Zugkollision in Griechenland
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Zugkollision in Griechenland: die Suche nach der Unfallursache

Bei der Kollision zweier Züge in Thessalien sind bis jetzt 43 Menschen gestorben. Die Unfallursache ist noch ungeklärt, einiges deutet auf eine Mischung aus technischem und menschlichem Versagen hin. Der Verkehrsminister hat seinen Rücktritt erklärt.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Bei einem Zugunglück in Griechenland sind mindestens 43 Menschen ums Leben gekommen. 57 Verletzte sind weiter in Krankenhausbehandlung, sechs von ihnen lagen zuletzt auf der Intensivstation.

Unglücksursache noch ungeklärt

Laut dem Bahnbetreiber Hellenic war der Passagierzug mit rund 350 Fahrgästen unterwegs, als er in der Nacht in den entgegenkommenden Güterzug krachte. Derzeit suchen die Behörden nach der Ursache des Unglücks. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das elektronische Leitsystem nicht funktionierte, weshalb ein Bahnhofsvorsteher die Züge koordinierte.

Die Polizei nahm diesen vorübergehend fest und verhörte mindestens drei Personen, darunter einen Vertreter des Bahnunternehmens. Der 59-jährige Bahnhofswärter wies Vorwürfe zurück, aus Fahrlässigkeit den Tod der Menschen verschuldet zu haben, und verwies auf technische Fehler.

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis kündigte eine unabhängige Untersuchung an und fügte hinzu, zu dem Unglück sei es anscheinend "hauptsächlich durch einen tragischen menschlichen Fehler" gekommen.

Rücktritt - aber kein Schuldeingeständnis

Als Reaktion ist am Nachmittag der konservative griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurückgetreten. Die aktuelle Regierung habe die griechische Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, so Karamanlis in seiner Begründung. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern, doch leider hätten diese Bemühungen nicht ausgereicht, um einen solchen Unfall zu verhindern. Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen.

Zusammenprall auf freier Strecke

Der Personenzug war in der Nacht zum Mittwoch bei der Ortschaft Tempe nahe der Stadt Larisa in der Region Thessalien mit einem Güterzug zusammengeprallt. Die beiden Züge seien auf der Strecke zwischen Thessaloniki und Larisa auf demselben Gleis aufeinander zu gefahren, sagte der Gouverneur von Thessalien, Konstantinos Agorastos, im Fernsehsender SKAI TV. Waggons entgleisten und fingen Feuer.

Dreitägige Staatstrauer

Die griechische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte an der Unglücksstelle, es handele sich um eine unfassbare Tragödie. "Eines kann ich garantieren, wir werden die Ursache dieser Tragödie finden und alles in unserer Macht stehende tun, dass sich so etwas nie wiederholt." Es handele es sich um das schlimmste Zugunglück in der Geschichte des Landes, teilte die Gewerkschaft der Eisenbahner mit.

Menschliches Versagen als Unfallursache?

Erste Mutmaßungen zur Unfallursache weisen auf menschliches Versagen hin. Medienberichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht - es soll damit schon längere Zeit Probleme gegeben haben. Deshalb seien die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich gewesen. Der Personenzug könnte demnach schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein - auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam.

Der für den Abschnitt zuständige Eisenbahnchef sei bereits festgenommen worden, hieß es im Staatsfernsehen. Auch der Bahnhofsvorsteher der Stadt Larisa befinde sich inzwischen in Gewahrsam, teilte ein Polizeisprecher mit. Andere Eisenbahner und Techniker würden befragt.

Waggons entgleisten und fingen Feuer

Bei dem Zusammenprall sprangen vier Waggons aus den Gleisen, mindestens zwei davon fingen Feuer. Den Angaben der Feuerwehr zufolge saßen in den Wagen etwa 350 Menschen, viele von ihnen erlitten Brandwunden, einige wurden von den Flammen eingeschlossen. Viele der Toten können Berichten zufolge nur per DNA-Test identifiziert werden.

"Im Waggon herrschte Panik, die Menschen schrien", schilderte ein junger Mann das Unglück. "Es war wie ein Erdbeben", sagte Angelos Tsiamouras, ein anderer Passagier. Einsatzkräfte sprachen von einem Bild des Schreckens, das sich ihnen am Unglücksort geboten habe. Auf lokalen Nachrichtenseiten veröffentlichte Bilder zeigen heftige Flammen und dichte Rauchschwaden, die aus den Waggons aufsteigen.

"Waggon eins und zwei existieren nicht mehr"

Ein Teenager, der das Unglück überlebte, sagte Reportern, dass er kurz vor dem Zusammenprall eine starke Bremsung verspürt habe und Funken habe sprühen sehen. Dann sei der Zug ruckartig zum Stehen gekommen. "Unser Waggon entgleiste nicht, aber die weiter vorne - sie wurden zerquetscht", sagte der sichtlich erschütterte Jugendliche. Gouverneur Agorastos erklärte gegenüber dem staatlichen Fernsehen, die Vorderseite des Zuges sei zertrümmert, "Waggon eins und zwei existieren nicht mehr", sagte er, "dies ist eine schreckliche Nacht... Es ist schwer, die Szene zu beschreiben."

Rettungsarbeiten unter schwierigen Bedingungen

Der Sprecher der Feuerwehr, Vassilis Varthakogiannis, erklärte am frühen Mittwoch im örtlichen Fernsehen: "Die Evakuierung der Passagiere findet unter sehr schwierigen Bedingungen statt, da die Kollision der beiden Züge sehr schwer war."

"Die meisten Verletzten haben Kopfverletzungen, gebrochene Becken, Arme und Beine. Es gibt leider zahlreiche Menschen, die noch in den Trümmern sind", sagte ein Mitglied eines Rettungsteams Reportern vor Ort. Die schwerer verletzten Zuginsassen wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, andere mit leichteren Verletzungen wurden zunächst in Bussen abtransportiert.

Bei vielen der Passagiere soll es sich um junge Leute gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags auf dem Weg zurück zur Universität von Thessaloniki waren. Am Bahnhof der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich schon nachts verzweifelte Angehörige, Telefon-Hotlines wurden eingerichtet.

Strecke Athen-Thessaloniki: Probleme bei Verkehrssteuerung

Das Eisenbahnsystem in Griechenland gilt als veraltet und modernisierungsbedürftig. Viele Strecken sind eingleisig. Häufig fehlen automatische Steuerungssysteme. Die Strecke Athen-Thessaloniki wurde in den letzten Jahren jedoch modernisiert. Eisenbahner berichteten dem griechischen Radiosender Real FM, dass es aber dennoch erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrssteuerung gebe.

Die griechischen Eisenbahnen (Hellenic Train) werden von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiano (FS) betrieben, seit die Regierung 2017 im Zuge des Rettungsprogrammes zur Schuldenkrise den Eisenbahnbetreiber Trainose an das italienische Unternehmen verkaufte.

Politiker äußern ihr Entsetzen

Viele Staaten bekundeten ihr Beileid. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu telefonierte mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich erschüttert: "Ganz Europa trauert mit Ihnen", schrieb sie auf Twitter. Ihre Gedanken seien bei den Menschen in Griechenland. Auf Griechisch ergänzte von der Leyen, dass die EU an der Seite Griechenlands stehe.

Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zeigte sich tief betrübt. Sie dankte den Rettungskräften sowie dem medizinischen Personal: "Unsere Gedanken sind nach diesem tragischen Ereignis bei den Menschen in Griechenland." EU-Ratschef Charles Michel äußerte sich ähnlich. Er sei schockiert von den Nachrichten aus Griechenland.

In Griechenland sind in der Nacht ein Güter- und ein Personenzug zusammengestoßen. Einige Waggons entgleisten und fingen Feuer. Mindestens 15 Menschen sollen ums Leben gekommen sein, es ist von dutzenden Verletzten die Rede.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Vaggelis Kousioras
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In Griechenland sind in der Nacht ein Güter- und ein Personenzug zusammengestoßen. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben.

Mit Informationen von ARD-Korrespondent Jörg Seisselberg sowie dpa, Reuters und AP

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