Eine Ölraffinerie in der Dämmerung.
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Öl ist noch immer einer der wichtigsten Rohstoffe für die westlichen Industriestaaten. Es wurde schon als Waffe im Nahostkonflikt eingesetzt.

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Nahost-Konflikt: Ölpreise steigen - droht Szenario wie 1973?

Der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und der Terrorgruppe Hamas lässt den Ölpreis steigen. Saudi-Arabien oder Iran könnten zudem - wie in den 70er-Jahren - ihre Ölförderung als politisches Druckmittel nutzen. Droht so eine Situation erneut?

Im Herbst 1973 drosseln arabische Ölstaaten die Förderung und verhängen ein Embargo. Die sogenannte "Ölpreis-Waffe" richteten die ölfördernden Länder damals im Zuge des Krieges arabischer Staaten gegen Israel auf seine Unterstützer wie die USA und europäische Staaten. Ölstaaten im Mittleren Osten senkten die Fördermengen, was zu Preisanstiegen führte. Diese wiederum schadeten der Wirtschaft des Westens. Aber es gibt wichtige Unterschiede zur Situation von damals.

Israel und der Westen sind mögliche Ziele von Öl-Sanktionen der OPEC-Staaten

Vor fast genau 50 Jahren gab es zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur einen Überraschungsangriff von Ägypten und Syrien gegen Israel. Auch daran wollte die palästinensische Terrororganisation Hamas anknüpfen, als sie jetzt vom Gaza-Streifen aus ihre Angriffe startete. In der Folge dieses Krieges, der vom 6. bis 25. Oktober 1973 dauerte, drehten arabische Länder dem Westen den Ölhahn zu.

Der Preis für den Rohstoff vervierfachte sich innerhalb kurzer Zeit. Öl war damals die mit Abstand wichtigste Energiequelle neben der Kohle und zentraler Rohstoff für die Chemische Industrie. Die Atomkraft befand sich gerade erst im Aufbau und die Gasimporte über die großen Pipelines aus Russland durch Osteuropa hatten auch noch nicht ihre spätere große Bedeutung.

Explodierende Ölpreise belasten Wirtschaft

Es kam zur ersten großen Ölkrise mit schlimmen Folgen in vielen Industrieländern wie Inflation durch den Anstieg der Energiepreise und zu einem wirtschaftlichen Absturz mit einer Rezession. Damals war die Abhängigkeit vom Erdöl als Energielieferant aber viel höher als heute und es gab weniger Förderländer und Alternativen zu den arabischen Golfstaaten.

Dennoch könnte das Förderkartell der OPEC-Länder zusammen mit Russland auch heute noch Probleme bereiten. So hat das OPEC-Plus-Bündnis, zu dem auch Russland zählt, seine Fördermengen bereits erfolgreich begrenzt und damit den Ölpreis hoch gehalten mit Notierungen zwischen 80 und 90 Dollar pro Barrel.

Auf der anderen Seite muss Russland möglichst viele Rohstoffe, allen voran Rohöl und Ölprodukte wie Dieselkraftstoff verkaufen, um den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Und Saudi-Arabien braucht möglichst viele Ölexporte, um den ausufernden Staatshaushalt ausgleichen zu können. Beide wollen also auch Öl verkaufen und versuchen lediglich einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen.

Abhängigkeit von arabischem Öl ist gesunken

Es gab also immer schon gute Gründe dafür, dass die westlichen Staaten versuchten, ihre Abhängigkeit von einigen wenigen Öl-Lieferländern zu verringern. Das gelang wenigstens zum Teil bereits in der nächsten großen internationalen Ölpreiskrise etwa fünf Jahre später, Ende der 70er.

Deren Auswirkungen waren schon nicht mehr so gravierend. Ausfälle der knappen Ressource wurden bereits abgefedert durch vermehrte Gasimporte, den Betrieb von Atomkraftwerken (vor allem in Frankreich) oder mit Lieferungen von außerhalb der arabischen Staaten, wie etwa aus Venezuela oder aus Alaska. In den USA gab es zusätzlich die Möglichkeit, auch auf eigene Ölquellen in Texas oder früher auch in Kalifornien zurückzugreifen.

Vorerst kein starker Ölpreisanstieg

Seit den Terror-Angriffen der Hamas auf israelische Zivilisten zogen zwar die Notierungen übers Wochenende von Freitag auf Montag sprunghaft an, um drei bis vier Dollar je Fass. Doch dabei blieb es zunächst. Das hohe Niveau von Ende September wurde erst einmal nicht wieder erreicht.

Obwohl die israelische Armee eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen vorbereitete, um die Hamas zu zerschlagen, blieb es danach an den Märkten eher ruhig.

Die ökonomischen Folgen von dem, was in Israel passiert, hingen ganz eindeutig von der Entwicklung des Ölpreises ab, sagte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), der aber die wirtschaftliche Dimension des Nahost-Krieges relativiert:

"Der Angriff aus Israel ist zuallererst ein menschliches Drama. Wir sind erschrocken über den Gewaltausbruch und empfinden große Trauer für die Opfer." Moritz Schularick, IfW-Präsident

Es gebe aktuell keine Anzeichen, dass Ölproduzenten wie die Golfstaaten stärker in den Konflikt involviert werden, so der IfW-Präsident. Die Beziehungen von Saudi-Arabien und der Vereinigten Arabischen Emirate zu Israel hätten sich zuletzt eher verbessert. Ein mögliches Friedensabkommen zwischen Saudi-Arabien, Israel und den USA wollte die Hamas mit ihren Angriffen möglicherweise torpedieren.

Iran könnte Schlüsselrolle beim Ölpreis spielen

Die iranische Regierung, die schiitische Hisbollah-Kämpfer in Südlibanon finanziert und bewaffnet und auch als Waffen-Lieferant der Hamas gilt, will die Aussöhnung zwischen Golf-Arabern, USA und Israel anscheinend verhindern. Die Regierung in Teheran gilt deshalb für viele Beobachter als der eigentliche Drahtzieher des aktuellen Konflikts. Iran ist nach wie vor ein wichtiges Öl-Förderland und könnte es als politische Waffe einsetzen.

Zwar gibt es bereits umfangreiche Sanktionen gegen das Mullah-Regime, das seit vielen Jahren eigentlich kaum noch Öl ausführen dürfte – und es trotzdem tut, und zwar zu Höchstmengen, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete. Trotz US-Sanktionen waren das zum Ende des letzten Jahres per Dezember 2022 im Schnitt 1,14 Millionen Barrel pro Tag und damit so viel wie noch nie. Ein Barrel sind 159 Liter.

Wachsende Bedeutung der BRICS-Länder auch im Streit ums Erdöl

Als Abnehmerländer für iranisches Öl kommen nur Länder in Frage, die keine Angst vor US-Sanktionen haben müssen. In erster Linie wäre da China zu nennen, aber auch Indien oder vielleicht auch Brasilien. Sie zählen zu den aufstrebenden Schwellenländern der BRICS-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die sich vom Westen und den USA keine Vorschriften mehr machen lassen.

Auch Saudi-Arabien und andere Ölförderländer sind der BRICS-Vereinigung beigetreten, die aber formlos ist und ohne gemeinsame Zielvorstellungen auskommen muss. Was sie eint, ist vielmehr eine nicht genau bestimmte Ablehnung der Vorherrschaft von klassischen Industrieländern, die sie in den G7-Staaten repräsentiert sehen. Zu den G7 zählen neben den USA, Kanada und Japan die EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien sowie Großbritannien.

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