Rupert Stadler vor Gericht
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Im Diesel-Abgasskandal sind Ex-Audi-Chef Stadler und zwei weitere Angeklagte zu Bewährungsstrafen und hohen Geldzahlungen verurteilt worden.

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Stadler-Prozess: Der Tag des Urteils und ein Test für die Justiz

Im Diesel-Abgasskandal sind Ex-Audi-Chef Stadler und zwei weitere Angeklagte zu Bewährungsstrafen und hohen Geldzahlungen verurteilt worden. Die Staatsanwalt prüft in einem Fall, ob sie in Revision gehen will. Urteile und Reaktionen in der Rückschau.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Es sind die ersten strafrechtlichen Urteile in Deutschland im 2015 aufgedeckten Diesel-Skandal, der die ganze Automobilbranche erschüttert und Milliardenschäden verursacht hat: Als der Richter Stefan Weickert gegen 9.20 Uhr den großen, unterirdischen Verhandlungssaal in der JVA Stadelheim betritt, wartet er nicht lange mit der Urteilsverkündung. Die Anwesenden, die sich gerade von ihren Stühlen erhoben haben, fordert er auf, gleich stehenzubleiben.

Bewährungsstrafen und hohe Geldzahlungen

Dann verliest er die Urteile: Ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung für den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler und Giovanni P., den mitangeklagten Ex-Motorenentwickler von Audi. Wolfgang Hatz, der frühere Motoren-Chef des Konzerns, verurteilt die Wirtschaftsstrafkammer zu zwei Jahren auf Bewährung. Hinzu kommen hohe Geldzahlungen: Stadler soll 1,1 Millionen Euro zahlen, Hatz 400.000 Euro, P. 50.000 Euro.

Das Geld geht in mehreren Tranchen an die Landesjustizkasse sowie an karitative Einrichtungen und Umweltschutzverbände, darunter der Bayerische Naturschutzfonds, der Malteser Hilfsdienst und die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft. Eine äußerliche Regung war sowohl bei Hatz als auch bei Stadler und P. während der Verkündung nicht zu erkennen.

Urteil ist keine Überraschung

Bei VW und seinen Tochterunternehmen waren mit Hilfe einer Betrugssoftware Abgaswerte bei Millionen Dieselfahrzeugen manipuliert worden. Der Skandal war im Herbst 2015 aufgeflogen.

Rupert Stadler, dem früheren Chef der VW-Tochter Audi war zwar nicht vorgeworfen worden, an den Manipulationen beteiligt gewesen zu sein. Er habe jedoch spätestens seit Juli 2016 von den mit Abschalteinrichtungen manipulierten Dieselfahrzeugen gewusst und nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um deren Verkauf zu stoppen, sagte Richter Stefan Weickert bei der Urteilsverkündung.

Mit Stadler angeklagt war der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz. Er gestand in dem Verfahren, mit zwei Ingenieuren die Installation der manipulativen Steuerungssoftware veranlasst zu haben. Eine Überraschung ist das Urteil nicht, nachdem Hatz, Stadler und P. schon vor Wochen ein vollumfängliches Geständnis abgelegt hatten.

Staatsanwaltschaft prüft Revision im Fall Hatz

Offen ist noch, ob die Staatsanwaltschaft zumindest gegen das Hatz-Urteil Rechtsmittel einlegt. Während sich die Behörde mit der Bewährungsstrafe für Stadler und P. zufrieden zeigte, fordert sie für Hatz nach wie vor eine Gefängnisstrafe.

"Wir werden uns die Urteilsbegründung anhören und dann innerhalb der einwöchigen Frist entscheiden, ob wir gegen das Urteil vorgehen werden. Wenn wir in Revision gehen würden, müssten wir uns überlegen, ob wir die Strafzumessung angreifen. Also: Halten wir das Urteil für vertretbar? - das wird unsere Überlegung sein." Andrea Grape, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II

Mehr als zwei Milliarden Euro Schaden

Das Gericht sieht bei den drei Angeklagten den Tatbestand des Betrugs als erfüllt – allerdings in unterschiedlicher Schwere: Stadler ist laut Urteil des Landgerichts München für den Verkauf von 17 177 manipulierten Dieselautos und einen Schaden von 41 Millionen Euro verantwortlich. Den beiden mitangeklagten Motorentwicklern legte die Kammer 94.000 Fälle mit einem Schaden von 2,3 Milliarden Euro zur Last.

Trotz einer bei Stadler seit Mitte Juli 2016 vorhandenen "gefestigten Überzeugung", dass bestimmte EU6-Diesel-Modelle von Audi mit einer möglicherweise unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sein könnten, habe Stadler den Verkauf dieser Fahrzeuge nicht gestoppt. Insofern habe Stadler auch vorsätzlich gehandelt.

Weniger Schadstoffe auf Prüfstand dank Software

Bei den Mitangeklagten Hatz und P. setzte die Kammer noch früher an. Beide seien schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge, die für den US-amerikanischen und den europäischen Markt gedacht waren, eingebunden gewesen und hätten frühzeitig von den bestehenden Zielkonflikten gewusst. So stand Audi bei der Entwicklung der Fahrzeuge vor dem Problem, in den USA und Europa geltende NOx-Grenzwerte einhalten zu müssen. Gleichzeitig wollte der Konzern verhindern, dass die Diesel-Fahrzeuge mit größeren AdBlue-Tanks ausgestattet werden. Audi half mit einer Software nach, die dafür sorgte, dass die Fahrzeuge wenigstens auf dem Prüfstand weniger Schadstoffe ausstießen als im Normalbetrieb und so die Grenzwerte bei Prüfmessungen einhielt.

Tobias Brunner
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BR-Reporter Tobias Brunner

Laurent Lafleur, Pressesprecher des Oberlandesgerichts München, sprach nach der heutigen Urteilsverkündung von einem "außergewöhnlichen Verfahren, das auch die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Justiz ausgetestet hat". Nach über 170 Verhandlungstagen und über 190 gehörten Zeugen habe die Justiz diesen Test aber bestanden.

"Abwiegeln und kleinreden"

Stadler und Ex-Motorenchef Hatz hätten lange taktiert und sich damit ähnlich verhalten wie ihre früheren Arbeitgeber Audi und Volkswagen, so die Einschätzung von BR-Reporter Arne Meyer-Fünffinger. Er hat den Prozess lange und intensiv verfolgt, viel darüber berichtet. Seine Erkenntnis zu den nun Verurteilten: "Abwiegeln, kleinreden und Fehler erst dann eingestehen, wenn es gar nicht mehr anders geht oder wenn es bedrohlich wird. Über zwei Jahre lang, an Dutzenden Prozesstagen, haben beide wiederholt ihre Unschuld betont. Für den Skandal waren andere verantwortlich, untere Ebenen. Aber nicht sie."

Die Folgen der nicht rechtskräftigen Urteile dürften mit Blick auf die noch längst nicht abgeschlossene strafrechtliche Aufarbeitung des Diesel-Skandals nicht unerheblich sein – zum Beispiel mit Blick auf einen möglichen Prozess gegen vier weitere angeklagte Audi-Manager. Wann dieser stattfinden soll, ist unklar.

BR24live zum Urteil gegen Stadler

Rupert Stadler (M), ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Automobilherstellers Audi, wartet im Landgericht auf das Urteil.
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Schuldig des Betrugs: Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler erhielt eine Bewährungsstrafe und muss eine hohe Geldsumme bezahlen.

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