Der Künstler Flatz zeigt eine naturgetreue Nachbildung seiner Haut und seines Körpers an einem Fleischerhaken hängend in der Pinakothek der Moderne. Bei einer Vernissage seiner Ausstellung «Flatz. Something wrong with physical sculpture» am 8. Februar 2024 wird u.a. die Haut des Künstlers in einer Live Auktion von Christie's in der Pinakothek der Moderne versteigert. Foto: Felix Hörhager/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über die Ausstellung +++ dpa-Bildfunk +++
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Haut-Kunstprojekt des Künstlers Flatz

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Lampenschirm aus Haut: Provokations-Künstler Flatz in Aktion

Seit 1975 mischt der Aktionskünstler Flatz regelmäßig die Kunstszene auf. Jetzt widmen ihm die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne. Flatz bleibt sich treu und garniert die Schau mit provokanten Aktionen.

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"Something Wrong with Physical Sculpture" heißt die Ausstellung mit rund 20 Arbeiten des Aktionskünstlers, die alle um das zentrale Thema seines Schaffens kreisen: den Körper. Flatz versteht seinen Körper als Werkzeug. 1979 zum Beispiel stellte er sich nackt als lebende Dartscheibe zur Verfügung, wer ihn zuerst mit einem Pfeil traf, sollte 500 Mark bekommen: Der elfte Wurf aus dem Publikum verwundete ihn. 1990 ließ sich der Künstler kopfüber zwischen zwei Stahlplatten aufhängen und pendelte wie in Glockenklöppel zwischen den Platten hin und her. Nach fünf Minuten wurde er bewusstlos. Das Video der Aktion auch nur anzuschauen, verursacht körperliche Schmerzen. Der Künstler will mit seinen Aktionen die Verletzlichkeit des Menschen zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig soll das Publikum aus seiner Teilnahmslosigkeit herausgerüttelt werden.

Hautversteigerung im Foyer der Pinakothek der Moderne

Vollen Körpereinsatz der anderen Art verlangt auch die neueste Aktion des 71-Jährigen. Zur Eröffnung der Ausstellung am Donnerstagabend, will der Künstler seine eigene Haut versteigern lassen: Zwölf seiner Tattoos werden dafür nach seinem Tod abgezogen und als Bild bzw. Objekt an die Käufer geliefert, bis dahin gibt’s zur Überbrückung heute Abend erst einmal ein Foto des Tattoos. "Die Haut zu Markte tragen" heißt die Aktion, der Titel gibt einen klaren Hinweis, worum es dem Künstler geht: Eine Kritik an Menschen, die sich selbst und ihre Überzeugungen verkaufen, gerade auch im Kunstbereich. Flatz verweist damit auf die Mechanismen des Kunstmarkts. Das Medieninteresse an der Schau ist seit Bekanntwerden der Haut-Auktion besonders groß, auch das war natürlich einkalkuliert und gehört genau zu jenen Mechanismen, die der Künstler offenlegen will. Durchgeführt wird die Auktion von Dirk Boll, dem Deutschland-Chef des Auktionshauses Christie’s.

Die Idee ist nicht ganz neu

Die Idee ist allerdings nicht ganz neu: Schon 1952 schrieb Roald Dahl die makabre Kurzgeschichte "Haut" zum Themenkomplex Haut, Tattoo und Tod. 2022 lief in den deutschen Kinos ein Film mit dem Titel "Der Mann, der seine Haut verkaufte". Es ist satirisches Drama über einen syrischen Flüchtling, der von einem Künstler dazu überredet wird, sich für Geld – und vor allem für die Hilfe bei der Beschaffung von Ausreisepieren – tätowieren und als Werk des Künstlers ausstellen zu lassen. Er bekommt ein riesiges Schengen-Visum auf den Rücken gestochen. Damit wird er zum Kunstobjekt und der Künstler stellt ihn im Museum aus, verkauft ihn sogar. Der Film basiert auf einer realen Kunstaktion des Belgiers Wim Delvoye: Der Schweizer Tim Steiner ließ sich tätowieren und verpflichtete sich, dieses Tattoo jährlich für ein paar Wochen zu präsentieren. Das Werk wurde tatsächlich verkauft. Nach dem Tod von Tim Steiner soll das Tattoo dem Käufer übergeben werden.

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Der tätowierte Rücken des Künstlers mit der Aufschrift "Physical Sculpture"

Das Neue an der Flatz-Aktion ist nun, dass er seine eigene Haut verkauft. Das Geld aus dem Erlös der Auktion soll übrigens an die Staatlichen Gemäldesammlungen sowie an die Flatz-Stiftung gehen. Doch damit nicht genug, provoziert der Künstler jetzt doch noch einen echten Skandal: Ein 13. Tattoo will er seinem Sohn Norton vermachen. Es ist ein Tattoo auf seinem Unterarm, es zeigt den Schriftzug "Norton" und eine Kinderzeichnung. "Das hat er mit 4 Jahren geschrieben und es ist sein erstes Selbstporträt", erzählt Flatz. Allerdings soll dieses Stück Haut nicht einfach als Bild, sondern zu einem Lampenschirm verarbeitet werden. "Das wird eine Tischlampe werden, wo meine Haut mit deinem Namen deinen Arbeitstisch beleuchtet" habe er zu seinem Sohn gesagt. Gleichzeitig hat er seinem Sohn erzählt, dass es in der Geschichte tatsächlich Lampenschirme aus Haut gegeben habe, nämlich aus der Haut von KZ-Häftlingen. Als "Reflexion der Geschichte“ sei das zu verstehen. Der Künstler stellt die Sache als pädagogische Erklärung dar. Sein Sohn sei in England zur Schule gegangen, da wisse man nicht viel von der NS-Geschichte, er habe ihm dann eben davon erzählt. Auch einem Redakteur der "Bild-Zeitung" erzählte Flatz freimütig von dem 13. Tattoo für seinen Sohn und der geplanten Verarbeitung zu einem Lampenschirm. Die Bild zitiert ihn daraufhin mit dem Satz: "Ich verneige mich damit vor den KZ-Opfern, denen, wenn sie besonders kunstvoll tätowiert waren, nach der Ermordung die Haut abgezogen wurde". Dieser Satz klingt leider zynisch. Sucht der Künstler hier lediglich nach Aufmerksamkeit – auf Kosten der NS-Opfer?

Aufmerksamkeit auf Kosten der NS-Opfer?

Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf diese von der "Bild-Zeitung“ zitierten Satz angesprochen, sagt Flatz: "Das war nicht meine Aussage. Er (der Interviewer von BILD, Anm.d.R.) hat zu mir gesagt, 'könnte man es auch so verstehen', da hab ich gesagt, Sie können das verstehen wie Sie wollen, weil ich die Interpretation nicht vorgebe und die Lesart. Aber der Satz ist nicht von mir gefallen. Aber ich fand es auch nicht negativ, weil das so ein Assoziationsfeld aufgemacht hat."

Geschmacklos? Skandalös? Oder einfach drastische private Bildungsarbeit? Ob es Lampenschirme aus Menschenhaut in der NS-Zeit tatsächlich gegeben hat, ist ungeklärt. Ein fraglicher Lampenschirm befindet sich zurzeit als Falsifikat im Fundus der Gedenkstätte Buchenwald. Es hat allerdings andere Objekte, wie zum Beispiel Geldbörsen aus der Haut von NS-Opfern gegeben. Für die Aktion von Flatz spielt das aber keine Rolle.

Heue Abend (8.2.) um 19 Uhr eröffnet die Schau in der Pinakothek der Moderne in Anwesenheit des Künstlers. Um 19.30 Uhr findet die Benefiz-Auktion "Die Haut zu Markte tragen" statt. Im Anschluss gibt’s Musik von FLATZ / GUTBROD und DJ HELL.

Die Ausstellung "Flatz. Somthing Wrong With Physical Sculpture" ist vom 9. Februar bis 15. Mai in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

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