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Mercedes überholt Tesla beim autonomen Fahren

Die Verkehrsbehörde in Kalifornien hat Mercedes als erstem Autobauer die Erlaubnis erteilt, Autos zu verkaufen, die beim autonomen Fahren "Level 3" erreichen. Damit hat Mercedes seinen Konkurrenten Tesla beim selbstfahrenden Auto überholt.

In den Großräumen Los Angeles und San Diego oder der San Francisco Bay Area darf Mercedes künftig Autos mit dem konzerneigenen "Drive Pilot" verkaufen und vermieten. Für Autos mit dem System heißt das: Der Fahrer darf auf Autobahnen die Hände vom Steuer und den Blick von der Straße nehmen und zum Beispiel ein Video anschauen, E-Mails schreiben oder die Zeitung lesen. Mit dieser Level-3-Zulassung beim selbstständigen Fahren überholt Mercedes den amerikanischen Elektro-Autobauer Tesla.

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Wichtiges Argument im HighTech-Staat Kalifornien

Gerade im Technologiestaat Kalifornien ist autonomes Fahren bei Limousinen, wie Mercedes sie baut, ein wichtiges Verkaufsargument. Zudem überholen die Schwaben ihre amerikanische Konkurrenz auf dem heimischen Markt: Immerhin 16 Prozent der globalen Auslieferungen von Tesla-Fahrzeugen gehen nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters nach Kalifornien.

Technischer Hintergrund: Tesla-Eigenbau gegen Nvidia

Damit setzt sich die Technologie-Strategie von Mercedes gegenüber Tesla zunächst durch: Während die Firma von Technik-Milliardär Elon Musk nämlich die Chips für das eigenständige Fahren selbst entwickelt, arbeitet Mercedes mit dem amerikanischen Chip-Entwickler Nvidia zusammen. Außerdem nutzt Tesla derzeit nur Kameras in seinen Autos mit Selbstfahrtechnik, Mercedes dagegen setzt zusätzlich auf den Einsatz von Lasersensoren.

Einige Einschränkungen für den Einsatz des "Drive Pilot"

Die kalifonische Verkehrsbehörde hat die Zulassung des Level-3-Systems von Mercedes allerdings mit bestimmten Beschränkungen versehen: Der "Drive Pilot" darf nur auf Autobahnen, nur bei Tageslicht und nur bei Geschwindigkeiten von umgerechnet bis zu 60 Stundenkilometern in Betrieb genommen werden. Zudem muss der Fahrer, spätestens acht Sekunden nachdem ihn das Auto dazu auffordert, wieder die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen.

Als Fahrer E-Mails schreiben im dichten Berufsverkehr

Diese Einschränkungen - vor allem die Beschränkung auf eine Geschwindigkeit von höchstens etwa 60 km/h auf Autobahnen - klingen zunächst so, als könnten sie potenzielle Käufer abschrecken. Wer aber den dichten Verkehr rund um die Metropolen im US-Bundesstaat Kalifornien vor allem zur Rush-Hour kennt, kann sich vorstellen, dass dort ein selbstfahrendes Auto, das dem Fahrer die Möglichkeit gibt, E-Mails zu schreiben oder bei einem Video zu entspannen ohne auf den Verkehr achten zu müssen, auch bei für eine Autobahn vergleichsweise niedriger Geschwindigkeit durchaus geschätzt werden könnte.

Auslieferung in den USA noch in diesem Jahr

Mercedes ist mit dem "Drive Pilot" der bereits auch um US-Bundesstaat Nevada und in Deutschland zugelassen ist, weltweit führend beim autonomen Fahren. Die ersten Autos, in denen das System als Sonderausstattung eingebaut ist, sollen nach Angaben des Stuttgarter Konzerns noch dieses Jahr in den USA ausgeliefert werden.

Autonomes Fahren ist in fünf Levels eingeteilt

Es gibt fünf Kategorien für selbstfahrende Autos. Level 1 ist das Niedrigste: Das Auto hat Assistenzsystem eingebaut, die zum Beispiel selbstständig einparken. Heute sind solche Assistenzsysteme in vielen Neuwagen bereits Standard. Bei Level 2 hilft das Auto in bestimmten Fahrsituationen beim Lenken, Bremsen und Beschleunigen, der Fahrer muss aber ständig bereit sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen, muss also die Hände immer am Steuer haben.

Level 3: Keine Hand mehr am Steuer

Anders bei Level 3: Auf der Autobahn fährt das Auto alleine und der Fahrer kann sich anderen Dingen widmen: Er kann zum Beispiel Zeitung lesen. Allerdings muss er nach einer bestimmten Zeitvorgabe die Kontrolle wieder übernehmen können. Level 4 bedeutet, dass das Auto in vielen Verkehrssituationen und bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen alleine fährt. Der Fahrer muss nur noch selten selbst eingreifen.

Wirklich autonomes Fahren ist noch Zukunftsmusik

Level 5 schließlich bezeichnet das vollständige autonome Fahren: Das Auto fährt immer alleine und erkennt und entschärft selbstständig alle Risiken und gefährlichen Verkehrssituationen. Dieses Level hat bislang kein Autobauer weltweit erreicht. Vorstellbar wäre aber, dass vor dem Hintergrund der Entwicklung von immer leistungsfähigeren KI-Systemen, auch dieses Level in nicht allzu ferner Zukunft zumindest in Versuchsumgebungen geschafft werden kann.

Haftungsfrage nicht abschließend geklärt

Etwas unklar und widersprüchlich stellt sich die Situation dar, wenn es um die Haftung bei möglichen Verkehrsunfällen geht. Auf eine entsprechende Anfrage des Handelsblatts antwortet Mercedes sehr defensiv und verweist auf "ein gut etabliertes Rechtssystem zum Bestimmung der Haftung auf Straßen und Autobahnen" in den USA. Diese Bestimmungen würden auch greifen, wenn der "Drive Pilot" eingesetzt werde. "Mit anderen Worten: Die alten Regeln sind die neuen Regeln," schreibt der Autokonzern.

Risiko Image-Schaden bei Unfällen mit "Drive Pilot"

Diese Haltung könnte Mercedes aber bei möglichen Unfällen, in denen der "Drive Pilot" eingeschaltet war, auf Dauer schaden. Denn nach mehreren Unfällen im Zusammenhang mit autonomen Fahren ist Konkurrent Tesla in den USA nicht nur vonseiten der Behörden unter Druck geraten, sondern auch das Image des Elektroautobauers hat diesbezüglich einige Kratzer bekommen.

Mit Material von Reuters

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