Beate Zschäpe im NSU-Prozess
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Beate Zschäpe mit ihrem Anwalt Mathias Grasel während des NSU-Prozesses im November 2021

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NSU-Terroristin: Was passiert mit Zschäpes Stimme?

Die Terrorgruppe NSU ermordete zehn Menschen – fünf davon in Bayern. Letzte Überlebende des NSU-Kerntrios ist Beate Zschäpe. Nun gibt es Streit über die Tonaufnahme von Zschäpes Aussage vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss.

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Zur Aufklärung der Morde und Anschläge der neonazistischen Terrorgruppe NSU hat Beate Zschäpe wenig beigetragen. Im Prozess vor dem Oberlandesgericht in München blieb sie weitgehend stumm bzw. gab sie nur schriftliche Erklärungen über ihren Anwalt ab. Darin stritt sie ab, in die konkrete Planung und Ausführung der Terrorserie eingebunden gewesen zu sein und stellte sich selbst als weitgehend harmlos und unschuldig dar. Zu zentralen Fragen, die vor allem viele Hinterbliebene der Mordopfer und Betroffene der Anschläge bis heute belasten, lieferte die Rechtsterroristin keine Antworten: Wie suchte der NSU seine Opfer aus? Hatten die Mörder Unterstützer an den Tatorten – etwa in München und Nürnberg?

Eine Rechtsterroristin steht zum ersten Mal Rede und Antwort

Vor neun Monaten hat Beate Zschäpe ihr Schweigen erstmals gebrochen. Dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags stand sie in nichtöffentlicher Sitzung Rede und Antwort – an jenem Ort, an dem sie nach dem Urteil des Münchner Oberlandesgerichts derzeit ihre lebenslange Haftstrafe absitzt: der JVA Chemnitz. Ihre Aussage wurde damals mitgeschnitten, um so ein möglichst originalgetreues Wortprotokoll erstellen zu können. Nun stellt sich die Frage: Was passiert mit dieser Tonaufnahme? Für den ehemaligen Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses, den Grünen-Politiker Toni Schuberl, ist klar – die Aufnahme muss erhalten bleiben. "Ich gehe davon aus, dass es von Beate Zschäpe keine andere Tonaufnahme gibt", so Schuberl im Interview mit BR24. "Das zeigt auch noch mal, wie bedeutend das Dokument ist."

Soll die Tonaufnahme ins Hauptstaatsarchiv?

Deshalb plädiert Schuberl dafür, die Aufnahme dem bayerischen Hauptstaatsarchiv zu überlassen, wo Dokumente der obersten Staatsorgane Bayerns für die Nachwelt aufbewahrt werden. Einen entsprechenden Beschluss hat der Untersuchungsausschuss in seiner Abschlusssitzung im Juli vergangenen Jahres gefällt – unter der Bedingung, dass Zschäpe keine Einwände hat. Im Beschluss heißt es wörtlich: "Vor Anbietung an das Hauptstaatsarchiv wird die Zeugin informiert und das Ergebnis eines etwaigen Rechtsstreits abgewartet."

Einspruch von Zschäpes Anwalt

Doch Zschäpes Anwalt Mathias Grasel hat Beschwerde gegen die Archivierung der Tonaufnahme eingelegt. Seiner Mandantin sei versichert worden, die Aufnahme diene nur dazu, die stenografische Mitschrift zu erleichtern und werde gelöscht, sobald das schriftliche Protokoll erstellt worden sei, so Grasel in einer Stellungnahme gegenüber BR24:

"Dass der U-Ausschuss dann im Anschluss an die Vernehmung spontan seine Meinung ändert, geht nach meinem Dafürhalten nicht. Ich habe daher entsprechend im Sinne meiner Mandantin reagiert, indem ich der Aufbewahrung widersprochen habe." Mathias Grasel, Zschäpes Anwalt

In Kürze fällt die Entscheidung

Obwohl Grasel die Beschwerde nach eigener Aussage bereits vor einem halben Jahr eingelegt hat, gibt es von Seiten des Landtagsamtes bisher noch keine Entscheidung. Nach Informationen von BR24 soll sie jedoch in Kürze fallen. Nun droht die Löschung – was der grüne Landtagsabgeordnete Toni Schuberl unbedingt verhindern will. Eine Stimme zu hören, sei schließlich viel erhellender, als nur ein Wortprotokoll zu lesen. "Ist eine Antwort aufgeregt oder ruhig gesagt worden, gab es eine lange Pause dazwischen – daraus lässt sich vieles ablesen", so Schuberl.

Sollte die Aufnahme von Zschäpes Stimme doch noch im Hauptstaatsarchiv archiviert werden, würde sie übrigens aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes 30 Jahre lang unter Verschluss bleiben. Erst dann könnten etwa Historiker für Forschungszwecke darauf zurückgreifen.

"Wir sind nicht so blöd, dass wir alles glauben"

Das Wortprotokoll von Zschäpes Aussage vor dem bayerischen Untersuchungsausschuss (externer Link) ist dagegen bereits öffentlich – zu finden auf der Homepage des Bayerischen Landtags.

Darin räumt die 49-Jährige zwar eine Mitschuld an den Taten des NSU ein, weist aber weiterhin jede nähere Tatbeteiligung von sich und beantwortet wichtige Fragen nicht. Dennoch lasse so manches aufhorchen, findet Toni Schuberl. "Also wir sind nicht so blöd, dass wir alles glauben, was sie gesagt hat", betont der ehemalige Ausschussvorsitzende. Wenn Zschäpe aber in der Vernehmung sage, sie wisse nicht, ob weitere Morde passiert seien, dann könne man das auch als Hinweis auf mögliche noch unbekannte NSU-Verbrechen lesen.

Wie groß war Zschäpes Beteiligung an den Morden wirklich?

Auch wenn Beate Zschäpe gegenüber den Abgeordneten des Bayerischen Landtags bei ihrer Linie geblieben ist, sich selbst als weitgehend harmlos darzustellen und höchstens eine moralische Mitverantwortung für die Taten des NSU einzuräumen, so steckt in ihrer Aussage doch durchaus Brisanz.

Reporter des MDR legten unlängst das Wortprotokoll dem renommierten Rechtspsychologen Dietmar Heubrock vor (externer Link). Seiner Ansicht nach lässt sich aus dem Protokoll nicht nur herauslesen, wie sehr Zschäpe versucht, ihre eigene Rolle zu bagatellisieren. Im Fall des mutmaßlich letzten NSU-Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn ließen sich Auslassungen und Fehlleistungen Zschäpes dahingehend interpretieren, dass sie stärker in den Mord involviert war, als sie zugegeben hat.

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