Pilgernde Mönche am Goldenen Fels, Kyaikto, Myanmar, 1994
Bildrechte: Steve McCurry

Pilgernde Mönche am Goldenen Fels, Kyaikto, Myanmar, 1994

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Lebensgeschichten: Der neue Band "Devotion" von Steve McCurry

Steve McCurry ist der vielleicht bekannteste lebende Fotograf der Welt. Viele seiner Aufnahmen sind Ikonen. Etwa das afghanische Mädchen mit den leuchtend grünen Augen. Sein neues Buch "Devotion" hat er im Amerikahaus in München vorgestellt.

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Er ist gerade vom Flughafen angekommen und checkt im Hotel ein. Steve McCurry steht an der Rezeption im Münchner Viertel Lehel, scherzt mit dem Personal. Natürlich hat er sein Foto-Equipment in einem extra stabilen Rollkoffer dabei. Den gibt er nicht aus der Hand. Dazu eine kleine Sporttasche - mehr braucht's nicht.

Er hat noch nicht gefrühstückt, deshalb schnell ein Cappuccino und ein bisschen Gebäck. "Wir können ruhig schon mit dem Interview anfangen", sagt er mit vollem Mund. Also los! Die erste Frage - wer, wenn nicht er, weiß das: Was macht ein gutes Foto aus? "Ein gutes Foto", sagt McCurry, "bewegt dich, du kannst es nicht vergessen! Es berührt dich und es erzählt eine gute Geschichte!"

McCurrys Fotografien zeigen die Traditionen, Rituale und Besonderheiten einer Gemeinschaft

Steve McCurry hat unzählige solcher Fotos gemacht. Mit leuchtenden Farben, emotionalen Momenten und Gesichtern, aus denen man Lebensgeschichten ablesen kann und die man nicht vergisst. Oft zeigen McCurrys Fotografien die Traditionen, Rituale und Besonderheiten einer Gemeinschaft. So auch im neue Band "Devotion": Etwa wenn ein indigenes Volk aus Papua-Neuguinea mit tönernen Teufelsmasken tanzt oder wenn buddhistische Mönche kopfüber an Stangen hängen.

"Wenn sich Leute in 100 Jahren meine Arbeit anschauen, dann verstehen sie hoffentlich wie das Leben zu unserer Zeit war. Wie wir uns verhalten und angezogen haben, wie bestimmte Zeremonien ausgesehen haben. Ich verstehe meine Arbeit als positive Dokumentation der Welt", sagt der Fotograf. McCurrys Aufnahmen vermitteln Menschlichkeit und Mitgefühl. Das gelingt ihm wahrscheinlich gerade deshalb so gut, weil er auch die andere menschliche Seite aus unmittelbarer Nähe kennengelernt hat.

McCurry rückt ganz nah ran an seine Motive

In den 70er Jahren kaufte sich der bis dahin als Lokalfotograf arbeitende US-Amerikaner ein One-Way-Ticket nach Indien. Der internationale Durchbruch gelang ihm in den 80er Jahren, als er den Krieg in Afghanistan, später in Kuwait dokumentierte: mit Bildern von Soldaten, Kriegsverwundeten und Leichen, "Wir können uns vor den dunklen Seiten des Lebens nicht verstecken. Menschen tun sich schreckliche Dinge an, wie jetzt wieder in der Ukraine oder im Nahen Osten. Darüber müssen wir Bescheid wissen." Aber es gebe auch Hoffnung, sagt McCurry. "Davon leben wir. Die menschliche Natur ist wechselhaft, es gibt viele böse Kräfte, Menschen sind komplizenhaft und ignorant, und gegen diese negativen Eigenschaften müssen wir wachsam sein."

McCurry rückt ganz nah ran an seine Motive. Seine Kamera macht nicht Halt vor Gesichtsfalten, vor schmutziger Kleidung oder kaputten Fenstern. Er fängt Trauer und Schmerz, genauso ein wie Freude oder Kontemplation. Man meint fast, die jeweiligen Porträtierten atmen zu hören und ihre Umwelt riechen zu können.

Man müsse respektvoll sein mit den Leuten, die man fotografiert, sagt McCurry. "Höflich, nicht aufdringlich. Jede Situation verlangt eine eigene Einschätzung. Aber natürlich, ich kann auch nicht zu jedem hingehen und fragen, ob er fotografiert werden will, das würde oft den Moment zerstören. Die Geschichte der Fotografie ist auch das: unangekündigte Beobachtung."

Bildrechte: Bruno Barbey
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Der Fotograf Steve McCurry

Wie sieht es mit der Bildbearbeitung aus?

Was mittlerweile bei fast allen Fotografen zum Tagesgeschäft gehört, nämlich nachträgliche Bildbearbeitung, brachte McCurry 2016 in Erklärungsnot. Er, der Dokumentarfotograf, hat Bilder bearbeitet, von Manipulation war die Rede. McCurry sieht das gelassen: "Das gab es doch schon immer, Fotografen haben ihre Bilder nachbearbeitet, heller, dunkler gemacht, Kontraste angepasst und so weiter, früher in der Dunkelkammer, heute eben am Computer - ich denke, das gehört dazu."

Auch zu seinem berühmtesten Bild, dem "Afghanischen Mädchen", gibt es immer wieder Kontroversen. Hat McCurry das junge Flüchtlingsmädchen ausgestellt, zeigt er asiatische Länder mit kolonialem Blick und unter exotischen Gesichtspunkten? "Wer macht die Regeln?", fragt McCurry, er will sich in keine Kategorie pressen lassen. "Ich bin frei, Fotografie ist für mich wie eine Jazz-Performance."

Und dann, als das Mikro aus ist, zeigt er sein Lieblingsbild. Wieso wurde danach eigentlich nicht gefragt? Grinsend holt McCurry sein Handy aus der Tasche und zeigt einen Schnappschuss seiner sechsjährigen Tochter. Das beste Bild, das er je gemacht habe!

Steve McCurry stellt sein Fotobuch "Devotion" am Dienstag, 14. November 2023, 19 Uhr im Amerikahaus vor. Der Eintritt ist frei.

"Devotion" von Steve McCurry ist im Prestel Verlag erschienen.

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