In Huwara im Westjordanland hält ein palästinensischer Demonstrant vor einer Reihe israelischer Soldaten eine palästinensische Flagge hoch. (Archivbild)
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Die Unterstützung der EU für die Palästinenser kommt grundsätzlich auf den Prüfstand.

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Palästinenser-Hilfe: Größter Geldgeber EU überprüft Zahlungen

Die EU-Außenminister stimmen ihre Position zum Hamas-Überfall auf Israel ab. Die Unterstützung für die Palästinenser kommt grundsätzlich auf den Prüfstand. Es soll sichergestellt werden, dass EU-Förderungen keine Terrororganisationen unterstützen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Führende EU-Politikerinnen und –politiker haben am Wochenende schnell reagiert: Bald nach den ersten Meldungen über Angriffe von Kämpfern der islamistischen Hamas betonten sie Israels Recht auf Selbstverteidigung und verurteilten die Attacke. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat nach Angaben seines Sprechers mit Außenministern in der Region telefoniert - in Israel, Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien - sowie mit dem Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Außerdem hat er sich mit den Außenministerinnen und –ministern der USA, Deutschlands und Italiens abgestimmt. Heute werden die 27 EU-Ressortchefs und –chefinnen auf Borrells Einladung bei einer Krisensitzung ihren gemeinsamen Standpunkt festlegen und über die weitere Unterstützung für die Palästinenser beraten.

Verwirrung: Zahlungen ausgesetzt?

Am Montag Nachmittag sorgte zunächst eine Mitteilung von EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi im Onlinedienst X, vormals Twitter, für Verwirrung. Er hatte geschrieben, die EU friere die Zahlungen von Entwicklungshilfe im Umfang von 691 Millionen Euro ein und stelle alle Projekte auf den Prüfstand. Neue Ausgaben auch für das laufende Jahr würden aufgeschoben.

Später stellte der für Nothilfe zuständige Kommissar Janez Lenarcic ebenfalls auf X klar, die EU leiste weiter so lange wie nötig humanitäre Hilfe für bedürftige Palästinenser. Am Abend kündigte die Kommission dann eine dringliche Überprüfung der EU-Hilfe für die Palästinenser an. Ziel sei es, über die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen hinaus sicherzustellen, dass EU-Förderung keiner Terrororganisation indirekt die Durchführung von Anschlägen auf Israel ermögliche.

Die Kommission wolle überprüfen, ob im Lichte der veränderten Umstände ihre Hilfsprogramme für die Bevölkerung und die palästinensische Autonomiebehörde angepasst werden müssten. Einige EU-Mitgliedsstaaten kritisierten das Vorgehen der Kommission, darunter Irland, Spanien und Luxemburg.

Geld für Gehälter und Reformen

Die EU ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Geldgeber für Palästina und die Palästinenser. Grundlage ist ein Abkommen über Handel und Zusammenarbeit, das die Gemeinschaft und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1997 unterzeichnet haben. Die Mittel fließen ins Westjordanland, nach Ostjerusalem und in den Gazastreifen.

Im Februar verkündete die EU das Finanzhilfepaket 2022 für die palästinensische Bevölkerung im Umfang von insgesamt 296 Millionen Euro. Es umfasst Zuschüsse für die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland, damit diese Sozialleistungen, Gehälter und Renten auszahlen kann. Außerdem werden damit Vorhaben in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten unterstützt.

EU hat 488 Millionen Euro für UN-Programm gezahlt

Ebenfalls enthalten sind Beiträge zum UN-Programm für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Sie sollen unter anderem sicherstellen, dass das Hilfswerk Gehälter für Lehrer, Ärzte und Sozialarbeiter in den Flüchtlingslagern bezahlen kann. Zwischen 2018 und 2021 hat die EU 488 Millionen Euro an UNRWA gezahlt.

Im vergangenen Jahr waren es 97 Millionen, heuer bisher 82 Millionen. Unter dem Strich will die EU im Zeitraum von 2021 bis 2024 bis zu 1,2 Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung für die Palästinenser bereitstellen. Das war jedenfalls bis Montag der Plan.

Keine Mittel für Hamas

Die EU will mit dem Geld Reformen in der palästinensischen Verwaltung sowie bei der Wasser- und Energieversorgung anstoßen. So soll ein Programm die Trinkwasserversorgung im Gazastreifen verbessern. Ein anderes unterstützt kleine Betriebe. Die Mittel sollen außerdem dazu beitragen, ein funktionierendes Gerichtswesen im Westjordanland aufzubauen.

Brüssels Ansprechpartner bei der Koordinierung der Hilfen ist die Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Montag, dass die EU in keiner Weise die im Gazastreifen regierende Hamas fördere, weder direkt noch indirekt. Brüssel verfüge über strenge Kontrollregeln, um Empfänger der Unterstützung zu überprüfen.

Diese müssten versichern, dass sie nichts an Personen oder Organisationen weitergeben, die auf der EU-Terrorliste stehen. Die Hamas ist darauf verzeichnet. Damit kann die EU deren Gelder und sonstige Vermögenswerte einfrieren.

Probleme auch mit Ramallah

Seit der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen 2007 gibt es keine offiziellen Kontakte mehr. Warum die EU-Kommission jetzt womöglich alle Zahlungen an die Palästinenser einfriert, obwohl davon nach ihren eigenen Angaben gar nichts an die Hamas fließt, erklärte sie zunächst nicht. Aber auch der Umgang mit der von der Fatah dominierten Autonomiebehörde im Westjordanland bereitet der EU Probleme.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas führt die Amtsgeschäfte seit Jahren ohne demokratische Legitimierung, Wahlen hat er abgesagt. Im vergangenen Sommer sorgte Abbas für Empörung, weil er Israels Vorgehen gegen die Palästinenser mit dem Holocaust gleichsetzte.

Fachleute berichten von grassierender Korruption. Bundesentwicklungshilfeministerin Svenja Schulze und EU-Abgeordnete hatten nach dem Hamas-Überfall verlangt, die Zahlungen in die palästinensischen Gebiete zu überprüfen. Auch die Bundesregierung hat ihre Finanzhilfen vorübergehend ausgesetzt.

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