Die Metzgerei Braun in Wiedenzhausen. Lange war nicht klar, ob dieses Familienunternehmen auch in der nächsten Generation existiert.
Bildrechte: BR/Steffi Lang

Metzgermeister Werner Braun wusste lange nicht, wer sein Familienunternehmen weiterführen wird.

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Nachfolge dringend gesucht: Viele Familienunternehmen in Sorge

Ein wesentlicher Bestandteil des Mittelstands sind die Familienunternehmen. Neben Fachkräftemangel und Bürokratie ist es oft die Nachfolge, die ihnen Sorgen bereitet. Was also tun, wenn sich niemand findet, um die Tradition weiterzuführen?

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Mittagszeit im kleinen Ort Wiedenzhausen, zwischen München und Augsburg. In der Metzgerei Braun ist ordentlich Betrieb, die einen kaufen die Wurstsemmel und die Limo für die Mittagspause, die anderen lassen sich professionell beraten, was am Wochenende auf dem Tisch landen könnte.

Das Geschäft läuft gut, sagt Werner Braun, der Metzgermeister. Das ist längst keine Selbstverständlichkeit in der Branche, das sei ihm klar. Seit rund 30 Jahren ist er Chef, führt neben der Metzgerei auch die Wirtschaft direkt nebenan, den Huberwirt. Seit jeher ist die Metzgerei ein Familienbetrieb. Ein Merkmal, das Werner Braun sehr wichtig ist. Doch er hat keine eigenen Kinder bekommen. Wie also soll es weitergehen?

Unternehmen müssen sich anpassen

Werner Braun ist 60 Jahre alt, Teil der sogenannten Babyboomer-Generation, also der Jahrgänge 1955 bis 1969. Die zahlenmäßig größte Generation, die Deutschland je hatte. Und sie befindet sich mitten im Wechsel Richtung Ruhestand. Auch Metzger Braun denkt schon länger daran. Noch vier Jahre, dann will er nicht mehr hinter der Theke stehen.

Viel hat sich verändert in dieser langen Zeit. Schließlich ändern sich auch die Menschen, die hier einkaufen – und die, die hier in Zukunft einkaufen sollen. Ladenöffnungszeiten wie früher? Unmöglich, sagt Braun. Kollegen, die mittags zusperren, machen ihn sprachlos: "Der Kunde darf doch nicht überlegen, wann er sein Geld ausgibt." Es gibt also viel zu tun beim Start in die nächste Generation.

Tausende Unternehmen bemühen sich aktuell um Nachfolge

Wer übernimmt die Geschäfte, wenn die bisherige Unternehmensführung in den Ruhestand geht? Eine Frage, die Tausende Unternehmen umtreibt. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat im Jahr 2022 berechnet, dass bis zum Jahr 2026 rund 135.000 Familienunternehmer in den Ruhestand gehen wollen.

Auch das ifo-Institut hat das Thema Unternehmensnachfolge untersucht, allerdings für ganz Deutschland. So haben bundesweit mehr als 42 Prozent aller Familienunternehmer noch keinen Nachfolger in der Familie gefunden.

IHK: Rechtzeitig Hilfe annehmen

Die Übergabe zu klären, ist eine große Herausforderung, das weiß Markus Neuner nur zu gut. Er ist bei der IHK München und Oberbayern der Ansprechpartner für den ganzen Themenkomplex "Unternehmensnachfolge". Die Aufgabe umfasse weit mehr, als einfach eine Person zu finden, die den Chefsessel übernimmt, sagt er.

Schließlich müsse das Unternehmen auch für die nächste Generation zukunftssicher sein. Ein Konzept, das keine Innovation bietet und Fachkräfte abschreckt, das sich nicht auf Digitalisierung einstellt, habe heutzutage schlichtweg keine Chance.

Nach Neuners Erfahrungen seien drei Jahre das Minimum, um eine Übergabe zu regeln, sagt der Experte. Und gerade, wenn unklar ist, wie es weitergeht, gelte: Je früher man sich Hilfe holt, desto besser.

Wer übernimmt das Geschäft?

Metzger Braun hat lange darüber nachgedacht, wie es weitergeht mit der Metzgerei. Eine Stiftung war die Idee, damit die Metzgerei mit ihrem Geld bedürftigen Kindern hilft.

Doch dann meldet sich vor einigen Jahren sein Neffe, Martin Braun. Er habe sich für die Metzgerei-Ausbildung entschieden. Gemeinsam überlegen sie, ob die Betriebsübernahme eine Option ist. Nach der Ausbildung und dem Besuch der Wirtschaftsschule steigt Martin schließlich ein in den Betrieb, wird sogar zum Adoptivsohn. Mit diesem Kniff bleibt die Metzgerei also im Familienbesitz.

Entscheidungen gemeinsam treffen

Seit einigen Jahren arbeitet Martin Braun nun mit in der Produktion, er übernimmt aber auch immer mehr Planungsaufgaben. Unternehmensentscheidungen treffen sie gemeinsam. Zum Beispiel die mit den Öffnungszeiten. Dafür steht das neueste Projekt jetzt auf dem Parkplatz. Ein Kühlcontainer als Verkaufsautomat, 24 Stunden geöffnet. Nicht nur Fleisch gibt es hier, sondern auch Nudeln aus der Region, Gewürze, Getränke. Alles, was man eben gebrauchen kann, wenn die Metzgerei geschlossen hat – oder der Supermarkt.

Ganz ohne Diskussion ging es nicht, sagt der Juniorchef Martin Braun. Wie groß soll der Wagen werden, wie viele Kühlschränke müssen rein? Schlussendlich habe er sich gegen seinen Adoptivvater durchgesetzt, mehr Kühlschränke, mehr Angebot.

Der Verkaufsautomat, er ist nicht nur ein Entgegenkommen für die Wiedenzhausener, sondern auch eine Absicherung gegen den grassierenden Fachkräftemangel. Und auch der Senior ist zufrieden mit der Entscheidung. Seit rund zwei Monaten steht der Container nun, ist ein Erfolgsmodell – und er wird vermutlich auch dann noch stehen, wenn Werner Braun im Ruhestand ist.

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