Antje Rávik Strubel
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Deutscher Buchpreis geht an Antje Rávik Strubel

Antje Rávik Strubel ist mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Die Jury vergab die Auszeichnung am Montagabend in Frankfurt am Main für den Roman "Blaue Frau". Die Autorin nutzte ihre Dankesrede auch für ein sprachpolitisches Statement.

Trend oder nicht Trend? – Das war die Frage, die die Darstellerinnen und Darsteller der großen Buchpreisverleihungszeremonie im Frankfurter Römer umtrieb: die Moderatorin Cécile Schortmann, die erst kundtat, die Fixierung auf thematische Trends verstelle den Blick auf die Besonderheiten der einzelnen Werke und die dann doch immer wieder genau danach fragte; die Frankfurter Kulturdezernentin und ehemalige Literaturkritikerin Ina Hartwig, die Schortmanns Hinweis auf vermeintliche Trendthemen wie Identität und Autofiktionalität abblockte – schließlich gehe es in der Literatur eher um das 'Wie' als um das 'Was'; und auch den Juryvorsitzende Knut Cordsen vom Bayerischen Rundfunk, der den Trend autofiktionaler Literatur zwar anerkannte, gleichzeitig jedoch die "Vielfalt der Sichtweisen und Perspektiven" hervorhob, die den "Reichtum" des deutschsprachigen Buchmarkts ausmachten.

Eine Gewinnerin, die sich den klaren Zuordnungen entzieht

Insofern lag die Gewinnerin gewissermaßen in der Luft. Immerhin gelingt Antje Rávik Strubel in ihrem nun buchpreisgekrönten Werk "Blaue Frau" das Kunststück, solche Trends einerseits zu bedienen und sie doch zugleich vergessen zu lassen. In ihrer Begründung unterstrich die Jury vor allem die "existentielle[] Wucht und poetische[] Dimension" des Romans von Strubel.

Die Potsdamerin veröffentlichte schon mehrere Bücher und wurde bereits mit verschiedenen Preisen geehrt. "Kältere Schichten der Luft" war etwa 2007 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet. Der Roman "Sturz der Tage in die Nacht" stand 2011 immerhin auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Die 1974 geborene Strubel lebt und arbeitet derzeit als Stipendiatin im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg.

"Blaue Frau" erzählt vom Trauma einer Vergewaltigung

Bereits ihre zweite Buchpreis-Nominierung endet für die 47-Jährige nun mit der begehrten Auszeichnung. Mit ihrem Roman "Blaue Frau" setzt sie sich gegen die fünf Mitbewerberinnen und -bewerber der Shortlist durch. Darunter zum Beispiel der Erfolgsautor Christian Kracht, der mit seiner Roadnovel "Eurotrash" ebenfalls als Favorit gehandelt wurde, oder das hochgelobte Debüt "Identitti" der Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal. Überraschend ist die Entscheidung jedoch nicht. Auch Strubels Name wurde im Vorfeld der Verleihung oft genannt.

Die Jury zeichnet einen so virtuosen wie politischen Roman aus: Strubels Text, entstanden in achtjähriger Arbeit, thematisiert die Folgen einer Vergewaltigung – porträtiert eine Frau, der genau das widerfahren ist, auf ihrer Odyssee durch Europa. Und auf der Flucht vor einer Erfahrung, die sich kaum aussprechen lässt.

In einer tastenden Erzählbewegung gelinge es Antje Rávik Strubel, das eigentlich Unaussprechliche einer traumatischen Erfahrung zur Sprache zu bringen, so die Jury. "Im Dialog mit der mythischen Figur der Blauen Frau verdichtet die Erzählerin ihre eingreifende Poetik: Literatur als fragile Gegenmacht, die sich Unrecht und Gewalt aller Verzweiflung zum Trotz entgegenstellt."

Politisches Statement der Autorin

Dem Unrecht stellte sich Antje Rávik Strubel auch in ihrer Dankesrede entgegen. Und zwar dem sprachlichen. Die Autorin nutzte die Bühne, um den "Krieg um Benennung und Bezeichnungen" zu thematisieren. Sie warnte vor dem Hass der sich in solchen Diskussionen zeige. Und kritisierte die Verunglimpfung von Begriffen wie 'politische Korrektheit', die mittlerweile nur noch dazu dienten, jene zu beschmutzen, die sich darum bemühten. Ähnliches habe schon Virginia Woolf zu ihrer Zeit mit Blick auf den Ausdruck 'Feministin' beobachtet.

Eine zeitlose Beobachtung: "Das Internet ist voller Klingel-an-der-Tür-und-renn-weg-Männer", so Strubel am Ende ihrer kurzen Rede. "Gefährlich wird es dann, wenn sie das Ende ihrer jahrhundertealten Meinungshoheit zum Ende der Meinungsfreiheit erklären."

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels seit 2005 jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen "Roman des Jahres" aus. Der Preis ist mit insgesamt 37.500 Euro dotiert: Die Preisträgerin erhält 25.000 Euro, die übrigen fünf Autorinnen und Autoren der Shortlist erhalten jeweils 2.500 Euro.

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