Ein autonomer Bus von Schaeffler bei der IAA Mobility in München: Chinesische Idee, deutsche Technik?
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Ein autonomer Bus von Schaeffler bei der IAA Mobility in München: Chinesische Idee, deutsche Technik?

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Autoindustrie: China hat die Ideen, Deutschland die Technik

Wie sieht sie denn nun aus, die Mobilität der Zukunft? Bei der IAA werden dazu nicht nur Konzepte demonstriert, vor allem China hat auch ganz neue Visionen. Sofern die deutsche Industrie mitzieht, kann sie davon profitieren.

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Vor vier Jahren organisierte der chinesische Verband für Wissenschaft und Technologie erstmals den World New Energy Vehicle Kongress. Seitdem haben Auto-Manager, Ingenieure und Politiker jährlich ihre Ideen zu E-Autos und anderen alternativen Antrieben ausgetauscht. Am Mittwoch und Donnerstag fand dieser Ideen-Kongress zum ersten Mal außerhalb Chinas statt. Und zwar auf der IAA Mobility in München.

Visionen zur Mobilität kommen aus China

Autobatterien als Kraftwerke, autonom fahrende Autos als Energiesparer – all das sind Visionen beim World New Energy Vehicle Kongress in München. Doch werden diese Visionen in Deutschland realisiert? Nein, bislang nicht. Die Einladung für den Ideen-Austausch stammt aus China. Genauer gesagt von Wan Gang, dem Gastgeber des Kongresses.

Kaum jemand hat so viel dazu beigetragen, dass China heute an der Spitze steht bei der E-Mobilität, wie er. Wan Gang ist Präsident des chinesischen Verbands für Wissenschaft und Technologie, war einst Wissenschaftsminister der Volksrepublik und hat in Deutschland Antriebstechnik studiert. Außerdem hat er über zehn Jahre bei Audi gearbeitet. Wan Gang hat ziemlich klare Vorstellungen von der Zukunft der E-Mobilität: "Weit mehr als 80 Prozent aller Recycling-Batterien in E-Autos können umgewandelt werden und als Energiespeicher genutzt werden."

In China sehe er eine sehr schnelle Entwicklung, dass das möglich ist. Die Vision von Wan Gang zu Ende gedacht: Ein Auto könne sogar zum Kraftwerk werden. Das war die Idee, die Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt für Klimafragen, an Wans Vision am meisten beeindruckte: "Es ist ein spannender Moment, wenn es eine Möglichkeit gibt, die Batterien von Autos als Speicher von erneuerbarer Energie zu nutzen", so Morgan gegenüber BR24. "Und dann ist das nicht nur für die eigene Mobilität, sondern man kann auch für die Gesellschaft was tun. Das wird eine bombastische, positive Entwicklung."

Dominanz Chinas bereitet einigen Europäern Sorgen

Die chinesische Vision weiter: Digital vernetzte E-Autos könnten sogar bei ausgefallenen Ampeln ihren Weg finden, Staus vermeiden und so Energie sparen. Dass in Europa Daten strenger geschützt sind als in China, das spielte beim Weltkongress der E-Mobilität keine große Rolle.

Diese Dominanz Chinas bereitet einigen Europäern auch Sorgen. Seit Jahren nehmen die Klagen westlicher Manager zu: über willkürliche Regeln in China, über protektionistische Industriepolitik und über die Sorge, ausgemustert zu werden, wenn die Volksrepublik ausländischen Input nicht mehr braucht.

Also – wirkliche Zusammenarbeit? Jennifer Morgan, deutsche Staatssekretärin für Klimafragen schätzt die Lage so ein: "Ich hoffe, dass die das meinen." Ob Zweifel bleiben, werde sich zeigen, so Morgan weiter: "Fairer Wettbewerb ist in Ordnung. Wir brauchen den, aber es muss fair sein. Wenn Länder fair zusammenarbeiten, dann kann das alles beschleunigen."

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Das Modell einer schnell aufladbaren E-Auto-Batterie ist auf der Auto- und Verkehrsmesse IAA am Messestand von CATL zu sehen.

Ein wichtiger Grund: Batterietechnik in China zu Hause

Aber wieso ist China bei der E-Mobilität überhaupt so viel weiter als die deutschen Autobauer? Batterietechnik ist ein Grund dafür. Beispiel BYD: Der chinesische Marktführer bei den alternativen Antrieben mit fünf Millionen verkauften Wagen (inklusive Hybrid) begann 1995 als Hersteller von Batterien. "BYD hat davon Vorteile, dass sie eine große Tiefe in der eigenen Fertigung haben", sagt Analyst Dong Chengwu von der chinesischen Firma Autodatas, die seit diesem Jahr auch in München ein Büro hat. "Beispielsweise bauen sie bei BYD ihre Batterien selbst."

Politischer Wille treibt Innovationen voran

Ein zweiter Grund für Chinas Vorsprung ist der politische Wille: Alternative Antriebe werden in der Volksrepublik massiv gefördert, und zwar auf mehreren Ebenen. Wer seinen Verbrenner durch einen 'grünen Wagen' ersetzt, der spart schon allein dadurch Geld, dass die in Großstädten wie Shanghai horrenden Kosten für die Fahrzeugzulassung wegfallen. Und eigentlich wollte Peking staatliche Förderung für den Kauf von 'umweltfreundlichen Autos' schon streichen. Nun wird sie bis 2025 für Fahrzeuge unter umgerechnet 38.000 Euro verlängert, für die billigeren Varianten unter 19.000 sogar bis 2027.

Aufgeschlossenes Verhältnis zur Konkurrenz

Ein dritter Grund könnte das aufgeschlossenere Verhältnis zur Konkurrenz sein. Es tobt seit Monaten eine extreme Rabattschlacht, ausgelöst von Tesla. Kostet ein E-Modell in Europa 56.000 Euro, so zahlt der chinesische Kunde für dasselbe Modell in der Volksrepublik umgerechnet 32.000 Euro. Für den Anteil alternativ getriebener Wagen auf Chinas Straßen ist das offenbar positiv. "Wir werden unser Ziel von 30 Prozent Anteil am Gesamtmarkt Ende 2023 erreichen", hieß es beim Kongress von vielen Seiten.

Dass sich ein US-Unternehmen wie Tesla auf dem heiß umkämpften chinesischen Markt bislang behaupten und in Shanghai produzieren kann, helfe der chinesischen Konkurrenz zusätzlich, sagt Dong Chengwu von Autodatas, einem Dienstleister zur Auswertung technischer Daten. Teslas Beispiel, wie man Kosten senken und Produktion straffen kann, hätten lokale Zulieferer und Konkurrenten schnell übernommen.

Die Rabatte, mit denen die Amerikaner den Markt aufmischen, haben allerdings eine Schattenseite: Die Löhne in den Autofabriken sinken rasant. So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters von Shanghaier Arbeitern, die nur noch ein Drittel so viel Geld verdienen wie 2016. Arbeitgeber bei der Reuters-Reportage: Die Shanghaier Fabrik, die Volkswagen zusammen mit seinem Joint-Venture-Partner, dem Staatskonzern SAIC betreibt.

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Ein Lenkmodul des deutschen Zulieferers ZF. Hier bei der IAA, ausprobiert von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Deutsche und chinesische Autoindustrie bleiben verbandelt

Dieses Beispiel deutet darauf hin, wie verbandelt trotz aller Konkurrenz die deutsche und die chinesische Autoindustrie sind. Beim Kongress in München beschworen so ziemlich alle Redner aus chinesischen und deutschen Autokonzernen ihre gemeinsame Zusammenarbeit.

Mercedes-Chef Ola Källenius beispielsweise sprach von einem neuen Hochleistungs-Netzwerk fürs Laden von Autos. Das soll schon im Herbst nach China, in die USA und nach Deutschland kommen. Auch die anderen großen deutschen Autobauer betonten, wie wichtig ihnen China weiterhin ist: BMW zum Beispiel bekräftigte die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL, durch eigene Fabriken und Entwicklungszentren. Volkswagen hat im Juli in den Konkurrenten XPeng investiert – mit dem Startup bauen die Wolfsburger nun zwei digital vernetzte Autos.

Umgekehrt steckt in chinesischen E-Autos viel deutsche Technologie. "Zum Beispiel bei uns", sagt der Gründer von Nio, William Li: "Wir arbeiten mit sehr vielen deutschen Zulieferern zusammen. Continental, ZF, Bosch, etliche." Auf der IAA treffe er sich mit über 100 deutschen Zulieferern. Überhaupt fände er nicht, dass sich die deutsche Autoindustrie Sorgen machen muss. Ihr Innovationstempo sei hoch. "In China nutzen wir ihre moderne Technologie. Für die deutschen Firmen wird es weiter gut laufen."

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