Elektronenmikroskopische Aufnahme von Affenpocken-Viren
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Elektronenmikroskopische Aufnahme von Affenpocken-Viren

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Impfung gegen Affenpocken: Das müssen Sie wissen

Für einige Personengruppen empfiehlt die Ständige Impfkommission inzwischen eine Impfung gegen Affenpocken. Welcher Impfstoff soll zum Einsatz kommen? Wer soll geimpft werden? Und hilft meine alte Pocken-Impfung nicht auch? Die wichtigsten Antworten.

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Wissenschaft und Politik betonen, dass die Affenpocken-Fälle in Europa keine Vorboten einer neuen Pandemie sind. Trotzdem kann der Erreger gefährlich sein und man wolle vorbereitet sein, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Eine mögliche Maßnahme: Impfen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Hilft meine alte Pocken-Impfung gegen Affenpocken?

Ja. Eine Pocken-Impfung schützt auch gegen das nah verwandte Affenpocken-Virus, Stichwort Kreuzimmunität. Unsicher ist viel mehr, wie ausgeprägt der Schutz durch die Pocken-Impfungen, die in Deutschland in aller Regel Jahrzehnte zurückliegen, noch ist. In der Bundesrepublik wurde die Pflicht für eine Erstimpfung gegen die Pocken 1976 aufgehoben, in der DDR 1980. Die Krankheit gilt als ausgerottet, jüngere Menschen wurden in aller Regel nicht mehr geimpft.

Doch auch für ältere, vor Jahrzehnten Geimpfte, ist unklar, wie sehr der Immunschutz durch die Impfung noch greift. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dazu: "Wie ausgeprägt die Immunität genau ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist es eine komplette Immunität, man weiß es aber noch nicht so genau."

Viele Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Immunschutz vielleicht nicht mehr so gut ist wie kurz nach der Impfung – zumindest die Wahrscheinlichkeit schwerer Verläufe aber geringer ist als bei Nicht-Geimpften. "Einen Teilschutz kann man hier sicher erwarten. Wir wissen aus Einzelbeobachtungen, dass selbst Jahrzehnte nach diesem Massenimpfungsprogramm der WHO gegen Menschenpocken noch eine Gedächtnisimmunantwort vorhanden ist", sagt zum Beispiel der LMU-Virologe und Impfstoff-Forscher Gerd Sutter.

Ein Report, der im Jahr 2020 in der Zeitschrift "Vaccine" erschienen ist, beschreibt die Affenpocken als eine "wieder erstarkende Krankheit" nachdem der Immunschutz durch die Pocken-Impfung in den vergangenen Jahrzehnten durchgehend abgenommen hat. Die Autoren schätzten für 2020, dass über 70 Prozent der Erdbevölkerung nicht mehr gegen Pocken - und durch die Kreuzimmunität auch nicht gegen die Affenpocken - geschützt sind.

Gibt es schon einen Affenpocken-Impfstoff?

In Deutschland ist derzeit kein Impfstoff speziell für die Impfung gegen die Affenpocken zugelassen. Allerdings besitzt der Pocken-Impfstoff Imvanex des dänisch-deutschen Unternehmens Bavarian Nordic seit 2013 eine Zulassung in Deutschland. Der Pharmakonzern hat auch einen Sitz mit rund 125 Mitarbeitern in Martinsried bei München. Der Impfstoff ist gegen Affenpocken wirksam und zum Beispiel in den USA für die Impfung gegen die Krankheit zugelassen. Nach Aussage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könnte Imvanex in Deutschland "unmittelbar" für eine Impfung gegen die Affenpocken eingesetzt werden.

Dass es den modernen Impfstoff überhaupt gibt, liegt übrigens an den USA - die hatten die Entwicklung ursprünglich beauftragt. Denn nach den Terroranschlägen vom 11. September befürchtete die damalige Bush-Regierung Angriffe mit biochemischen Waffen – unter anderem mit Pockenviren. Die Idee war damals, die komplette US-Bevölkerung dagegen zu impfen.

Lagert Deutschland Pocken-Impfstoffe?

Ja. Die Bundesregierung hat laut einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages etwa 100 Millionen Dosen Pocken-Impfstoff eingelagert - aus Sicherheitsgründen, sagte Gesundheitsminister Lauterbach. Denn theoretisch könne es zum einen wieder einen natürlichen Ausbruch der Pocken geben und zum anderen ist es in umstrittenen Laborversuchen auch gelungen, Pockenviren herzustellen - Stichwort biochemische Waffe.

Für eine Impfung gegen die Affenpocken ist dieser gelagerte Impfstoff aber nicht geeignet, sagte Lauterbach. Der Grund: Der Impfstoff dürfte mit Nebenwirkungen einhergehen, die für eine Behandlung gegen Affenpocken zu schwerwiegend wären. Auch der Regensburger Virologe Ralf Wagner bezeichnete eine Verimpfung der 100 Millionen Dosen im BR-Interview als "absoluten Overkill". Die Nutzen-Risiko-Rechnung gehe nicht auf.

Um vorzusorgen, kauft die Bundesregierung deshalb bis zu 40.000 Dosen des Impfstoffs Imvanex. "Dieser Impfstoff kann genutzt werden, um eine Ansteckung zu verhindern, aber auch, um bei den bereits Angesteckten den Ausbruch der Erkrankung verhindern", sagte Gesundheitsminister Lauterbach. Der Impfstoff sei auch hierzulande für eine Impfung gegen die Affenpocken geprüft worden, die Unterlagen lägen vor. "Ich rechne damit, dass wir eine Reserve in Kürze geliefert bekommen", sagte Lauterbach.

Müssen wir uns alle gegen die Affenpocken impfen lassen?

Davon ist aktuell keinesfalls auszugehen. Die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission richtet sich an bestimmte Risikogruppen. Dazu zählt die STIKO etwa Kontaktpersonen, die engen körperlichen Kontakt mit Infizierten hatten, oder medizinisches Personal ohne ausreichende persönliche Schutzausrüstung. Außerdem sollen sich der Empfehlung zufolge homosexuelle Männer mit wechselnden Sexualpartnern impfen lassen.

Dass auch bei einem bereits Infizierten eine Impfung noch Sinn machen kann, liege an der langen Inkubationszeit bei Pocken und auch Affenpocken, erläutert Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Denn nach der Impfung entstünden schnell schützende Immunmechanismen. "Diese können tatsächlich wirken, bevor die Krankheit richtig ausbricht." Voraussetzung sei eine Impfung wenige Tage nach der möglichen Infektion.

Großflächig wird in Deutschland aktuell nicht gegen die Affenpocken geimpft. Von einem Impfangebot für alle, einer Impfempfehlung für alle oder gar einer Impfpflicht sprechen auch in Deutschland weder Wissenschaft noch Politik.

Hilft die Windpocken-Impfung gegen Affenpocken?

Nein. Windpocken teilen sich zwar den Namen mit den Pocken bzw. den Affenpocken, vermutlich, weil die Symptome auf der Haut ähnlich aussehen. Die eigentlichen Erreger sind aber ganz andere, die Windpocken gehören zu den Herpesviren und nicht zu den klassischen Pockenviren, zu denen die Affenpocken gehören.

"Beide sind so verschieden, dass es zu keiner schützenden Immunität durch Impfung gegen das jeweils andere Virus kommen kann. Die Antikörper gegen das eine wirken nicht gegen das andere", erläutert Sebastian Ulbert.

Verträgt sich die Affenpocken-Impfung mit der Corona-Impfung?

"Beide Impfungen würden sich in ihrer jeweiligen Wirksamkeit nicht behindern", sagt Ulbert. Denn es handelt sich jeweils um ganz unterschiedliche Präparate. Der Impfstoff Imvanex besteht aus einem abgeschwächten Virus (siehe nächste Frage), die derzeit "eingesetzten Corona-Impfstoffe sind RNA-, Vektor- oder Protein-Impfstoffe, die jeweils nur einen bestimmten Baustein von SARS-CoV2 verabreichen".

Eine andere Frage sei, ob man die Impfstoffe zeitgleich verabreichen könne - dafür seien gründliche Untersuchungen nötig. "In der jetzigen Situation ist das aber eine nachrangige Frage, es geht ja - wenn überhaupt - nur um die vorsorgliche Impfung von sehr wenigen", sagt der Experte.

Welche Art von Impfstoff ist Imvanex?

Der Impfstoff Imvanex enthält eine lebende und abgeänderte Form des Vacciniavirus. "Es handelt sich um ein klassisches Impfvirus, das wirksame humorale Immunantworten – also Antikörper – und zugleich zelluläre Antworten – also T-Zellen – anregt", erklärt Virologe Gerd Sutter. Das Virus löst auch laut EMA beim Menschen keine Erkrankung aus und kann sich auch nicht vermehren. Der Körper bildet aber trotzdem Antikörper und da das Virus sehr ähnlich zu Pocken- und Affenpockenviren ist, schützen die gebildeten Antikörper eben auch gegen diese Viren.

Der Impfstoff wurde 2013 unter "außergewöhnlichen Umständen" zugelassen. Hintergrund ist, dass es ganz im Gegensatz zum Beispiel zur Corona-Impfung wegen der "Seltenheit der Krankheit nicht möglich war, vollständige Informationen über Imvanex zu erlangen". Da die Pocken ausgerottet sind und Menschen aus ethischen Gründen nach einer Impfung nicht mit dem Pockenvirus infiziert werden, kann man die allerletzte Gewissheit über die Wirksamkeit in Studien nicht herausfinden. Wie viele Antikörper und Abwehrzellen produziert und welche Nebenwirkungen durch die Impfung hervorgerufen werden hingegen schon.

Die EMA prüft jährlich alle neuen Informationen zum Impfstoff. Insgesamt geht die Behörde davon aus, dass Nebenwirkungen unwahrscheinlicher sind als bei anderen Pocken-Impfstoffen, weil sich das mit dem Impfstoff injizierte Vacciniavirus in menschlichen Zellen wie bereits beschrieben nicht replizieren kann.

Haben wir es bei den Affenpocken mit einer neuen Epidemie oder gar Pandemie zu tun?

Davon ist nicht auszugehen, schon allein, weil sich Affenpocken sehr viel schwerer von Mensch zu Mensch übertragen als beispielsweise Coronaviren. "Übertragungen der Affenpocken sind daher im Vergleich zu Infektionen mit Covid-19- oder Influenza-Viren relativ ineffizient und führen – bei adäquaten Maßnahmen zur Diagnose und Kontaktermittlung – zumeist nur kurzen Infektketten", sagt der Virologe Gerd Sutter. Er schätzt deshalb die Gefahr einer größeren Epidemie in Deutschland oder Europa als gering ein.

Richtig ist allerdings trotzdem, dass Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die auf natürlichem Wege vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, häufiger werden. Das liegt unter anderem daran, dass Menschen immer weiter in Gebiete vordringen, in denen sie vorher nicht waren. Auch der Klimawandel und die Zahl globaler Reisen spielen eine Rolle.

  • Zum Possoch klärt! "Affenpocken: Internationale Notlage – eine neue Pandemie?"

Weitere Informationen zum Thema und zur Frage, wie gut wir für die nächste Pandemie gerüstet sind, können Sie auch im BR-Podcast "Mensch versus Virus" hören.

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