Positives Testergebnis einer Affenpocken-Infektion
Bildrechte: pa/CHROMORANGE/Christian Ohde

Positives Testergebnis einer Affenpocken-Infektion (Symbolfoto)

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Besteht erhöhte Affenpocken-Gefahr auf dem Oktoberfest?

Die WHO hat den Affenpocken-Ausbruch in zahlreichen Ländern als "Notlage von internationaler Tragweite" eingestuft. Doch ist insbesondere bei Menschenansammlungen wirklich jeder gefährdet? Hier die Einschätzung zweier Münchner Wissenschaftler.

Neben der Corona-Pandemie jetzt der Ausbruch der Affenpocken. Doch die Affenpocken sind anders, sagen Experten und warnen vor Panik, wie der Mediziner Johannes Bogner, Leiter der Sektion Klinische Infektiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Trotzdem haben viele Menschen Bedenken, insbesondere, weil die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch der Affenpocken in zahlreichen Ländern jetzt als "Notlage von internationaler Tragweite" eingestuft hat.

Kein Anlass zur Beunruhigung

Die Sorge vor einer neuen Pandemie beunruhigt viele Menschen. Doch dafür besteht kein Anlass: Es gibt Impfstoffe, Therapeutika und eine gut aufgestellte Forschung. Wie groß die Gefahr einer Infektion wirklich ist und wer sich wie schützen sollte, dazu äußerten sich der Infektiologe Johannes Bogner und der Virologe Gerd Sutter, Veterinärmediziner und Leiter des Lehrstuhls für Virologie am Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen der LMU.

Wie werden Affenpocken übertragen - ist jeder gefährdet?

"Rein theoretisch kann sich jeder mit dem Affenpockenvirus infizieren", sagt Virologe Gerd Sutter. "Voraussetzung dafür ist aber, dass das Virus an die richtige 'Eintrittspforte' im Körper gelangt." Dies sei in aller Regel nur bei direktem Körperkontakt, beispielsweise über die Schleimhäute möglich oder über eine offene Läsion, also eine Wunde am Körper, beziehungsweise über aufgeplatzte Pusteln oder Bläschen, die mit der Erkrankung einhergehen.

Der Experte für Orthopockenviren, zu denen das Affenpockenvirus gehört, schätzt daher das Risiko einer Infektion für die Allgemeinbevölkerung nach derzeitigem Kenntnisstand weiterhin als gering ein.

Ähnlich sieht dies auch der Mediziner Johannes Bogner. In einer deutschlandweit durchgeführten Studie mit 600 Patienten kam heraus, dass sich hauptsächlich Männer, die Sex mit Männern haben, mit dem Affenpockenvirus infiziert hätten, so der Klinische Infektiologe.

Auch laut Robert Koch-Institut (RKI) ist eine Übertragung des Affenpockenvirus von Mensch zu Mensch nur bei engem Kontakt möglich. Das RKI geht aber davon aus, dass das Virus auch durch Tröpfchen "bereits beim Auftreten unspezifischer Symptome - wie zum Beispiel Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen - und noch vor Entwicklung der Hautläsionen" durch "ausgeschiedene Atemwegssekrete" möglich ist. Dafür notwendig sei allerdings ein sehr enger, sogenannter Face-to-Face-Kontakt, wie es auf der Internetseite des RKI heißt. Des Weiteren könne eine Übertragung durch kontaminierte Gegenstände wie zum Beispiel mit Viren belastete Bettwäsche oder Handtücher erfolgen, so das Institut.

Ist das Oktoberfest eine Gefahr?

Die Wissenschaftler Johannes Bogner und Gerd Sutter halten es in der aktuellen Situation eher für unwahrscheinlich, dass man sich bei Menschenansammlungen wie dem Oktoberfest etwa beim Tanzen mit dem Affenpockenvirus infiziert. Eine Infektion durch das "Angespuckt werden" eines mit dem Affenpockenvirus-Infizierten sei zwar denkbar, so Experte Sutter, "setzt aber voraus, dass der mit dem Affenpockenvirus-Infizierte so stark infiziert ist, dass er wohl eher nicht mehr auf die Tanzfläche geht."

Das Affenpockenvirus funktioniert anders als Coronaviren. "Es überträgt sich nicht so leicht. So überträgt sich das Affenpockenvirus nach derzeitigem Kenntnisstand zum Beispiel nicht über Aerosole", erklärt der Pockenexperte Sutter.

Affenpocken-Ausbruch als Notlage einzustufen - ist das richtig?

Dass die WHO den Affenpockenausbruch in zahlreichen Ländern als "Notlage" eingestuft hat, hält der Infektiologe Bogner für richtig. "Die notwendigen Quarantäneregeln lassen sich dadurch besser durchsetzen." Die Einstufung helfe, die Ausbreitung der Affenpocken einzugrenzen, meint der Mediziner.

Gerd Sutter sieht die Maßnahme der WHO hingegen kritisch. Damit werde die Aussagekraft der höchsten Alarmstufe, die die WHO zur Verfügung hat, entkräftet. "Ich habe die Befürchtung, dass sie dann beim nächsten Mal nicht mehr ernst genommen wird", so Sutter.

Was ist das Worst-Case-Szenario bei dem Affenpocken-Ausbruch?

Die meisten Menschen, die sich derzeit mit dem Affenpockenvirus infizieren, haben einen eher leichten Krankheitsverlauf. Trotzdem sind Wissenschaftler alarmiert. Ihre Sorge ist, dass sich ein neuer Erreger in der Welt "dauerhaft festsetzt", wie der Münchner Veterinärmediziner Sutter sagt. "Die Gefahr ist, wenn ich Viren eine Chance gebe, sich an das 'Wirtssystem Mensch' anzupassen", erläutert er. Diese Viren hätten das Potenzial zu Mutationen und damit zu neuen Virusvarianten. Zwar mutiere das Affenpockenvirus bei Weitem nicht so schnell wie SARS-CoV-2, "doch über viele Jahre könnte sich das Virus so an den Menschen anpassen, dass andere Krankheitsbilder mit anderen, eventuell schwereren Verläufen entstehen", warnt der Tiermediziner.

Wie schütze ich mich vor einer Affenpocken-Infektion?

Virologe Gerd Sutter rät Risikogruppen, insbesondere Männern mit häufig wechselnden Sexualpartnern und bestimmten Personen im Gesundheitswesen, zur Impfung. Und Internist Johannes Bogner empfiehlt: "Ich kann nur sagen: Augen auf bei der Partnerwahl".

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI empfiehlt drei Personengruppen, sich gegen das Affenpockenvirus impfen zu lassen:

  • Menschen, die engen Kontakt zu einer an Affenpocken erkrankten Person hatten
  • Menschen, die im Gesundheitswesen oder in Laboren arbeiten und dabei mit dem Virus in Kontakt kamen – entweder durch Patienten oder durch mit dem Virus kontaminierten Material
  • Außerdem: Alle Männer über 18 Jahre, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln

Wo und wie kann man sich in Bayern impfen lassen?

In Bayern bieten sowohl auf HIV spezialisierte Arztpraxen als auch Klinikambulanzen Impfungen gegen das Affenpocken-Virus an. Kliniken in Bayern, die Impfungen gegen das Affenpockenvirus durchführen, sind: das Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, die Universitätskliniken Augsburg, Erlangen, Regensburg und Würzburg sowie das Klinikum Nürnberg.

Wer bisher noch keine Pockenimpfung erhalten hat und mindestens 18 Jahre alt ist, erhält zur Grundimmunisierung zwei Impfstoffdosen. Für diejenigen, die schon einmal gegen (Menschen-)Pocken geimpft wurden, reicht eine Impfdosis. Der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung soll laut RKI mindestens 28 Tage betragen.

Auch immungeschwächte Personen der Risikogruppen sollen geimpft werden. Selbst wenn sie früher schon einmal gegen Pocken geimpft wurden, sollten sie nach der Empfehlung des RKI zwei Impfstoffdosen zur Grundimmunisierung erhalten. Das derzeit einzige in Deutschland gegen das Affenpocken-Virus verimpfte Vakzin ist Imvanex des dänisch-deutschen Unternehmens Bavarian Nordic.

Wie ist die Impfstoffsituation in Bayern?

Bayern hat laut Bayerischem Gesundheitsministerium (StMGP) in einer ersten Tranche rund 4.400 Impfdosen vom Bund erhalten. Laut einem Ministeriumsprecher sei derzeit für Bayern kein Engpass an Impfstoffdosen erkennbar. Deutschland erwartet nach Auskunft des Zentrums für Pandemie-Impfstoffe und -Therapeutika rund 200.000 Impfstoffdosen gegen Affenpocken im Verlauf des Jahres 2022. Über weitere Lieferungen lägen laut StMGP noch keine Informationen vor.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!