Vier Jahrzehnte lang eine Münchner Institution: "Lillemors Frauenbuchladen" in der Barer Straße
Bildrechte: BR

Vier Jahrzehnte lang eine Münchner Institution: "Lillemors Frauenbuchladen" in der Barer Straße

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

"Lillemors Frauenbuchladen" kommt ins Archiv der Monacensia

Eine Münchner Institution kommt ins Archiv: Nach über 40 Jahren schloss im Juli der Münchner Frauenbuchladen "Lillemors". Während die Ladengeschichte nun in der Monacensia aufgearbeitet wird, arbeitet ein neues Team schon an der Wiedereröffnung.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Andrea Gollbach hält ein Foto in der Hand, darauf zu sehen ist das beschmierte Schaufenster ihres damaligen Geschäfts. "Linke Lesbenschweine" steht dort. Eine Erinnerung an die dunklen Kapitel in der Geschichte des Münchner Frauenbuchladens "Lillemors". Natürlich hätten sie damals Anzeige erstattet, erzählt die Gründerin. "Aber passiert ist natürlich nie was."

Die Geschichte des Buchladens landet im Archiv

Über 40 Jahre lang haben Gollbach und ihre Partnerin Ursula Neubauer den ersten Frauenbuchladen Deutschlands betrieben, zuerst in der Arcis-, später in der Barer Straße. Ende Juli haben Neubauer und Gollbach das Geschäft geschlossen. Doch ihr Lebenswerk bleibt bestehen. Denn die Akten und Dokumente des "Lillemors" wandern in die Münchner Monacensia, ein öffentliches Museum und Archiv, das sich selbst das literarische Gedächtnis der Stadt nennt.

Für sie gehe damit ein "Traum in Erfüllung", sagt Neubauer im BR-Interview. Und für die Monacensia ein dringender Wunsch. Das Archiv hat nämlich Lücken identifiziert in seiner Sammlung zur Stadtgeschichte. Vor allem weibliche und migrantische Stimmen fehlten, sagt der Leiter Thomas Schütte. "Und es fehlen Institutionen, die einfach wichtig waren. Und so eine Institution ist eben 'Lillemors Frauenbuchladen'."

"Lillemors" in den Siebzigern: Ein Safe Space für Frauen

Schon kurz nach der Gründung 1975 war "Lillemors" weit mehr als ein Buchladen, erklären die ehemaligen Betreiberinnen. Weil Männer in den Anfangsjahren nicht hineindurften, entstand hier ein, wie es heute heißen würde, "Safe Space" für Frauen.

"Misshandlungen, sexueller Missbrauch, diese ganzen Sachen, die ein solches Tabu waren in dieser Gesellschaft, wurden im Buchladen offen besprochen", erinnert sich Neubauer. "Das war auch der Grund, warum da keine Männer rein sollten. Wir wollten, dass die Frauen einen Ort zum Sprechen haben, ohne dass die Männer ihnen gleich wieder sagen, wie das Leben so sein soll."

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Geschichte in Kartons: Die ehemaligen Betreiberinnen Andrea Gollbach und Ursula Neubauer mit dem Archivar Thomas Schütte

Die Betreiberinnen verkauften nicht nur Bücher. Sie hatten ein offenes Ohr für die Probleme von Frauen, planten feministische Proteste, verstanden sich als antikapitalistische Gegenkultur. Abtreibungen, Unterdrückung, häusliche Gewalt, auch das waren Probleme, mit denen Frauen ins "Lillemors" kamen. "Manchmal saßen wir abends da und dachten: Boah, was war das wieder für ein Tag. Aber es musste sein!"

Nachfolgerinnen wollen den Buchladen inklusiver gestalten

Und jetzt? Lange haben die Gründerinnen nach würdigen Nachfolgerinnen gesucht – nun sind sie fündig geworden. Die Promotionsstudentinnen Nadine, Stine, Johanna und Sebastian waren selbst Kunden bei "Lillemors", jetzt wollen sie dem Laden ein neues Gesicht geben: feministisch, queer und inklusiv. "Für uns ist es aber auch wichtig, so ein Raum zu sein, wo die Nachbarschaft auch zusammenkommen kann, der eben nicht nur von uns geführt wird, sondern auch von den Leuten außerhalb", erklärt Nadine.

Feministisch wollen sie sein, sich politisch aber noch breiter aufstellen. Und anders als in den 70er-Jahren sollen von Anfang an auch Männer in den Buchladen dürfen. "Das Konzept: Männer sind nicht erwünscht, gab es ja nur ganz zu Anfang in der Arcisstraße", meint Nadine. "Und ich denke, man muss sowas immer im Kontext sehen. Damals hat es einfach mehr Sinn gemacht, da war es eher so eine Art Frauenhaus. Aber ich glaube, jetzt sind wir in einer Zeit, wo wir einen Feminismus brauchen, der auch von den Männern mitgetragen wird."

Im Oktober soll der Buchladen wieder aufmachen. Einen neuen Namen gibt es noch nicht. Der muss, wie es für ein feministisches Kollektiv üblich ist, zuerst noch im Plenum ausgehandelt werden.

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Neues Team vor altem Laden: Im Oktober soll die Buchhandlung wiedereröffnet werden

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!