Autor Joachim Engel aus Schweinfurt mit dem eigenen Buch
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Autor Joachim Engel aus Schweinfurt mit dem eigenen Buch

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Selbst ist der Autor: Self-Publisher auf der Buchmesse

Zur Frankfurter Buchmesse (18.-22. Oktober) setzt sich ein Trend fort: Immer mehr Autoren verlegen ihre Werke selbst. Für dieses sogenannte "Selfpublishing" gibt es gute Gründe. Das zeigt ein Beispiel aus Unterfranken.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Einmal im Leben selbst ein Buch schreiben, davon träumen viele Menschen. Und immer mehr machen es auch. Doch sie schreiben nicht nur ein Buch – sondern bringen es sogar noch selbst auf den Markt. Sie heißen "Selfpublisher" – und ihre Zahl wächst.

Einer von ihnen ist Joachim Engel aus Schweinfurt. Er hat bisher fünf Romane und Kurzgeschichten geschrieben – und er veröffentlicht seine Werke eigenständig. Sein Manuskript einfach an einen Verlag zu senden, erschien ihm aussichtslos. "Verlagshäuser werden mit Texten überschwemmt, man kann vermuten, dass sie dort nicht einmal mehr gelesen werden", sagt er. Und Engel sah noch eine weitere Hürde. "Ich habe oft gehört, dass man seine Bücher ohne einen Agenten überhaupt nicht mehr auf den Markt bringen kann", erläutert der Autor. Das bestätigt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Bei 70.000 Neuerscheinungen pro Jahr mache die Hilfe eines Agenten Sinn, der "in der Branche bereits Fuß gefasst hat und einen Verlag für einen Autor anspricht", so der Landesverband Bayern.

Besser auf eigene Faust

Für seinen ersten Roman wollte Engel noch mit einem kleinen Verlag in Franken kooperieren. "Doch der Verleger verlangte 2.500 Euro Startkapital." Im Gegenzug sollte Engel für jedes verkaufte Exemplar einen Euro bekommen. "Damit hätte ich mehrere tausend Bücher verkaufen müssen, um zumindest meine Investitionen auszugleichen." Das erschien Joachim Engel weder realistisch noch lukrativ, zumal er selbst noch Werbung und Vertrieb seines Buches organisieren sollte.

Seitdem setzt er auf "Book on Demand" (BoD). Für ihn nicht anders, als "wenn man ein Fotobuch erstellt und ausdruckt." Engel macht alles selbst, auch die Gestaltung und das Cover. "Am Ende ein Klick, ich zahle 25 Euro an BoD, werde bei Amazon gelistet und anschließend kann jeder mein Buch dort oder bei einer Buchhandlung kaufen." Dazu kommen später noch Kosten, um die Daten für die Druckvorlage zu erhalten.

Gruppe Schweinfurter Autoren

Engel ist seit vier Jahren auch Mitglied in der "Gruppe Schweinfurter Autoren", die seit fast 30 Jahren existiert. Keines der zehn Mitglieder ist Profi-Schriftsteller. Wer Selfpublishing betreibe, "will einfach, dass sein Buch auf den Markt kommt", erklärt Johanna Bonengel, Sprecherin der Gruppe.

Wie viele Autoren ihre Bücher, wie Joachim Engel, mittlerweile selbst auf den Weg bringen, ist schwer zu beziffern. Nach Auskunft des Verbandes der Selfpublisher gibt es dafür keine absoluten Zahlen. Ein Fingerzeig ist für die Organisation allerdings die wachsende Zahl ihrer Mitglieder. Sie stieg im ersten Halbjahr 2023 von 1.200 auf 1.440 Autoren. "Ein deutlich höherer Anstieg als in den Vorjahren", bekundet Tamara Leonhard, Vorsitzende des Verbands.

Börsenverein: Entwicklung nicht aufzuhalten

Nach ihren Beobachtungen überlegen auch Autoren, die normalerweise in Verlagen veröffentlichen, nun immer öfters, ein neues Projekt als Selfpublisher zu realisieren. "Es wird selbstverständlicher, mal so und mal so zu publizieren", so Leonhard. So sieht es auch der bayerische Landesverband im Börsenverein. Bei Selfpublishern handelt es sich "um eine Entwicklung, die sich nicht aufhalten lässt", hört man von dort. Doch der Verband geht davon aus, "dass sich ein Publikum für alle finden lässt". Zumindest haben sich Verlage mit der "Konkurrenz" bereits arrangiert.

Auch für Tamara Leonhard besteht bei aller Konkurrenz ein gutes Miteinander. Zumal es mittlerweile etliche "Hybrid-Autoren" gebe, die Bücher sowohl in Verlagen als auch auf eigene Faust veröffentlichen. Printausgaben benötigen vor allem Selfpublisher, die auf Buchmessen gehen oder ihren Vertrieb durch viele Lesungen organisieren. Gerade sie versuchen, selbst "aktiv in den Buchhandel zu kommen", so Leonhard.

E-Books sind das Hauptgeschäft

Gleichwohl bleiben für sie Internet und E-Book das Hauptgeschäft für ihre Veröffentlichungen, weil der Zugang einfacher ist. Wie Joachim Engel nutzen Selfpublisher dafür Dienstleister wie Book on Demand oder Amazon, die vieles aus einer Hand bieten, so auch den Druck von Büchern. Wobei Print-on-Demand nach Leonhards Urteil "mittlerweile qualitativ sehr hochwertig" ist.

Das bestätigt Engel nur zum Teil. Das Taschenbuch, das BoD für ihn produzierte, war gut. "Aber als ich mein Hardcover-Buch in der Hand hielt, bin ich fast verzweifelt." Er entdeckte einige Fehler, obwohl er alle Angaben nach Vorschrift hochgeladen habe. Auch für andere Aufgaben wie den Vertrieb von Büchern haben sich Firmen, etwa Nova MD, etabliert.

Kernproblem Finanzierung

Kernproblem für Selfpublisher bleibt die Finanzierung. Wie Joachim Engel tragen die meisten ihre Kosten selbst. "Es gab aber auch Autoren, die ein erfolgreiches Crowdfunding für ihr Werk betrieben haben", erklärt Tamara Leonhard. Immerhin muss ein Autor "keinen Verlag gründen und braucht auch keinen Gewerbeschein, um sein Werk zu veröffentlichen" – sofern er nicht selbst einen Shop für Bücher unterhält. Da Joachim Engel nicht vom Ertrag seiner Bücher lebt, sei er "ein Kleinstunternehmer", erklärt der pensionierte Polizeibeamte.

Immer wieder nehmen Verlage auch Selfpublisher in ihr Programm auf. Zumal während oder nach einer erfolgreichen Veröffentlichung. Oder sie grasen selbst den Selfpublishing-Markt über Bestsellerlisten, Social Media oder durch eigene Abteilungen nach spannenden Produkten ab, um Buchverfasser gezielt anzusprechen. Sagt Tamara Leonhard. Dies hänge allerdings vom Verlag ab. Sagt der Börsenverein. Große Verlage beschäftigen Scouts, die "den Markt beobachten und nach Perlen suchen, um sie für sich zu gewinnen." Und eine Perle ist, wer als Selfpublisher erfolgreich ist.

Mehr oder weniger Erfolg

Verlag oder Selfpublishing? "Wer den Apparat eines Verlags schätzt, der das Marketing für ihn übernimmt oder Lesereisen organisiert, der ist in einem Verlag richtig", so der Börsenverein. "Lieber angestellt sein oder selbständig?", diese Frage aus dem Wirtschaftsleben hält der Verband für Selfpublisher dagegen. Praktische Hürden, also die Produktion eines Buches, sprechen nicht mehr gegen Eigeninitiative. Welcher Erfolg damit erzielt wird, ist Definitionssache. Einer Selfpublisherin sei es gelungen, ihre vierteilige Reihe an Netflix zu verkaufen. "Andere sehen bereits einen Erfolg darin, wenn sie eine Auflage von 2.000 Exemplaren verkauft haben", so Leonhard.

Joachim Engel setzt sich bezüglich seiner Auflagen kein Ziel. Auch kann und will er mit seinen Büchern keinen großen Gewinn erzielen. "Ich schreibe und produziere Bücher in erster Linie für mich selbst", führt er an. Trotzdem geht die Rechnung für ihn auf. Ein Drittel vom Verkaufspreis bekommt er, das zweite Drittel kassiert BoD ein und das letzte Drittel der Buchhandel. Für seinen Eigenbedarf an Büchern zahlt er ebenfalls ein Drittel an BoD. Er setzt sie durch regelmäßige Lesungen in Buchhandlungen und Seniorenheime ab. Auch der örtliche Buchhandel unterstützt ihn.

Was sollten Selfpublisher beachten?

Als Leitmotiv gibt Tamara Leonhard künftigen Selfpublishern an die Hand: Nicht alles selbst machen, sondern sich um alles selbst kümmern! "Es ist sinnlos, wenn eine Schwester ein Cover malt oder eine Nachbarin Korrekturen liest", bekräftigt die Verbandsvorsitzende. Stattdessen müsse sehr darauf geachtet werden, ein gutes Produkt zu erstellen. Dann müssten verschiedene Angebote von Distributoren bezüglich Laufzeiten, Tantiemen oder Kündigungsfristen verglichen werden. Und, dringender Rat von Tamara Leonhard: Über soziale Medien mit anderen Selfpublishern vernetzen und deren Empfehlungen annehmen.

Joachim Engel, der sein erstes Buch vor sieben Jahren veröffentlichte, sieht in Selfpublishing "auf jeden Fall viel Sinn". Selbstkritisch merkt er an, dass ein professioneller Verlag "mich wohl auch nicht aufnehmen würde". Ob er dies jedoch überhaupt wollte, steht auf einem anderen Blatt. "Das ist ein hartes Geschäft", davon ist Engel mittlerweile überzeugt. Man dürfe nicht den Druck unterschätzen, den Verlage selbst auf langjährige Autoren ausüben.

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