Familie Matuschek aus München versucht, möglichst wenige Lebensmittel wegzuwerfen. Dabei helfen passende Rezeptideen aus dem Internet.
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Familie Matuschek aus München versucht, möglichst wenige Lebensmittel wegzuwerfen. Dabei helfen passende Rezeptideen aus dem Internet.

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Teller statt Tonne: Wege aus dem Wegwerf-Wahnsinn

Jeden Tag landet tonnenweise noch verzehrbares Essen im Müll. Doch immer mehr Menschen wollen Lebensmittel retten. Wie das gelingen kann, zeigen Beispiele aus Bayern.

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Supermärkte und Discounter werfen massenhaft noch verzehrbare Ware weg, aber auch bei den Verbrauchern, in den Haushalten, landen tonnenweise Lebensmittel im Müll. Viele Menschen wollen daher den Wegwerf-Wahnsinn beenden.

Restaurant kocht mit "geretteten Lebensmitteln"

Familie Matuschek aus München möchte essen gehen. Heute probieren Mutter Alexandra und die beiden Töchter Greta und Ava etwas Neues: Die Community Kitchen in Neuperlach ist Bayerns erstes Restaurant, das Lebensmittel verarbeitet, die sonst weggeworfen würden. Die "Retter-Quote" zeigt, welchen Anteil gerettete Lebensmittel an dem Gericht haben. Bei den Zucchini-Rösti sind es zum Beispiel 98 Prozent.

Die Gründerin von Community Kitchen ist Günes Seyfarth: Als sie vor einigen Monaten das Angebot bekam, die ehemalige Kantine eines Versicherungskonzerns inklusive Einrichtung zu übernehmen, sagte sie spontan zu. Ihre Idee: Lebensmittel verarbeiten, die sonst in der Tonne landen würden – ob bereits beim Bauern oder im Supermarkt.

Aus all den Lebensmitteln kochen Freiwillige täglich verschiedene Gerichte, die dann im Restaurant für vier bis fünf Euro angeboten werden. Was gerade angeboten wird, hängt von den Lebensmitteln ab, die an dem Tag reinkommen.

"Wir verarbeiten alles, was wir retten"

Immer wieder erlebt das Team bei den Abholtouren Überraschungen. "Das krasseste Fall war für mich, mal Trüffel zu retten", erzählt Seyfarth. "Der war noch gut, aber die Verpackung war halt ein bisschen lädiert, und deswegen wurde er weggeworfen." Das Team rettet Obst, Gemüse, viele Milchprodukte, Fleisch, Süßes, aber auch Haltbares, wie etwa Reis und Mehl. "Warum ist halt ein Datum drauf?" fragt Seyfarth. "Selbst Salz! Millionen Jahre im Berg, drei Jahre im Handel. Also, das ist einfach irre."

Alles was nicht sofort auf den Tellern im Restaurant landet, wird haltbar gemacht. Überall stehen Gläser mit eingemachtem Obst und Gemüse oder frisch eingekochter Marmelade. "Wir verarbeiten alles, was wir retten", erklärt Seyfarth. Rund zwei Tonnen Lebensmittel werden wöchentlich verarbeitet. Eine Herausforderung auch für die Köche. Denn sie wissen nie, was sie am nächsten Tag an Zutaten haben werden.

Rezept-Inspiration aus dem Internet

Auch Familie Matuschek überlegt, was sie gegen Lebensmittelverschwendung noch tun kann. Denn es bleiben auch zuhause immer wieder Lebensmittel übrig, die dann irgendwann im Müll landen. "Ich versuch dann schon zu schauen, was im Kühlschrank noch ist und mit den Lebensmitteln irgendein Gericht zu zaubern", sagt Alexandra Matuschek. "Ich gebe das dann ins Internet ein. Zum Beispiel Karotten, da kommen tausend Gerichte."

Lebensmittel retten per App

Im Internet findet die Familie die App "Too good to go". Dort kann sie bei Bäckereien oder Restaurants in ihrer Nähe Essen bestellen, das übriggeblieben ist. Die Familie macht eine Testbestellung. Die erste Überraschungstüte kommt vom Bäcker. Kostenpunkt: drei Euro für Süßgebäck, zahlreiche Semmeln und einen Laib Brot. Beim Fischhändler gab es für 3,50 Euro gebackenen Fisch mit Kartoffelsalat und einen Heringssalat.

Besonders überrascht sind die Drei von der Obst- und Gemüsekiste: Gurke, Radieschen, Brokkoli, Aubergine zum Beispiel und jede Menge Obst. Alles zusammen für vier Euro. "Vom Preis-Leistungsverhältnis finde ich das auf jeden Fall klasse. Das einzige Problem, das ich sehe, ist, dass es das immer nur zu einem bestimmten Zeitfenster gibt", sagt Mutter Alexandra Matuschek.

Tipps, um Lebensmittel zuhause zu retten

Und was kann man zuhause tun? In vielen Küchen bleiben oft Lebensmittel übrig. Bei Familie Matuschek haben die Töchter Ava und Greta ein Lieblingsrezept für altes Brot: Arme Ritter – heute gern French Toast genannt. Altes Brot wird in Eiern und Milch gewendet, in der Pfanne ausgebacken und dann mit Zucker und Zimt bestreut.

Warum Äpfel nicht in den Obstkorb gehören

Daniela Krehl, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Bayern, berichtet, dass bei den Verbrauchern in Deutschland neben Brot vor allem Obst und Gemüse am häufigsten weggeworfen werden. Der Grund sei meist falsche Lagerung. Etwa bei einem klassischen Obstkorb.

"Das ist natürlich super, denn der animiert natürlich immer, sich mal einen Apfel oder eine Banane zu nehmen", sagt Krehl. "Aber das Problem ist, dass es einige Obstsorten gibt, die Ethylengas ausstoßen." Dieses Reifungsgas führt dazu, dass die anderen Obstsorten schneller reif werden. Deswegen gehören Äpfel nicht in den Obstkorb.

Kann man Kartoffeln mit Trieben noch essen?

Bei den Kartoffeln heißt es immer: kühl und dunkel lagern. Wichtig sei jedoch, dass es nicht zu kühl sei, sagt Ernährungsberaterin Krehl. "Also nicht in den Kühlschrank!" Bei Kartoffeln stellten sich viele die Frage, ob die mit Trieben noch essbar seien. Das Problem: Wenn die Kartoffel mit Licht konfrontiert wird, produziert sie Solanin. "Und das ist grün. Das kann zu Übelkeit und Durchfall führen. Und deswegen heißt es hier: ganz großzügig abschneiden und vor allem das Grüne wegschneiden."

Bei einer Kartoffel mit großer grüner Stelle sagt die Expertin: "Bei dieser Länge (fast 10 Zentimeter) ist wahrscheinlich schon so viel Solanin in der Kartoffel. Die würde ich jetzt wirklich wegschmeißen."

Sind vorgetriebene Zwiebeln noch essbar?

"Vorgetriebene Zwiebeln muss man nicht wegschmeißen. Man kann sogar die Triebe als Deko für den Salat nehmen, die sind sehr schmackhaft und nicht ganz so scharf wie die Zwiebel selbst. Also hier gilt auf jeden Fall: noch voll verzehrfähig", erklärt Krehl.

Viele Lebensmittel werden auch deswegen weggeworfen, weil Menschen aus Angst bunkern – wie zurzeit etwa Mehl oder Sonnenblumenöl. Denn: Früher oder später wird das gehamsterte Öl wohl ranzig. Ähnlich bei Mehl, das bei zu langer Lagerung gerne von Schädlingen befallen wird.

Es gibt viele Gründe, warum so viele Lebensmittel im Müll landen. Dabei könnten alle etwas dagegen tun: Produzenten, Handel und Verbraucher.

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