Ein gezeichnetes buntes Buchcover zeigt eine Frau mit schwarzen Haaren
Bildrechte: Rowohlt Verlag

ulia Korbik, Julia Bernhard: "Simone de Beauvoir"

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Das Leben der Feministin Simone de Beauvoir als Graphic Novel

"Man wird nicht als Frau geboren, man wird es", schrieb die Feministin Simone de Beauvoir in ihrem Klassiker "Das andere Geschlecht". Für alle, die sich bisher nicht getraut haben, ein Buch von ihr zu lesen, gibt es jetzt eine Graphic Novel.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Eine Tochter aus gutem Hause, das war Simone de Beauvoir. Ein Schleifchen im Haar, ein Haus auf dem Land, eine gute Schulbildung. Die hatte sie auch dringend nötig, nachdem ihr Vater durch Aktien-Spekulationen den Großteil seines Vermögens und damit auch die Mitgift für seine beiden Töchter verloren hatte.

Für Simone bedeutete das: Sie musste als erwachsene Frau selbst für sich sorgen und konnte nicht auf einen wohlhabenden Ehemann setzen. Was Anfang des 20. Jahrhunderts für andere Mädchen aus gutem Hause ein großer Schock gewesen wäre, war für Simone de Beauvoir ein Befreiungsschlag.

Gegen alle Konventionen

"Ich fand sie unglaublich faszinierend als Person, weil sie dieses 'Ich lebe mein Leben gegen alle Konventionen und stelle alles in Frage und nehme nichts als gegeben hin' total gelebt und das auch konsequent durchgezogen hat", sagt die Comiczeichnerin Julia Bernhard. Zusammen mit der Journalistin Julia Korbik hat sie Simone de Beauvoirs Leben in einen Comic umgesetzt.

Anstatt chronologisch-kleinteilig de Beauvoirs gesamtes Leben nachzuerzählen, legen die beiden den Schwerpunkt auf Simones geistige Entwicklung. Dabei spannt sich der zeitliche Bogen von den 1920er Jahren, in denen Simone studiert und anfängt, ihre Rolle als Frau in der Welt zu reflektieren, bis in die 1970er Jahre, in denen sie maßgeblich den Kampf für Abtreibungsrechte in Frankreich unterstützt.

Feministische Ikone wider Willen

Der Comic zeichnet damit Simones intellektuelle Entwicklung nach, ohne abstrakt und trocken zu sein. Und vor allem zeigen die beiden Macherinnen, wie modern Simone de Beauvoirs Feminismus ist: "Menschenrechte für Frauen sind keine Selbstverständlichkeit, leider Gottes. Waren sie bis in die 70er nicht und heute wird wieder zur Disposition gestellt, inwiefern Frauen Autonomie über ihren Köper haben sollen. Es war uns unglaublich wichtig, dass das Teil des Buches ist", erzählt Bernhard.

Ganz bewusst hätten sich Julia Korbik und Julia Bernhard dafür entschieden, keinen Sachcomic zu gestalten. Ihr Band erinnert an eine andere, gerade ebenfalls populäre Form: Die Coming-of-Age-Geschichte. Ganz nah an der Person Simone de Beauvoir erleben wir, wie die Gesellschaft sie zum Denken anregt. Wie sie als Teenager ihren Glauben an Gott ablegt und damit dem bürgerlichen Milieu den Rücken zukehrt, und wie sie später von der enttäuschten Sozialistin zur feministischen Ikone wider Willen wird.

Kluger Kopf und zweifelnder Mensch

Das Skript und die Dialoge stammen von Julia Korbik, die sich bereits mit ihrem Sachbuch "Oh, Simone" als ausgewiesene Simone-de-Beauvoir-Expertin bewiesen hat. Julia Bernhard macht die Geschichte mit klaren Linien und in existentialistisch anmutenden Schwarzweißtönen lebendig. Ihre Simone de Beauvoir trägt gemusterte Kleider und natürlich ihre ikonische Hochsteckfrisur samt Haarband.

Die beiden zeigen Simone de Beauvoir nicht nur als klugen Kopf, sondern auch als zweifelnden und liebenden Menschen. Wichtig – aber bei Julia Korbik und Julia Bernhard nicht zu wichtig: Jean-Paul Sartre. Begründer des Existenzialismus und Simones langjähriger Partner. Geht es um Simone de Beauvoir, käme man an Sartre nicht vorbei. Die Macherinnen hätten aber Simone als eigenständige Person zeigen wollen, so Julia Bernhard: "Ich glaube auch, dass sie Sartre sehr viel mehr geprägt hat als man ihr das zugesteht. Und es wird oft so vermittelt, dass Sartre praktisch Simone de Beauvoir das Denken beigebracht hat. Julia Korbik glaubt, es war andersherum."

Gebt euren Gedanken Raum, ist die Botschaft

Dass Simone de Beauvoir eine ganz und gar eigenständige Denkerin war, machen Julia Bernhard und Julia Korbik in ihrem klug aufgebauten Comic deutlich. Nicht nur, aber besonders für Leserinnen und Leser, die zum ersten Mal mit Simone de Beauvoir in Berührung kommen, eignet sich der Band hervorragend. Zusammen mit einem aufwändig recherchierten Literaturverzeichnis macht er Lust, es Simone de Beauvoir gleichzutun und so eigensinnig und mutig wie sie eigenen Ideen nachzugehen:

"Es war uns unglaublich wichtig, das darzustellen. Dass diese Gedanken eben auch viel in Rücksprache mit sich selbst entstanden sind. Und vielleicht ist es auch ein Anreiz, wenn jüngere Frauen den Comic lesen: Nehmt euch Zeit für euch selbst. Gebt euren Gedanken Raum, die sind wichtig."

"Simone de Beauvoir. Ich möchte vom Leben alles", Graphic Novel von Julia Bernhard (Zeichnerin) und Julia Korbik (Text). Erschienen im Rowohlt Verlag. 224 Seiten kosten 25 Euro.

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