Ausstellungsplakat
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Ab sofort ist die Ausstellung "Unsere Menschen" im Ingolstädter Stadtmuseum zu sehen.

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"Unsere Menschen" - Ausstellung zu Sinti und Roma in Ingolstadt

"Unsere Menschen" – so sprechen die deutschsprachigen Sinti und Roma von einander. Diesen Titel trägt die neue Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt über die NS-Zeit. Und gibt damit den Opfern der grausamen NS-Verfolgung Namen und Gesichter.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

"Vom Krieg habe ich da drin gar nichts mitbekommen im Lager. Nur dass die Menschen grundschlecht waren. Die haben kein Mitgefühl gehabt. Wenn Sie gesehen hätten, wie sie die Kinder gegen die Wand geschlagen haben", die Stimme von Robert E. bricht. Der heute 85-Jährige kämpft mit den Tränen. Seine erste Kindheitserinnerung ist die an das Konzentrationslager in Auschwitz.

Unvorstellbares Leid hat er dort erfahren – weil er zur Gruppe der Sinti und Roma gehört. Seine und die Geschichte vieler weiterer Menschen der Sinti und Roma erzählt die neue Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt: berührend, schockierend und schonungslos.

NS-Verfolgung der Sinti und Roma

Neben den einzelnen Schicksalen gibt die Ausstellung auch einen Überblick über die historischen Ereignisse der damaligen Zeit. Die Infotafeln mit den Geschichten der Menschen sind über viele Wollfäden in Rottönen miteinander verbunden – wie ein Netz spannen sie sich durch die Ausstellung. Zitate und Geschichten der Menschen sind in Magenta hervorgehoben.

In der Mitte der Ausstellung eine magentafarbene Wand. In weißer Schrift stehen dort die Namen der Menschen. Lange habe sie geschwiegen und ihre Geschichte, ihr Leid nicht erzählt. Wenig war der Öffentlichkeit bekannt. Ein Grund für Agnes Krumwiede, die Ausstellung ins Leben zu rufen: "Ich bin einfach der Überzeugung, dass eine Ausstellung ein ganz wichtiger Pflock gegen Rechtsextremismus ist. Und ich glaube, wer diese Ausstellung besucht, dem wird auch klar, im Gegenüber immer zuerst den Menschen zu sehen und nicht den Anderen."

Eine Ausstellung mit den Menschen

Agnes Krumwiede war es wichtig, eine Ausstellung mit den Menschen zu machen, nicht über sie. So war sie auch nur möglich, weil die Zeitzeugen und ihre Angehörigen bereit waren, über das Erlebte mit all seinen Schrecken zu sprechen. Unzählige Gespräche führte sie mit Zeitzeugen und bekam dadurch einen tiefen Einblick in ihre Leben. Davon profitiert die Ausstellung. Sie ist immer nah am Menschen, an seinem Schicksal und Leid.

Und da ihre Geschichten nicht mit dem Zweiten Weltkrieg enden, geht auch die Ausstellung weiter und berichtet von den Problemen, die die Menschen bei Entschädigungsleistungen hatten, wie Täter nahezu ungestraft ihr Leben fortführten und wie auch heute noch Diskriminierung von Sinti und Roma stattfinden. "Im Wahlkampf 2017 gab es Plakate, die ganz konkret Stimmung gegen Sinti und Roma machten", berichtet Krumwiede. Auf einer Tafel sieht man das. Auch das war für viele Zeitzeugen ein Grund, ihr Schweigen zu brechen.

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Sonja B. hat die grausame Verfolgung der NS-Zeit überlebt.

Zeitzeugen brechen Schweigen

Erzählen wollte auch Sonja B.. Heute ist sie fast 90 Jahre alt. Mit ihren 20 Geschwistern lebte sie während des Kriegs in Wien. 13 von ihnen kamen nach Auschwitz. Das Schicksal ihrer Schwester Anna und deren Kinder kann sie nicht vergessen: "Sie sollte unterschreiben, dann wäre meine Schwester woanders hingekommen und nur die Kinder wären vergast worden. Das wollte meine Schwester aber nicht." Sie stirbt mit ihren Kindern in der Gaskammer.

Sonja hat mit ihrer Mutter Wien verlassen. Überlebte hat sie, weil ihre Mutter den "Zigeuner-Referenten" angefleht hatte, sie aufs Land ziehen zu lassen. Der Mann gab ihnen die nötigen Dokumente. Sie konnten gehen und kamen nicht ins Konzentrationslager. Vergessen kann sie aber nicht. Wie alle anderen. Robert E. berichtet: "Manchmal träume ich davon. Doch in letzter Zeit ist es besser geworden. Jetzt erst."

Gegen das Vergessen

"Es sollen alle erfahren", das sagte Zilli Schmidt, Überlebende, zu Agens Krumwiede als sie ihre Geschichte erzählt. Mittlerweile ist sie gestorben. Ihr Anliegen aber wird mit der Ausstellung umgesetzt. Und auch Robert E., der eigentlich nicht über seine Geschichte sprechen wollte, meint: "Ich bin einer der Letzten. Und es soll nicht vergessen werden."

Dass es nicht vergessen wird, dafür leistet die Ausstellung einen elementaren Beitrag. Sie ist noch bis zum 17. März im Stadtmuseum in Ingolstadt zu sehen.

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