Bing Chat – Chatbot der Zukunft oder Quelle für Falschinformation?
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Bing Chat – Chatbot der Zukunft oder Quelle für Falschinformation?

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Landtagswahl: Wenn Microsofts KI-Chatbot falsch liegt

Die Organisation "AlgorithmWatch" hat Microsofts "Bing Chat" untersucht. Das Ergebnis: Beim Thema "Landtagswahl in Bayern" macht der Chatbot Fehler und bringt Kandidaten und Skandale durcheinander. Ergänzt durch "Dein Argument".

Am Sonntag, den 8. Oktober, wird in Bayern der neue Landtag gewählt. Fragt man jedoch den KI-Chatbot "Bing Chat" nach dem Termin der Wahl, erhält man womöglich ein anderes Ergebnis: nämlich den 15. Oktober.

Es ist nicht der einzige Fehler, den die gemeinnützige Organisation "AlgorithmWatch" bei ihren Untersuchungen entdeckt hat. So kann es auch sein, dass der Chatbot behauptet, bei der Flugblattaffäre sei es um die Corona-Impfung gegangen. Auch Spitzenkandidaten und Umfragewerte bringt der Bot durcheinander, oder er erfindet Zahlen und Namen.

Was ist Bing Chat?

Bing Chat ist ein KI-Chatbot, der auf dem gleichen KI-Modell wie ChatGPT basiert. Der Name Bing stammt von Microsofts gleichnamiger Suchmaschine, an die der Chatbot auch angeschlossen ist. So soll der Chatbot – anders als ChatGPT – auch aktuelle Informationen geben können.

Microsoft hat Bing Chat im Frühjahr als Erweiterung der klassischen Internetsuche vorgestellt. Seitdem hat der Konzern in das Marketing für Bing Chat investiert, und sogar ein Enterprise-Produkt für Unternehmen angeboten.

Wie zuverlässig ist Bing?

Doch wie zuverlässig ist Bing in der Praxis wirklich? Viele KI-Sprachmodelle haben nämlich dasselbe Problem: Sie können "halluzinieren": Das bedeutet, sie geben Antworten, die zwar plausibel klingen, aber falsch sind. Im Zweifelsfall lohnt es sich deshalb, durch eine Internetsuche zu überprüfen, ob der Chatbot die Wahrheit sagt oder nicht.

Halluzinationen müssen kein Problem sein. Wenn man eine KI nutzt, um damit einen Geburtstagsgruß zu verfassen oder Namensideen für ein Baby zu brainstormen, sind Fakten eher zweitrangig. Anders war es im Frühjahr etwa beim Fall von Marvin von Hagen – einem Münchner Studenten, über den Bing Chat behauptete, er sei "eine Gefahr". Auch schien der Chatbot ihm indirekt zu drohen – obwohl er als künstliche Intelligenz nicht zu menschlichen Emotionen fähig ist.

Vorsicht bei KI und Politik

Auch bei politischen Themen, wie nun der Landtagswahl in Bayern, ist Vorsicht geboten. AlgorithmWatch zufolge sollte man es sich zweimal überlegen, ob man den Chatbot nach konkreten politischen Themen fragt – möglicherweise könnte Bing eine richtig klingende, aber eigentlich falsche Antwort geben. Wie häufig die Fehler auftreten, kann AlgorithmWatch nicht benennen.

"Die offensichtlichen Probleme mit Bing Chat, die diese Untersuchung zutage gefördert hat, zeigen ein grundsätzlicheres Problem in der zu unkritischen Verwendung von KI", sagt Karsten Donnay, Assistenzprofessor für politische Verhaltensforschung und digitale Medien an der Universität Zürich, der die AlgorithmWatch-Recherche beraten hat. "Unternehmen bringen aktuell Produkte auf den Markt, die, wie es scheint, einfach noch nicht verlässlich genug funktionieren."

Der Wahlkampf der Zukunft?

Auch bei anderen Wahlen könnten Chatbots in Zukunft eine Rolle spielen. "Es sind 13 Monate bis zur US-Wahl und neun Monate bis zur Europawahl", erinnert Politikberater und Wahlkampfexperte Julius van de Laar. "Jetzt Produkte auf den Markt zu werfen, bei denen wir die Konsequenzen nicht wirklich absehen können - das ist aus einer Demokratieperspektive natürlich gefährlich. Gleichzeitig kann ich aber auch den Gedanken eines Produktmanagers oder einer Vorständin von Microsoft verstehen, die sagt: In diesem digitalen Wettlauf mit Google und anderen Akteuren dürfen wir auf keinen Fall ins Hintertreffen geraten."

Van de Laar kann sich vorstellen, dass KI im Wahlkampf ein wichtiges Werkzeug werden könnte: "Es erinnert mich an den ersten "Big Data"-Wahlkampf 2012 in den USA – es war eine Stimmung wie im Wilden Westen. Etwas Neues war plötzlich in der Welt und viele waren komplett überrumpelt. Die Politik hinkte hinterher. Ähnliches sehen wir heute wieder."

Microsoft: Probleme teilweise behoben

Ein Sprecher von Microsoft erklärt auf Anfrage von BR24, die Ergebnisse von Bing Chat würden stetig verbessert. "So haben wir in den letzten Wochen eine Reihe von Änderungen vorgenommen, bereits einige der Antworten korrigiert, die der Bericht als Beispiele nennt", so Microsoft. Auch weiterhin wolle der Konzern in Verbesserungen investieren.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion unter anderem aufgrund von Kommentaren der Nutzer "fraenki" und "DBoy" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.

Was ist künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz ist der Oberbegriff für fast alles, was Maschinen lernen und sich selbst beibringen können. Wichtige Begriffe, die unter KI fallen, sind "Machine Learning", "Deep Learning" und "Natural Language Processing". Der Begriff Künstliche Intelligenz im gegenwärtigen Diskurs beschreibt die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.

KI sorgt dafür, dass technische Systeme ihre Umwelt wahrnehmen können, mit ihrer Wahrnehmung arbeiten und Probleme lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der Computer empfängt Daten (über Sensoren wie beispielsweise Kameras), verarbeitet sie und kann darauf reagieren.

KI-Systeme analysieren ihre Aktionen und deren Folgen, lernen selbstständig und können ihr Handeln anpassen und autonom arbeiten. Bei KI-Chatbots handelt es sich um "generative“ Systeme, die selbstständig neue Gedanken und Zusammenhänge hervorbringen können. Sie sind per Definition kreativ - und damit immer auch ein bisschen unberechenbar und fehleranfällig. 💬

Der BR24 Kandidaten-Check:

BR24 Kandidaten-Check: Wofür stehen die Direktkandidatinnen und -kandidaten der Landtagswahl in Bayern? Ihnen allen haben wir dieselben Fragen zu den relevantesten Themen des Wahlkampfs gestellt, mehr als 800 haben teilgenommen. Geben Sie im Tool Ihren Wohnort, Stimmkreis oder Ihre Postleitzahl ein und finden Sie heraus, wie die Bewerber geantwortet haben:

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