Jubel nach dem Sieg gegen Hertha BSC
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Jubel nach dem Sieg gegen Hertha BSC

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Der FC Bayern sucht weiter nach einem gemeinsamen Rhythmus

Der FC Bayern hat die Tabellenführung zurückerobert - doch das Spiel gegen Hertha BSC zeigt: Einen gemeinsamen Takt haben die Münchner noch nicht wieder gefunden. Weder auf dem Spielfeld, noch auf der Tribüne.

Über dieses Thema berichtet: Blickpunkt Sport am .

Trotzig brüllten Thomas Müller und Joshua Kimmich "Deutscher Meister wird nur der FCB" nach dem 2:0-Sieg über Berlin in Richtung Münchner Südkurve. Ein Mantra, das in den vergangenen Jahren stete Gewissheit war, aber dessen Wahrheitsgehalt nun so unsicher ist wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Der 0:2-Sieg gegen Hertha BSC - oder vielmehr der überraschende Punktverlust von Borussia Dortmund gegen den VfL Bochum - hat die Münchner wieder in die Position gebracht, aus eigener Kraft am Ende dieser Saison die Meisterschale auch ein elftes Mal in Folge in die Höhe zu stemmen.

Doch wer das Spiel gegen die Hertha verfolgt hat, der dürfte so seine Zweifel haben, ob die Mannschaft in ihrem aktuellen Zustand tatsächlich die Kraft hat, den schwierigen Saisonendspurt ohne weitere Ausrutscher überstehen zu können. "Unser Selbstvertrauen ist gerade nicht das allergrößte", sagte Thomas Tuchel nach dem Spiel bei DAZN und ließ dabei durchscheinen, dass auch bei den Münchnern etwas existiert, was es eigentlich in der Bayern-Kabine qua Klub-Motto nicht geben darf: Selbstzweifel.

Kein Rhythmus, keine gemeinsame Spielidee

Denn dafür hat diese Mannschaft schon zu viele Titel gewonnen, zu oft die Bundesliga dominiert, zu viele wichtige Spiele für sich entschieden. Doch gegen Hertha sah man auf dem Platz eine verunsicherte Mannschaft, die auch im achten Spiel unter Thomas Tuchel noch nicht ihren Rhythmus gefunden hat.

Spielfluss gab es beim Rekordmeister keinen. Die eingespielten Abläufe, das blinde Verständnis, bis zur 69. Minute vermisste man sie fast gänzlich. Dann schickte Joshua Kimmich einen Chip-Ball in Richtung Kumpel Serge Gnabry, der per Flugkopfball zum 1:0 verwandelte. Ansonsten sah man viele Ballverluste im Spielaufbau, so wie den von Kimmich in der fünften Minute: Ein Fehlpass auf fünf Meter, der Florian Niederlechner erreichte und die Bayern-Abwehr zum Wackeln brachte. Und auch den Rest der Partie spielte Bayern nur selten direkt, sondern verschob behäbig.

Der FC Bayern ist derzeit ein kopfloses Gebilde

Das Spiel der Münchner wirkt kopflos. Alte Leistungsträger wie die Doppelsechs Kimmich-Goretzka suchen seit Wochen ihre starke Form, mit der sie in der Vergangenheit eine der besten Schaltzentralen Europas gebildet hatten. Der jahrelange Leader Müller findet sich unter Tuchel in wichtigen Spielen auf der Bank wieder. Und Manuel Neuer kann nach seinem Skiunfall nur tatenlos zusehen.

Auffällig Impuls- und lautlos ergab sich der FC Bayern gegen Hertha seinem Schicksal. Kein sichtbares Aufbäumen, keine lauten Schreie, kein Anpeitschen. Dieser Sieg gegen den Tabellenletzten wurde nicht erzwungen. Dass die Zuspiele von Kimmich, anders als gegen Mainz oder Hoffenheim, den Mitspieler fanden, machte den Unterschied. Sonst erinnerte vieles auch an diese Spiele.

Hainer vermeidet Bekenntnis zu Kahn

Und auch auf der Tribüne merkte man, dass die Chefetage schon lange kein eingespieltes Orchester mehr ist. So vermied Präsident Herbert Hainer ein Bekenntnis zum Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn. "Glauben Sie mir, wir konzentrieren uns jetzt alle auf das Sportliche", sagte Hainer auf eine entsprechende Frage: "Ansonsten analysieren wir und debattieren über die Gesamtlage. Wir besprechen das in aller Ruhe intern und sehr umsichtig, so wie man das vom FC Bayern gewohnt ist."

Der angezählte Sportvorstand wollte von einem Abschied aus München nichts wissen: "Selbstverständlich bin ich (nächste Saison, d. Red.) noch hier", sagte Kahn. "Es gibt sicherlich hier und da Gesprächsbedarf: Wo können wir uns verbessern? Aber das ist alles Zukunftsmusik." So verstimmt hat man Dirigenten beim FC Bayern München wohl seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt.

Kahns Zukunft liegt in den Händen seiner Spieler

Die Entscheidung über Kahns Zukunft soll in der Sitzung am 22. Mai fallen, zwischen dem 33. und 34. Bundesliga-Spieltag. "Vielleicht haben wir ja bis dahin schon die Meisterschaft entschieden", sagte Hainer. Das Wichtigste sei, "was unten auf dem Platz passiert - und dass wir die elfte deutsche Meisterschaft gewinnen".

Kahns Zukunft liegt also in den Händen dieser verunsicherten Münchner Mannschaft, die speziell seit der Nagelsmann-Entlassung ihren Rhythmus verloren hat. Vielleicht hilft es ja, sich gebetsmühlenartig das altbekannte Mantra in den Kopf zu klatschen: "Deutscher Meister wird nur der FCB". Zumindest bei den altbekannten Führungskräften könnte dieses Spiel gegen Hertha etwas ausgelöst haben: "Da simma wieder. Jetzt holen wir uns das Ding!" brüllte Müller nach dem Spiel in der Mixed-Zone. Jetzt müssen die Spieler nur auf dem Platz beweisen, dass der alte FC Bayern tatsächlich auch zurück ist.

Münchens Serge Gnabry bejubelt sein Tor zum 1:0.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe
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Serge Gnabry

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