Luftaufnahme der Region Fichtelgebirge
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Das Fichtelgebirge leistet sich als Region eine Willkommensagentur - um Zuzügler in der Region zu unterstützen.

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Landleben immer attraktiver - Boom-Region Fichtelgebirge

Das Leben auf dem Land wird von vielen manchmal belächelt, als "hinterwälderisch". Inzwischen scheinen entlegene Landstriche oft das Gegenteil zu sein: Gegenden, in denen spannende Projekte angestoßen werden.

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Das Fichtelgebirge im östlichen Oberfranken: Einst gefeiert für Porzellan und Textil, dann nur noch Randgebiet mit viel Abwanderung und Leerstand. Doch jetzt scheint sich hier allerhand zu bewegen. Die Region will ein "Freiraum für Macher" sein. Was das heißt, hat sich die Redaktion der BR-Sendung mehr/wert vor Ort angeschaut.

Aus der Stadt aufs Land: Umzug aus Überzeugung

Im vergangenen Jahr waren Susanne und Thomas Wurm und ihr Sohn Fritz noch überzeugte Stadtbewohner. Doch ihr Leben bei Bonn haben sie hinter sich gelassen und wohnen jetzt im Landkreis Wunsiedel. Sie finden ihre Entscheidung gut, wie Susanne Wurm sagt: "Es ist eine Aufbruchsstimmung hier, die uns das Gefühl gibt, dass wir hier sehr willkommen sind. Die Leute finden das schön, dass es Menschen gibt, die von außerhalb hierherkommen."

Ihr Haus im Rheinland hat Familie Wurm verkauft. "Von dem Geld konnten wir hier quasi ein komplettes Gebäude kaufen, mit Nebengebäude für unseren Laden", erzählt Thomas Wurm. "Wir sind jetzt zum ersten Mal seit vielen Jahren komplett schuldenfrei und können natürlich auch unternehmerisch besser tätig werden." Seinen Job als Geschäftsführer einer Maschinenbaufirma hat Wurm aufgegeben und sich selbständig gemacht als Feinkosthändler. Im Sortiment: Frankenwein und viele andere regionale Produkte wie Fichtel-Honig, Fichtel-Kaffee und Fichtelaufstriche. Verkauft wird überwiegend über das Internet. "Da ist nicht wichtig, wo man ist, sondern dass die Logistik stimmt. Wir haben hier Räumlichkeiten, wenn sie Lagerflächen anmieten, dass ist hier viel günstiger als in der großen Stadt", sagt Thomas Wurm. Er nutzt das Potential der Region für ein zufriedenes Leben.

  • Zum Artikel: ARD-Themenwoche "Stadt.Land.Wandel."

Service der Region: Willkommensagentur Fichtelgebirge

Ein Service, den sich die Region gerne leistet, um Menschen ins Fichtelgebirge zu locken: eine "Willkommensagentin". Katharina Hupfer arbeitet für die regionale Kampagne "Freiraum für Macher". "Ich bin zuständig für alle, die sich für die Region interessieren. Für potenzielle Rückzügler oder auch Zuzügler, die ihren Lebensmittelpunkt hier im Fichtelgebirge finden wollen", erklärt Hupfer. "Ich helfe bei allen Fragen, wenn es um Immobilien geht, um Bauplätze, vielleicht sogar um Jobs, was jetzt gerade gut auf dem Markt ist. Oder welche Schule am nächsten für das Kind ist oder ob es einen Kindergartenplatz gibt."

Immer häufiger bekommt Katharina Hupfer Anfragen von Großstädtern. Ihnen wird die Stadt zu voll, die Mieten zu teuer, der Wohnraum zu eng. Zum Teil fühlen sich die Menschen auch nicht mehr sicher in der Stadt – und wollen deshalb aufs Land. Platz gibt es genug für neue Ideen. Viele Gebäude stehen leer. Aber seit ein paar Jahren ist ein deutlicher Anstieg von Zuzüglern zu spüren.

Marktredwitz: Boomstadt des östlichen Frankens

In Marktredwitz sticht eine riesige Baustelle ins Auge: Dort, wo einst die Weberei Benker war, entsteht ein neuer Stadtteil. Für 70 Wohnungen, Cafés, Büros, Kitas und ein kleines Hotel wird fleißig geschaufelt. Auch zwei Behörden und eine Außenstelle der Arbeitsagentur bauen hier. 150 Arbeitsplätze sollen hier entstehen. Boomstadt des östlichen Frankens wird Marktredwitz schon genannt. Die Nachfrage nach Wohnraum ist groß, Baugebiete sind mittlerweile schon Mangelware.

Tiny-House-Siedlung bei Mehlmeisel

Bei Mehlmeisel findet sich eine Ansammlung kleiner Häuser. Obwohl schier endlos Platz ist, ist kein Haus größer als 40 Quadratmeter. Der Macher hinter der außergewöhnlichen Tiny-House-Siedlung ist Philipp Sanders. Die Gemeinschaft hier will hier selbstbestimmt und zukunftsfähig leben – ohne überflüssigen Schnickschnack. "Wir wollen von Anfang an anderes leben. Wir wollen gar nicht diesen großen Kredit aufnehmen für ein Einfamilienhaus irgendwo am Stadtrand, sondern wir wollen direkt minimalistischer leben", erklärt Sanders. "Der Umweltgedanke spielt oft eine Rolle und der Gedanke, ein bisschen Geld zu sparen. Geld für andere Dinge zu haben oder reduzierter arbeiten zu können. Also nicht mehr die 40-Stunden-Woche zu machen, sondern vielleicht reichen 20, 25 oder 30."

  • Zum Artikel: Trend "Tiny House": Wohnen auf kleinstem Raum in Rieden

Dafür beschränken sich die Bewohner in ihrem privaten Lebensraum. Ein paar Quadratmeter müssen reichen für Küche, Bad und Schlafzimmer. Alles andere gehört der Gemeinschaft. Teilen statt horten. 20 Menschen leben derzeit im Tiny Village. "Gemeinschaft heißt, dass man Lust darauf haben muss, mit anderen Menschen zu interagieren", sagt Sanders. "Gemeinsam mit Menschen Entscheidungen zu treffen und sich auch mal zurücknehmen zu können. Diese Ellbogen-Egogesellschaft, die wir leider da draußen haben, die kann man hier nicht einfach mit reinbringen." Sanders hat sich seinen Traum von einem reduzierten Leben mitten in der Natur erfüllt.

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