erfuhr, den sogenannten Spindeltransfer an Frauen zu testen, die anders nicht schwanger werden konnten. Sie sei sofort begeistert gewesen. Sie sei ja schließlich von Bayern nach Großbritannien gezogen, weil sie mehr wollte als "Blümchen-Biologie". Weil sie Forschung am ungeborenen Leben machen wollte, an Embryonen, ohne die strengen deutschen Regeln.

Deutsche Gesetze sind strenger

In Deutschland hat bisher noch keine künstliche Befruchtung mit der Spindeltransfer-Methode stattgefunden. Generell ist es hierzulande verboten, Kinderwunsch-Patientinnen die Eizelle einer fremden Frau einzusetzen. Zurzeit diskutiert in Berlin die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin darüber, ob Eizellspenden in Deutschland künftig erlaubt werden. Das war der Wunsch der FDP im Koalitionsvertrag. Ergebnisse wird es voraussichtlich im kommenden März geben, bis dahin laufen die Beratungen vertraulich, schreibt das Bundesgesundheitsministerium dem Bayerischen Rundfunk.

Deutsche Reproduktionsmediziner wie Professor Christian Thaler vom Klinikum der Universität München (LMU Klinikum) halten die Methode für spannend. Er sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Das ist eine biologisch plausible und interessante Option." An der Studie zur Spindeltransfer-Methode haben nur 25 Frauen teilgenommen. Die sieben Kinder, die bisher zur Welt gekommen sind, leben in Griechenland. Forscherin Katharina Späth sagt: "Für mich ist das Wichtigste, an einem Projekt zu arbeiten, bei dem andere davon profitieren können."

Grenzen überwinden in der Reproduktionsmedizin

Die Reproduktionsmedizin hat in den vergangenen Jahrzehnten immense Fortschritte gemacht. Nur – zu welchem Preis werden hier Kinderwünsche erfüllt? Die Embryologin Helena Angermaier hat fast 40 Jahre in der Reproduktionsmedizin gearbeitet. Sie hat drei Labore für In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Deutschland aufgebaut und mehrere im Ausland. "Ich habe 13.000 bis 14.000 Kinder gezeugt", sagt sie. Vergangenes Jahr ist Helena Angermaier in den Ruhestand gegangen – und blickt mit gemischten Gefühlen zurück. Natürlich sei es schön gewesen, Paaren einen existenziellen Wunsch erfüllen zu können. Doch mit der Zeit seien die Zweifel größer geworden. Greife ich zu stark ein in den natürlichen Lauf der Dinge? "Manchmal habe ich eine Stunde gesucht, um ein einziges Spermium aufzutun. Ich habe in Gedanken zur Eizelle gesagt: 'Entschuldige, dass ich dir dieses Schrottteil geben muss.'"

Embryologin: "Ich habe mich gefühlt wie Gott"

Der Mensch, sagt sie, mache alles, was möglich ist. "Er überwindet jede Grenze, die geht. Und es war ein irrer wissenschaftlicher Reiz. Man kommt sich doch schon ein bisschen vor wie Gott." Heute fragt sie sich: Bin ich zu weit gegangen? Sie erzählt, ihr sei jedes Mal schlecht geworden, wenn eine Präimplantationsdiagnostik (PID) anstand: Dabei werden Embryonen nach der künstlichen Befruchtung untersucht. Man reiße dabei "mit roher Gewalt mehrere Zellen weg". In Deutschland ist die Untersuchung nur dann erlaubt, wenn eine Ethikkommission zustimmt. Ist der Test fertig, werden nur die Embryonen der Patientin eingesetzt, die gesund sind.

Die junge Forscherin Katharina Späth dagegen findet: Solche Untersuchungen sollte es viel öfter geben. Mit ihrer neuen Methode, dem Spindeltransfer, geht auch sie über eine Grenze. In Tierstudien kamen Forscher zu dem Schluss: Bei Menschen könnte es gewisse Risiken geben.

Der Zoologe Professor Klaus Reinhardt von der Technischen Universität Dresden hat 116 Studien zum künstlichen Austausch der Mitochondrien bei Tieren ausgewertet, von der Fruchtfliege über die Hausmaus bis zum Rhesusaffen. Er stellte fest, dass manche Tiere, nachdem die Technik an ihnen angewandt worden ist, kürzer leben. Dass sie sich langsamer entwickeln, weniger fruchtbar sind. Reinhardt glaubt, dass der "Maternal Spindle Transfer" bei einem von 130 auf diese Weise gezeugten Menschen später im Leben gesundheitliche Probleme auslösen könnte. Katharina Späth sagt dazu: Natürlich wisse man über die Methode und ihre Folgen für den Menschen noch nicht viel: "Jeder Fortschritt fängt klein an. Aber wenn man nicht anfängt, wenn man es nicht ausprobiert, kann es auch keinen Fortschritt geben."

Die Kinder aus der Studie werden regelmäßig untersucht. Ihre neurologische Entwicklung, ihre Körperhaltung, ihre Reflexe. "Bisher", sagt Katharina Späth, "war alles unauffällig". Über mögliche Langzeitfolgen weiß niemand etwas.

Die Recherche ist eine Kooperation von BR und der Wochenzeitung DIE ZEIT. Dort erscheint am 30.11.2023 ein Dossier mit dem Titel "Alles für ein Baby!" von ZEIT-Redakteurin Nadine Ahr und BR-Reporterin Christiane Hawranek. Die dreiteilige Podcast-Serie "Wieder nicht schwanger" ist abrufbar in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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