Herr Zeiser mit neuem Werkstattmeister.
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Fürther Handwerksbetrieb kommt nach 66 Jahren in neue Hände

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Generationenwechsel: Wie die Nachfolge im Betrieb gelingen kann

Viele Unternehmen tun sich schwer, Nachfolger zu finden. Das gilt auch für kleine Handwerksbetriebe. Nach langer Suche hat der Gründer einer Autowerkstatt in Fürth einen jungen Meister gefunden – und kann nach 66 Jahren im Beruf in Rente gehen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Walter Zeise zieht das Tor zu seiner Werkstatt hoch. Ein olivgrüner Land Rover fährt auf einen der Inspektionsplätze. Zeise öffnet die Motorhaube und schaut mit Kennerblick hinein. Sitzen die Keilriemen noch stramm? Funktionieren die Zündkerzen? Wie ist der Ölstand? Walter Zeise kennt die kleinen und großen Macken, die Autos dieser Marke gerne entwickeln. Der 80-jährige Kfz- und Karosseriebaumeister hat sich auf Land Rover und andere ehemals englische Automarken spezialisiert.

Land Rover-Spezialist mit Notrufnummer

Manche von Walter Zeises Kundinnen und Kunden nehmen weite Wege in Kauf, um ihr Auto in der freien Werkstatt am Fürther Hafen reparieren zu lassen. "Landy"-Spezialisten gebe es schließlich nicht so viele, erzählt Stammkunde Dirk Pierson, der sein Auto 2001 gekauft hat. "Da braucht man jemanden, der sich mit dem Auto identifiziert und Spaß dran hat", findet er. Im Urlaub habe er Walter Zeise auch privat anrufen dürfen, schwärmt er. "Das macht heute kein Mensch mehr".

Vier Jahre Suche nach einem Nachfolger

Als Walter Zeise anfing, über den Ruhestand nachzudenken, war klar: Er musste jemanden finden, der genau wie er ein Faible für englische Autos hat – Land Rover, Rover, Rolls Royce, Mini und all die anderen. Etwa vier Jahre dauerte es, bis er ihn gefunden hatte. Seit Anfang Januar arbeiten Walter Zeise und sein Nachfolger Andi Wieczorek Seite an Seite.

Der junge Kfz-Meister bringt bereits einige Jahre Erfahrung in der Selbständigkeit mit. Mit 22 Jahren eröffnete er auf dem Grundstück seiner Eltern seine erste eigene Werkstatt. Die Zahl der Kunden wuchs, die Werkstatt wurde zu klein. Andi Wieczorek ging auf die Suche und fand Walter Zeise. Die Chemie stimmte und beide wurden sich einig. "Ich freu mich übel drauf, das wird total cool", sagt der heute 27-Jährige, grinst und schiebt sich die schwarze Basecap in den Nacken. Und auch Walter Zeise ist zufrieden: "Er ist unwahrscheinlich fleißig", lobt er seinen Nachfolger. "Er schafft das!"

Ganze Familie in der Werkstatt

Die Werkstatt einfach zusperren – das war für Walter Zeise keine Option. Zu viel Herzblut haben er und seine Frau Renate in den Betrieb gesteckt, die Halle selbst errichtet, den Hof selbst gepflastert. Auch der Bruder war bis zu seinem Tod dabei, Sohn und Tochter haben hier ihre Ausbildung gemacht. Übernehmen wollten sie den Betrieb aber nicht.

Immer mehr Betriebe suchen Nachfolger

Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden ist nicht einfach. Die Zahl der suchenden Unternehmen wächst, während die der Interessenten schrumpft. Die IHK für München und Oberbayern schätzt das Verhältnis auf eins zu drei bis eins zu vier. Die Suche solle daher so früh wie möglich beginnen – die IHK empfiehlt einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor der geplanten Übergabe.

Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) suchen aktuell mindestens 125.000 Familienunternehmen nach einer Lösung, 5.000 sind es in Mittelfranken. Bayernweit stehen laut Wirtschaftsministerium zwischen 2022 und 2026 nahezu 36.500 Betriebe aller Branchen vor einem Generationenwechsel. Dass der Wechsel gelingt, ist wichtig, denn auch wenn die Unternehmen oft klein sind – in der Summe arbeiten bei ihnen 618.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte.

Kfz-Mechatroniker: Noch immer Traumberuf

Unter den Betrieben, die kurz vor dem Wechsel stehen, sind auch eine Reihe von Autowerkstätten. Zwar ist der Beruf der Kfz-Mechatroniker*in nach wie vor unter den Top Ten zu finden – allein in Mittelfranken gibt es rund 1.600 Auszubildende – aber nicht jeder will sich selbständig machen. Und manch einer hat auch falsche Vorstellungen davon, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen. "Man muss hier das Geld in die Hand nehmen, man muss die Freizeit opfern", so die Erfahrung von Walter Zeise. Auch die Familie könne leiden oder müsse zumindest Abstriche machen. "Das macht nicht jeder."

Nachfolger in Kfz-Werkstatt: "Traum wurde wahr"

Andi Wieczorek aber wollte es machen, wollte das Wagnis Selbständigkeit eingehen. Er hat zwar schon einiges an Berufserfahrung, profitiert aber gerne von Walter Zeises Fachwissen. 66 Jahre im Beruf – da gibt es viel zu lernen. Er sei überglücklich, dass er jemanden an der Seite habe, der ihn unterstütze, sagt der 27-Jährige. "Das hier war meine Traumlösung, und der Traum wurde wahr." Und Walter Zeise ist froh, dass sein Lebenswerk in gute Hände kommt.

Bis zum Sommer werden die beiden Meister noch gemeinsam arbeiten. Dann wollen sie mit Familien, Freunden und Kunden ein Übergabe-Fest feiern.

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Familie Zeise (links) muss bald Abschied nehmen von der Werkstatt - Kfz-Meister Andi Wieczorek (mit Basecap) und sein Team übernehmen.

Zwei Männer schauen in einer Kfz-Werkstatt in den Motorraum eines Autos.
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Was fehlt dem Rolls Royce? Kfz-Meister Walter Zeise und sein Nachfolger Andi Wieczorek beraten sich.

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