Devrim Lingnau als Elisabeth von Wittelsbach, Philip Froissant als Kaiser Franz Joseph
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"Die Kaiserin" gewinnt den internationalen Filmpreis Emmy für die beste Dramaserie

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Rebellin Elisabeth? So ist der Emmy-Gewinner "Die Kaiserin"

Man sollte meinen, die Geschichte des bayerischen Wildfangs, der als Sisi mit hüftlangem perlengeschmückten Haar zur Ikone wurde, ist längst zu Ende erzählt. Mitnichten. Das zeigt die Neuauflage des Stoffs, die den Emmy als beste Dramaserie gewann.

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"Nenn' mich Elisabeth", korrigiert sie gleich zu Anfang die Mutter, die unausgesetzt ihre "Sisi" ermahnt. Auf ihrem Pferd am Starnberger See begegnet sie anfangs als ein echter bayerischer Wildfang: ungestüm, ungehorsam und unberechenbar. Aber mit der lieblichen "Sissi", die wir aus dem Klassiker von Ernst Marischka (mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen) kennen, will die Elisabeth (Devrim Lingnau) in der Netflix Miniserie "Die Kaiserin" nichts zu tun haben. Diese Elisabeth weiß, was sie will: frei sein, stets sagen, was sie denkt, und tun, wonach ihr ist.

Eine Rebellin, keine Prinzessin

Das kann unter den Bedingungen des Wiener Hoflebens des 19. Jahrhunderts nur zu heftigen Konflikten und Dramen ohne Ende führen – und das tut es auch. Mit ihrem Auftauchen am Hof bringt Elisabeth alles durcheinander: Kaiser Franz Joseph, der, statt wie geplant Elisabeths Schwester Helene, nun Elisabeth als Verlobte verkündet. Den Hofstaat, angeführt von Gräfin von Esterházy (Wiebke Puls), auf dessen Etikette Elisabeth pfeift, Sophie, die rigide Mutter ihres Bräutigams, dessen intriganten Bruder Max und das aufrührerische Volk, das so viel echtes Mitgefühl von einer Herrschenden noch nie erfahren hat.

In sechs etwa einstündigen Folgen erzählt die Miniserie von Autorin Katharina Eyssen allein von den ersten eineinhalb Jahren der Kaiserin am Wiener Hof, der Hochzeit 1854 bis zur Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind Sophie. Hier steht eine junge Elisabeth im Zentrum, die Franz Joseph liebt, aber sich ihre Zähne selbst putzen will, die es hasst, von ihren Zofen angekleidet und unausgesetzt begleitet zu werden. Eine Elisabeth, die mitten in die Konsultationen des Kaisers platzt und sich gegen das "heilige Ritual der Unschuldsprüfung" wehrt: Vor der Eheschließung schauen Bischof und Hofarzt gemeinsam nach, ob bei Elisabeth die (jungfraulichen) Bedingungen für eine Eheschließung erfüllt sind.

Mit dem Fokus auf die "Rebellin" Elisabeth – wie Drehbuchautorin Eyssen sagt –, rückt allerdings alles, was man sich – zumindest vor Diana – unter einer Prinzessin vorstellt, in den Hintergrund.

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Wiebke Puls spielt die Gräfin von Esterházy, die Elisabeths Hofstaat vorsteht

Pracht ohne Glanz

Das ist zwar eine moderne Auffassung der österreichischen Kaiserin, aber leider auch eine etwas eindimensionale: Was dem Film, trotz aufwändiger Kostüme und Settings fehlt, ist alles Strahlende: Reiz und Glanz der Pracht. Das betrifft Form wie Inhalt: Der ganze Reichtum des Hoflebens erscheint nur als Verschwendung, als sei er von keinem mehr gewollt.

Das entspricht zwar dem Blick des verarmten, aufständischen Volks, das das Schloss umlagert und zunehmend bedroht, aber es ist nur die halbe Wahrheit. Schließlich ist es neben ihrer Natürlichkeit und ihrem Charme auch dieser Glanz, der Elisabeth als "Kaiserin der Herzen" später ihre Macht verlieh. Man will beim Schauen die Helligkeit auf dem Bildschirm unwillkürlich erhöhen, so düster sind viele der Szenen.

Dabei fängt die Serie ganz anders an: Elisabeth erobert das Herz des Kaisers, als sie einem kleinen Vogel, der sich im Palast verfangen hat, die Freiheit schenkt und schlägt damit ihr Thema an: Gefangen im goldenen Käfig. Nur, dass der Käfig in den darauffolgenden Folgen der Serie nicht mehr golden ist: Zu schwarz-weiß und verstaubt sind die Gebote bei Hof, zu feindselig und voller Zwist alle Verhältnisse, die sie umgeben. "Der Akt muss vollzogen werden, Schmerzen sind normal", wird Elisabeth vor der Hochzeitsnacht unterrichtet. "Diese Vereinigung dient nicht dem Vergnügen, sie ist für Gott, das Heilige Habsburger Reich". ...."Wenn etwas sich nicht biegt, muss man es brechen".

Zu viel Drama in den ersten Jahren am Hof

Besonders fällt das bei der dritten Folge, der Hochzeit, auf: Drehbuchautorin Eyssen packt in den Festtag so viele Konflikte hinein, dass die Hochzeit schier untergeht: einen Aufruhr von Aufständischen vor der Kirche, den Zwang des Kaisers, der nur Frieden will, sich zwischen den Kriegsparteien Frankreich und Russland zu positionieren, eine Intrige von Bruder Max gegen Franz Joseph, den Elisabeth hart beschimpfenden Vater... So zerfasert diese Hochzeit, trotz einer sehenswerten modernen Tanzeinlage, in lauter einzelne düstere Geschichten.

Es war bis vor kurzem unklar, ob die Serie fortgesetzt wird, vielleicht sind die gezeigten ersten eineinhalb Jahre deshalb so überladen mit Unglück und Konflikten, die sich erst im späteren Leben der Kaiserin entfalten – angefangen vom Tod ihrer Kinder, über ihre seelische Erkrankung bis hin zum eigenen gewaltsamen Tod. Und vielleicht wird die jetzt geplante Fortsetzung der Serie eine Kaiserin zeigen, die mit Macht versucht, sich in ihrem goldenen Käfig zu befreien: Also eine erwachsene Elisabeth, die klug mit Ungarn verhandelt, politische und soziale Reformen durchsetzt und schon mit ihrem ungeheuren Fitnessfuror zeigt, dass Selbstoptimierung funktioniert, aber auch seine Grenze hat.

Im Video: Trailer zu die "Die Kaiserin"

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