Griechenland-Flaggen vor einer Stadt
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Griechenland-Flaggen vor einer Stadt

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Aus der Krise: Warum Griechenland auf die Tech-Industrie setzt

Spätestens die Corona-Krise hat deutlich gemacht: Die griechische Wirtschaft ist zu einseitig auf Tourismus ausgerichtet. Deswegen setzt die griechische Regierung verstärkt auf die Tech-Industrie. Interesse von Firmen gibt es, auch aus Deutschland.

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Von außen sieht das Gebäude, etwas außerhalb des Städtchens Ioannina, recht unscheinbar aus, eher wie ein zweistöckiges Wohnhaus mit spiegelverglaster Ladenzeile im Erdgeschoss. Doch am Straßenrand hängt ein großes Schild mit der Aufschrift: Terracom, Business-Computing.

Hier arbeitet Konstantinos Kalaboki mittlerweile seit fünf Jahren. "Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Ioannina zurückkehren würde", sagt Kalaboki. 2011 hatte er seinen Wehrdienst beendet und zuvor seinen Bachelor in Informatik abgeschlossen – mitten in der Finanzkrise.

Jobs gab es für Leute wie ihn damals keine, deshalb hat er sich entschieden, Griechenland zu verlassen. Kalaboki ist in die Niederlande gezogen, hat dort zunächst seinen Masterabschluss gemacht und im Anschluss daran sofort eine Stelle gefunden.

Mehr als eine halbe Million Fachkräfte ins Ausland abgewandert

Mehr als eine halbe Million Griechinnen und Griechen haben im Zuge der Finanzkrise mangels Perspektiven das Land verlassen – die meisten von ihnen waren sehr gut ausgebildet.

Nach fünf Jahren im Ausland wollte Kalabokis zurück nach Griechenland. Er beginnt sich nach offenen Stellen umzusehen und wird fündig – ausgerechnet in Ioannina, seiner Heimatstadt: Terracom heißt das Unternehmen. Es entwickelt unter anderem Softwarelösungen für die Arbeitszeiterfassung und für die Personalplanung von Unternehmen.

Mittlerweile hat Terracom 54 Mitarbeiter und Kunden auf der ganzen Welt, darunter Ikea, der US-amerikanische Telekommunikationskonzern Verizon, der Londoner Flughafen Heathrow und Vodafone. Doch bislang sind Unternehmen wie Terracom die absolute Ausnahme in Griechenland. Seit einigen Monaten scheint sich das aber zu ändern.

Die griechische Wirtschaft soll weniger abhängig vom Tourismus sein. Deshalb will die Regierung vermehrt auf die Tech-Industrie setzen und gleichzeitig ausländische Firmen nach Griechenland locken.

Neue Jobs und Digitalisierung als wichtigste Ziele

Ziel Nummer Eins sei es, Jobs zu kreieren und jungen Griechinnen und Griechen die Möglichkeit zu geben, in Griechenland Karriere zu machen, so Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im Interview mit dem BR. Daher wolle man es Unternehmen leichter machen, in Griechenland zu investieren. Das bedeute unter anderem: weniger Regulierung, niedrigere Steuern und ein enger Austausch mit den regionalen Behörden, um mögliche bürokratische Hürden rasch aus dem Weg zu räumen.

Gleichzeitig soll die digitale Infrastruktur stark ausgebaut werden. Dafür möchte das Land auch Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds der EU nutzen: insgesamt 30,5 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten. Knapp ein Viertel will die Regierung in die Digitalisierung investieren: So soll zum Beispiel die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung sowie der Ausbau von Glasfasernetzen und 5G-Technologie vorangetrieben werden.

Ausländische Investoren kommen langsam zurück

Tatsächlich entdecken immer mehr Unternehmen den Standort Griechenland für sich. So will beispielsweise Microsoft eine Milliarde Dollar in den Aufbau von drei Datenzentren seiner Cloud-Computing-Plattform Azure investieren. Der Pharmariese Pfizer hat vor wenigen Wochen ein Zentrum für digitale Innovationen in Thessaloniki eröffnet. Insgesamt sollen hier demnächst bis zu 700 Arbeitsplätze entstehen.

Auch deutsche Firmen haben bereits in Griechenland investiert. Darunter die Softwareunternehmen Teamviewer aus dem baden-württembergischen Göppingen und P&I aus Wiesbaden. Beide haben ihre Niederlassungen in Ioannina aufgemacht – ein Standort, der als Tech-Standort zunächst nicht unbedingt auf der Hand liegt.

Ioannina, die Hauptstadt der Region Epirus, liegt im Nordwesten Griechenlands, mitten in den Bergen, etwa drei Autostunden von Thessaloniki entfernt und ist bislang vor allem bekannt für ihre unberührte Natur und ihre Milchprodukte wie beispielsweise Feta-Käse.

Viel Potenzial an Fachkräften

Doch ein entscheidender Faktor hierherzukommen, sei die Nähe zu den vier Universitäten im Einzugsgebiet von Ioannina, sagt Giorgios Karagiannis. Er ist Standortleiter von P&I in Ioannina. Erst im vergangenen Monat hätte P&I die drei Jahrgangsbesten des Informatik-Departments eingestellt.

Mit 13 Beschäftigten hat das Unternehmen beginnen, mittlerweile sind es über 130. Und im kommenden Jahr wollen sie nochmals 70 Leute einstellen. Allerdings geht ihnen langsam der Platz aus.

Deshalb soll schon bald in unmittelbarer Nähe der Universität ein neuer Tech-Hub entstehen, ein Gelände, das ganz nach den Bedürfnissen von Unternehmen insbesondere aus dem IT-Bereich konzipiert ist. Und: Es haben sich bereits andere Firmen bei Karagiannis nach den Bedingungen und Erfahrungen in Ioannina erkundigt.

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