Ich hielt es zunächst für einen Witz. Wir waren gerade fertig mit unseren Dreharbeiten für einen Beitrag über den Dartclub Torpedo's aus Geiersthal. Ob sie mir das Darten beibringen würden, wollte ich am Ende wissen. "Du kannst doch gleich in der Bundesliga mitdarten. Im April spielen wir gegen den Deutschen Meister", war die Antwort. Ich musste lachen. Doch Kapitän Jörg Wittenzellner meinte das tatsächlich ernst. Ich, der absolute Dartanfänger, in der Bundesliga? Gegen den Meister? Eine verrückte Vorstellung. Noch verrückter mit Blick auf den Kalender. Das Spiel stand schon sieben Wochen später an. Ich habe trotzdem zugesagt. Aber von vorn.
"Papa hat mal Bundesliga gespielt"
Der Dartclub Torpedo's hat Geschichte geschrieben. Sieben Mal in Folge ist der Verein aufgestiegen – von der untersten Klasse bis in die Bundesliga. Dort spielen die Geiersthaler seit dieser Saison. Der Ort hat knapp 2.200 Einwohner und ist damit das kleinste Dorf in Deutschlands Eliteliga.
Als wir diese Story für uns entdeckten, war mir nicht klar, dass ich selbst in Kürze ein Torpedo sein würde. Doch meinen Kindern irgendwann sagen zu können, Papa hat mal in der Bundesliga gespielt, reizte mich. Denn im Fußball – und den allermeisten anderen Sportarten – ist der Zug mit 42 Jahren wohl abgefahren. Und möglicherweise hat hier und da das Talent auch nicht gereicht ...
Training mit "Knuddelbär" - einem ausgebildeten Darttrainer
Ob ich Talent im Darts habe, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich habe in meinem Leben vielleicht zehnmal an einer Dartscheibe gestanden und Pfeile geworfen. Immer aus Spaß, meist spätabends und in feuchtfröhlichem Zustand. Und so sah das dann auch in etwa aus, als ich unter strenger Beobachtung von Christopher Schlag im Vereinsheim der Torpedo's – der Apostroph im Namen ist übrigens gewollt – die ersten Pfeile fliegen ließ.
Schlag, genannt "Knuddelbär", ist ausgebildeter Darttrainer. Ihm war sehr schnell klar, dass wir bei den Basics anfangen mussten. Also Pfeile weg und erstmal den Grundablauf trainieren.
Basis-Training mit Holzdübeln und Farbfeldern statt Pfeilen
Ich warf Holzdübel auf einen Schuhkarton, zog Farbplättchen und musste die entsprechenden Felder auf einer extra dafür gefertigten Scheibe treffen. Christopher beobachtete, korrigierte, kommentierte. Ein Crashkurs für den blutigen Anfänger – mit Motivationsschub durch den Trainer am Ende: "Bei der Wurfhaltung bist du top, da brauche ich nichts machen." Musik in meinen Ohren.
Fünf Stunden habe ich an diesem Tag im Vereinsheim der Torpedo's verbracht. In einem richtigen Dartkeller ohne Fenster. Dafür mit Theke und sechs Scheiben. Irgendwo zwischen einer Autowaschanlage und einem Sonnenstudio an der B85 im Bayerischen Wald. Hier war sie also nun gestartet, meine Karriere als Bundesligadarter.
Auf zum Dartshop: Eigenes Equipment für Training daheim
Ziemlich schnell war klar: Ohne eigenes Equipment zu Hause zum Üben würde es nicht gehen. Deshalb stand ich schon kurze Zeit später im Dartshop von Georg Markgraf in Deggendorf. "Die Pfeile der Topstars sind genau für deren Bedürfnisse konzipiert", erklärte er mir. Es machte also keinen Sinn, sofort zum Pfeil des Weltmeisters zu greifen. Nach vielen Versuchen fand ich ein Wurfgerät, das zu mir zu passen schien. Dazu eine Scheibe, eine Umrandung, ein Licht, ein Teppich mit Abstandsholz – 230 Euro ließ ich an diesem Tag in Georgs Shop.
Stundenlanges Heimtraining gegen den Computer
Von da an hieß es: Jeden Tag üben, üben und nochmal üben. Oft zwei bis drei Stunden. Über ein Programm, das ich mir heruntergeladen hatte, gegen den Computer, um zumindest ein bisschen Wettbewerb zu simulieren. Und mein Niveau wurde tatsächlich schnell besser. Der Ablauf verfestigte sich, die Würfe wurden präziser.
Das Ziel eines Darters ist ja nicht etwa das "Bullseye" in der Mitte, sondern zunächst immer die "Triple 20". Das kleine Feld des inneren Rings bringt 60 Punkte und damit die Maximalpunktzahl auf der Scheibe.
Im Darts: Alkohol erlaubt, Doping verboten
Nach vier Wochen intensiven Trainings zu Hause musste ich wieder unter Menschen, unter Mitspieler, vor allem zu Trainer Christopher. Und die große Frage lautete: Habe ich mich verbessert? "Schöner Durchzug, ein ganz anderes Bild als am Anfang." Ich atmete vor Erleichterung tief durch.
Dann ließ mich Vorständin Andrea noch eine Anti-Doping-Vereinbarung unterschreiben. Ja, tatsächlich, auch im vermeintlichen Kneipensport Darts ist Doping verboten. "Alkohol ist aber erlaubt?", lautete meine Gegenfrage. Andrea bejahte das. Und ich sollte noch erfahren, dass ihre Antwort definitiv der Wahrheit entsprach.
"Shadys" Generalprobe
Eine Woche vor dem großen Spiel stand meine Generalprobe an. Ich sollte Wettbewerbsluft schnuppern, in der untersten Liga bei der vierten Mannschaft der Torpedo's. Ich durfte im Doppel mit Kapitän Michael Hellmann antreten. Vorher erhielt ich aber noch mein eigenes Trikot mit meinem Spitznamen. "Shady" – dank meines Nachnamens verfolgt dieser mich schon lange. Und auch die Social-Media-Community hatte sich in einer Abstimmung für "Shady" entschieden. Naja.
Letzter entscheidender Wurf auf die "Doppel-Vier"
Dann wurde es tatsächlich ernst. Beim Doppel werfen die Spieler immer abwechselnd. Es wird bei 501 Punkten gestartet. Wer zuerst exakt auf 0 herunterwirft, gewinnt. Ein Spiel kann man allerdings nur über den äußeren, schmalen Ring der Scheibe oder das innere Bullseye beenden, die jeweils doppelte Punkte bereithalten. Ich konnte mich auf meinen Partner Michael verlassen, er spielte gut. Und so hatte ich die Chance, das erste Leg, also die erste Runde 501 auf null, zu beenden. Acht Punkte standen für uns noch auf der Tafel. Somit musste ich die "Doppel-Vier" treffen. Der erste Wurf ging knapp daneben, der zweite saß! Was für ein Gefühl! Jubel im Vereinsheim! Ich ballte die Faust.
Wurfhand zittert vor Nervosität
Das Spiel lief gut für uns – vor allem dank Michael. Aber auch mir gelangen unter Wettbewerbsbedingungen einige ordentliche Würfe. Und das, obwohl mir zu Beginn vor Nervosität sogar die Wurfhand zitterte. Schließlich gewannen wir das Duell mit dem Doppelteam der DJK Dornwang mit 3:1. Und auch das Gesamtmatch konnte unsere Mannschaft für sich entscheiden. Mein erster Sieg als Dartspieler! Ich dachte nur: "Jetzt kann die Bundesliga kommen!"
Der große Tag: Im Bus Richtung Bundesliga
Und eine Woche später war es so weit. Ein Samstagmorgen, Anfang April, 6.15 Uhr. Treffpunkt an der A3 bei Straubing. Unser Spiel gegen den Deutschen Meister Karlsruher SC fand in der Nähe von Kaiserslautern statt. In der Dartbundesliga kommen an einem Ort immer drei Mannschaften zusammen, um Reisestress und -kosten zu verringern. 450 Kilometer mit dem Bus lagen vor uns. 450 feuchtfröhliche Kilometer, wie sich herausstellen sollte.
Cuba Libre um 7.30 Uhr
Um 7.30 Uhr kam Kapitän Jörg an meinen Platz im Bus und überreichte mir einen Becher. Cuba Libre am Morgen. Ungewohnt, sehr ungewohnt. Aber tatsächlich trinken selbst viele Weltklassespieler vor ihren Duellen. Alkohol nimmt die Nervosität. Gesund ist das nicht. Und in der Szene wird aktuell auch über Doping durch Alkohol diskutiert. Aber spätestens nach der zweiten Mischung aus Rum, Cola und Limette musste ich zugeben, dass es auch mir in dem Moment half, lockerer zu werden.
Willkommen bei "Nostra Dart Mus"
Nach über sechs Stunden mit Partymusik, alkoholischen Getränken und Leberkassemmeln waren wir da. Thaleischweiler-Fröschen, der zweitkleinste Ort der Dartbundesliga und Heimat des Vereins "Nostra Dart Mus". Als wir die Gaststätte betraten und die Treppe zum Spielort hinaufstiegen, war die Nervosität wieder da. Erstmals traf ich auf die Deutschen Meister vom Karlsruher SC. Doch noch war nicht klar, wer mein Gegner sein würde.
Der Meister des Meisters
Erst einmal einwerfen, dachte ich mir. Auch wenn meine Würfe nichts Gutes erahnen ließen. Teilweise traf ich die Scheibe gar nicht. Die beiden Kapitäne gaben ihre Aufstellungen ab. Das geschieht verdeckt. Jörg hatte mich auf Position vier gesetzt, dort sollte ich im Einzel antreten. Und dann war klar, gegen wen ich werfen musste. Dragutin Horvat – einer der besten deutschen Darter, WM-Teilnehmer, seit 25 Jahren an der Scheibe. "Ach du Sch…", dachte ich nur. Mein Pulsschlag erhöhte sich massiv.
Mein fulminanter Start
Horvat wurde mir als arrogant angekündigt. Auf mich machte er aber einen sympathischen Eindruck. Vermutlich, weil ich ihn wissen ließ, dass meine Dartkarriere gerade einmal sieben Wochen alt war. Unser Spiel begann. "Zwanzig", "zwanzig", "Doppelzwanzig" – ich legte einen fulminanten Start mit 80 Punkten hin und konnte es selbst kaum glauben.
Doch das beeindruckte Horvat wenig. Der zweimalige WM-Teilnehmer benötigte nur 16 Würfe, um das erste Leg für sich zu entscheiden – das Bestmögliche ist ein Neun-Darter. Im zweiten Leg lief es ähnlich. Aber im dritten waren wir tatsächlich auf Augenhöhe. Ich erzielte mit 94 Punkten meine Höchstpunktzahl an diesem Tag. Wenn dein Gegner dann aber mit einer 180, der Maximalpunktzahl, kontert, weißt du, dass es wahrscheinlich nicht reichen wird. Und so war es dann auch. Horvat sicherte sich auch dieses engere dritte Leg und anschließend auch das letzte. Er gewann mit 4:0.
Eine großartige Erfahrung
Gegenüber meinem Team hatte ich ein schlechtes Gewissen. Doch Kapitän Jörg stand immer noch hinter seiner Entscheidung, mich mitdarten zu lassen: "Das war super für den Verein und für den Dartsport. Mehr Werbung kannst du nicht haben." Schließlich hatten wir alles mit der Kamera begleitet. Und auch mein Gegner Dragutin Horvat fand lobende Worte: "Für sieben Wochen war das wirklich gut. Mach' weiter!" Meine erste Enttäuschung war verflogen.
Ich hatte mich nach so kurzer Zeit gar nicht so schlecht geschlagen. Und das im Spiel meines Lebens! In der Bundesliga! Es war eine großartige Erfahrung mit einem großartigen Verein. Ein komisches Gefühl, dass es nach dieser intensiven Zeit nun zu Ende sein soll. Aber wer weiß, vielleicht ist es das ja nicht.
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