Kanzlerin Merkel beim Corona-Gipfel
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Kanzlerin Merkel beim Corona-Gipfel

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Zähes Ringen, großer Druck: So lief der Corona-Gipfel

Nach der Pleite vergangene Woche war klar: Die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder sind diesmal zum Erfolg verdammt. Und sie nutzen die Chance, auch wenn alle Beteiligten wieder viel Sitzfleisch beweisen müssen. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Erwartungen an das Bund-Länder-Treffen zum Kampf gegen Corona waren ohnehin groß – und der Bundeswirtschaftsminister schraubt sie kurz vor der Videokonferenz noch einmal nach oben: Peter Altmaier spricht von einer "der entscheidenden Ministerpräsidentenkonferenzen in der gesamten Geschichte des Föderalismus". Es komme darauf an, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern – und den Menschen irgendwann wieder ein "einigermaßen normales Leben" zu ermöglichen.

Alle spüren Last der Verantwortung

Erschwerend kommt hinzu, dass über allem eine beunruhigende Zahl schwebt: 410. So viele Todesfälle meldet das Robert-Koch-Institut am Mittwoch. Ein Höchstwert. Die Last der Verantwortung, von der Politikerinnen und Politiker oft reden: An diesem Tag ist sie für alle spürbar.

Gemessen daran wirken die Kanzlerin, der bayerische Ministerpräsident und Berlins Regierender Bürgermeister gefasst, als sie am späten Abend nach den stundenlangen Beratungen mit ihren Kolleginnen und Kollegen vor die Presse treten. Auch wenn Angela Merkel anzumerken war, wie sehr sie die jüngste Totenzahl bedrückt. Hinter der Statistik stünden schließlich menschliche Schicksale, so die Kanzlerin.

Bund wollte eigentlich noch schärfere Corona-Regeln

So sehr Bund und Länder bei der Pressekonferenz bemüht waren, ein Bild der Geschlossenheit zu zeigen: Zuvor bei der Videokonferenz haben beide Seiten hart miteinander gerungen. Die Konfliktlinien haben sich mittlerweile eingespielt: Die Kanzlerin hätte sich in einigen Punkten schärfere Vorschriften vorstellen können – für Geschäfte und den Bahnverkehr beispielsweise. Und sie weiß auch jetzt Markus Söder an ihrer Seite: Der bayerische Ministerpräsident war es, der schon vor den Beratungen immer wieder einheitliche – und konsequente – Regeln für den Umgang mit Corona-Hotspots angemahnt hatte.

Diskussion bei Corona-Gipfel intensiv, aber nicht hitzig

Auf der anderen Seite stehen die Regierungschefs von Ländern mit relativ niedrigen Corona-Zahlen: Sie befürchten, allzu tiefgreifende Einschränkungen in ihren Regionen nicht vermitteln zu können. Punkt für Punkt arbeitet sich die Spitzenrunde durch die Beschlussvorlage – und räumt einen Streitpunkt nach dem anderen ab. Die Diskussion verläuft intensiv, aber nicht hitzig. Das ist schon ein Erfolg nach der Verhandlungspleite von vergangener Woche, als es mehr um die Befindlichkeiten der Beteiligten als um konkrete Beschlüsse ging.

Teil-Lockdown wird bis 20. Dezember verlängert

Darauf haben sich Bund und Länder im Wesentlichen geeinigt: Der Teil-Lockdown wird bis zum 20. Dezember verlängert. Bis dahin bleiben etwa Gaststätten, Kinos und Theater geschlossen. Im Gegenzug werden auch die finanziellen Hilfen für betroffene Betriebe verlängert.

Die Kontaktbeschränkungen werden zunächst verschärft und später an den Feiertagen gelockert, damit Familien und Freunde auch in etwas größerer Runde Weihnachten feiern können. Wer an Silvester böllern will, darf das tun – aber nicht an belebten Plätzen. Und bei steigenden Corona-Zahlen wird die Maskenpflicht erweitert – auch an Schulen.

  • Die Beschlüsse von Bund und Ländern im Überblick

Einstieg in bundesweite Hotspot-Strategie

Alles in allem bedeuten die Beschlüsse mehr Einheitlichkeit, auch wenn sich mancher vielleicht weitergehende Vorgaben für ganz Deutschland gewünscht hätte. Als roter Faden der Pandemiebekämpfung schält sich heraus: Je höher die Zahlen, desto strenger die Regeln. Es ist der Einstieg in eine bundesweite Strategie im Umgang mit Corona-Hotspots. Ein Punkt, der vor allem dem bayerischen Ministerpräsidenten wichtig war.

Länder haben im Kampf gegen Corona oft den Hut auf

Dass sich Bund und Länder im Kampf gegen die Pandemie überhaupt an einen Tisch setzen müssen, ist der Verteilung von Kompetenzen im Föderalismus geschuldet. Der Bundestag verabschiedet das Infektionsschutzgesetz und seine Novellen, aber deren Umsetzung ist in wichtigen Punkten Sache von Ländern und Kommunen: Weder kann der Bundesgesundheitsminister Veranstaltungen absagen noch steht es der Bundesbildungsministerin zu, die Maskenpflicht im Unterricht zu erweitern. Das ist Sache der Behörden vor Ort.

Corona-Einigung hat hohen Preis

Am Ende eines langen Verhandlungstages verfestigt sich der Eindruck, dass der Föderalismus seine Bewährungsprobe diesmal bestanden hat. Allerdings hat die Einigung von Bund und Ländern einen hohen Preis. Und den zahlt vor allem der Bund. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Finanzminister im kommenden Jahr rund 160 Milliarden Euro an neuen Schulden machen muss. Das wären fast 70 Milliarden mehr als bisher geplant.

Neuverschuldung: Schwarze Null für lange Zeit abgeschrieben?

Olaf Scholz tröstet sich damit, dass viele Ausgaben lediglich vom laufenden aufs nächste Jahr verschoben würden. Betrachte man die Jahre 2020 und 2021 zusammen, so der SPD-Politiker, bleibe es unterm Strich bei einer Neuverschuldung von rund 300 Milliarden. Ob diese Argumentation verfängt, müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler selbst entscheiden. Zum Vergleich: In normalen Zeiten beläuft sich der gesamte Bundeshaushalt auf etwa 300 Milliarden.

Einst hat sich die Bundesregierung für ausgeglichene Haushalte feiern lassen. Von der Schwarzen Null spricht in Berlin schon länger niemand mehr. Corona setzt eben Vieles außer Kraft – auch finanzpolitische Gewissheiten.

Achim Wendler
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Achim Wendler

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