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Trauerbegleiter fordern mehr Anerkennung (Symbolbild).

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Trauerbegleiter: Die Zeit heilt nicht alle Wunden

Trauerbegleiter unterstützen Angehörige nach dem Tod geliebter Menschen. Bisher müssen die Kosten dafür privat geschultert werden. Das kritisieren Trauerbegleiter, ebenso wie die fehlende Anerkennung.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Kerstin Klein war 44 Jahre alt, als ihr ältester Sohn Tobias starb. "Er hätte so gerne seinen zwölften Geburtstag noch gefeiert. Aber das hat er leider nicht mehr geschafft", erinnert sich Klein. "Als mein Sohn verstorben war, bin ich erst mal in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Man würde es wahrscheinlich mit einer Depression umschreiben. Ich habe oft tagelang im Bett gelegen und einfach gehofft, dass die Zeit rumgeht."

Um mit der Situation besser umgehen zu können, trafen sich Kerstin Klein und ihr Mann regelmäßig mit der Seelsorgerin eines Palliativnetzwerks. Später gingen sie zu Gruppentreffen einer Initiative für verwaiste Eltern. Diese Trauerbegleitung hat den Eltern geholfen, mit dem Tod von Tobias besser umgehen zu können.

Rituale, die das Trauern erleichtern

Tobias' Tod ist mittlerweile zehn Jahre her. Er war an Leukämie erkrankt. Jahrelang versuchten Ärzte sein Leben zu retten, vergeblich. "Bei diesen Trauer-Treffen gibt es viele Rituale. Es werden Kerzen angezündet, wir kommen untereinander ins Gespräch. Und es ist gerade dieser Austausch, der so wertvoll ist, weil das Gegenüber kennt diesen vernichtenden Verlust, diesen Schmerz, den alle verwaisten Eltern erleiden", sagt Kerstin Klein.

Geholfen hat ihr in dieser Zeit auch, ihre Gedanken in einem Blog aufzuschreiben. Daraus entsteht nun ein Buch, das bald veröffentlicht werden soll. Heute, sagt Klein, führe sie wieder ein glückliches Leben – mit Tobias in ihrem Herzen. "Wenn ich mit meiner Trauer alleine gewesen wäre, hätte ich gar nicht gewusst, wie ich aus dieser Trauer herausfinden sollte", sagt Klein. "Es gibt ja das Sprichwort: Zeit heilt alle Wunden. Aber es gibt so viele wohltuende Rituale, die einem die Trauer einfach ein wenig erleichtern."

Professionelle Trauerbegleitung als Hilfe

Davon ist auch Marlene Lippok überzeugt. Die Kulturwissenschaftlerin ist auch professionelle Trauerbegleiterin in Augsburg. "Trauerbegleitung ist einfach ein Angebot für trauernde Menschen, um den Trauerprozess zu unterstützen beziehungsweise positiv zu beeinflussen", sagt Lippok. Das kann ganz unterschiedliche Formen annehmen: Einzelgespräche, in der Gruppe, mit Ehrenamtlichen oder eben mit professionellen Trauerbegleitern, die eine spezielle Ausbildung gemacht haben. Doch dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, kostet Geld – bei Marlene Lippok sind es 60 Euro pro Stunde.

Funktionierende Trauerkultur fehlt

Traditionell ist die Trauerbegleitung in der Hospizbewegung und in den Kirchen verankert. Die Techniker Krankenkasse weist beispielsweise darauf hin, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen Hospize und so indirekt auch Trauerbegleitung förderten. Trotzdem sterben verhältnismäßig wenig Menschen im Hospiz – und immer weniger fühlten sich der Kirche verbunden, sagt die Kulturwissenschaftlerin Marlene Lippok. "Letztendlich füllen die Trauerbegleiterinnen ja eine Lücke in der Gesellschaft im Umgang mit Trauer, weil wir über keine gute oder funktionierende Trauerkultur mehr verfügen, die trauernde Menschen auffängt", so Lippok.

Trauernde oft isoliert

Die 39-Jährige engagiert sich in der sogenannten Trauertaskforce. Das ist eine Initiative, die Trauer enttabuisieren und normalisieren möchte. Marlene Lippok kritisiert, dass es für trauernde Berufstätige nur wenig Sonderurlaub gibt.

"Auch im privaten Umfeld ist es so, dass trauernden Menschen relativ schnell signalisiert wird, dass sie doch wieder funktionieren sollen. Trauernde Menschen berichten auch oft davon, dass sie sich isoliert fühlen, dass ihnen Gesprächspartner fehlen", schildert Lippok ihre Erfahrungen.

Trauerbegleitung muss bisher privat finanziert werden

Problematisch ist, dass jeder sich aktuell Trauerbegleiter nennen darf, egal ob er zwei Tage oder zwei Jahre Ausbildung hinter sich hat. Und: Trauerbegleiter müssen privat bezahlt werden. Der GKV, Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, begründet, Trauerbegleitung sei deshalb keine Regelleistung, weil Trauer eben auch keine Krankheit sei: "Trauer gehört zum Leben dazu. Deswegen gehören Angebote im Trauerfall wie Trauerbegleitung auch nicht zu den Regelleistungen der Krankenkassen", so eine Sprecherin.

Dennoch könnten die Kassen Angebote zur Trauerbegleitung machen, so die GKV. Das würde sich auch Marlene Lippok wünschen. Die Krankenkassen könnten die Trauerbegleitung ähnlich finanzieren, könnte sie sich vorstellen, wie sie es etwa mit Yogastunden tun.

Trauer nicht als Krankheit ansehen

"Potenziell trauern alle Menschen", sagt Carmen Birkholz, Vorsitzende des Bundesverbands Trauerbegleitung. Sie warnt davor, Trauer zu pathologisieren. Zwar könnten Krankenkassen Trauerbegleitung möglicherweise als Präventionsleistung bezuschussen. Aber Birkholz fordert von der Politik, auch unabhängig von den Krankenkassen über Finanzierungsmodelle für Trauerbegleitung nachzudenken. "Trauerbegleitung sollte eine Leistung sein, die wir solidarisch als Gesellschaft allen Menschen ermöglichen, die sie brauchen."

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