Boris Pistorius (M, SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei seinem Besuch des Panzergrenadierbataillon 122.
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Boris Pistorius (M, SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei seinem Besuch des Panzergrenadierbataillon 122.

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Wie Pistorius die Bundeswehr "kriegstüchtig" machen will

Ein 100-Milliarden-Programm, mehr Tempo bei Rüstungsvorhaben, volle Konzentration auf die Landesverteidigung: Boris Pistorius hat der Bundeswehr einen Kurswechsel verordnet. Jetzt will er den nächsten Schritt gehen.

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In den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg habe die Bündnis- und Landesverteidigung für die Bundeswehr keine Rolle mehr gespielt, hat Boris Pistorius gerade erst bei einem Besuch in Sachsen festgestellt. "Jetzt müssen wir umsteuern." Der Verteidigungsminister will die deutschen Streitkräfte "kriegstüchtig" machen, wie er es immer wieder formuliert. An diesem Donnerstag präsentiert der SPD-Politiker ein Konzept zur Zukunft der Bundeswehr, und ein Entwurf dafür liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor.

Als wichtigster Auftrag für die Bundeswehr wird in dem Papier, erstellt von einer internen Projektgruppe, die "Verteidigung in einem anspruchsvollen Umfeld" genannt. Ausdrücklich bezeichnen die Autoren "Staaten wie Russland" als potenzielle Angreifer, "die die internationale Rechtsordnung mit Füßen treten". Es gehe darum, sich Aggressoren "entschlossen entgegenzustellen". Dem Entwurf zufolge müssen die deutschen Streitkräfte außerdem "zur Abwehr hybrider Bedrohungen" in der Lage sein. Damit sind beispielsweise Cyberattacken gemeint. Aber auch bei akuten Krisen wie aktuell im Nahen Osten sollte die Bundeswehr demnach die nötigen Ressourcen haben, jederzeit zu reagieren.

Bundeswehr soll "weniger kopflastig" werden

Gleich 17-mal findet sich der Begriff "Kriegstüchtigkeit" in dem Papier, in verschiedenen Varianten. Sie wird als "zentraler Maßstab einer bundeswehrgemeinsamen Ausrichtung" der Truppe festgelegt. Hinter dem sperrigen Begriff steht der Gedanke, durch eine schlankere, "weniger kopflastig[e]" Struktur die Schlagkraft der Bundeswehr zu erhöhen. Konkret schlagen die Verfasser des Papiers vor, die Rolle der Teilstreitkräfte zu stärken – offenbar in Abgrenzung zu Verwaltungsstellen in der Truppe und im Ministerium.

Neben Heer, Marine und Luftwaffe soll demnach in Zukunft auch der "Cyber- und Informationsraum" als eigene Teilstreitkraft rangieren. Damit will das Verteidigungsministerium unter anderem auf die wachsende Gefahr durch Hackerattacken reagieren. Zudem ist geplant, die übrigen Organisationsbereiche der Bundeswehr zu straffen. Der Sanitätsdienst und die sogenannte Streitkräftebasis sollen in einem neuen "Kommando Unterstützung" aufgehen. Damit wären medizinische Versorgung sowie Logistik und Instandsetzung künftig unter einem Dach.

Verteidigungsministerium will "Führung aus einer Hand"

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Planung und Führung von Einsätzen soll in einem operativen Kommando gebündelt werden. Bisher gibt es ein Kommando für Auslandseinsätze und ein anderes für Aufgaben im Inland, das beispielsweise die Verlegung von Truppen oder die Katastrophenhilfe der Bundeswehr koordiniert. Im Ministerium hofft man, durch die Neuorganisation klare Verantwortlichkeiten zu schaffen und internen Abstimmungsbedarf zu verringern.

Ein Ansatz, den Torben Arnold von der Stiftung Wissenschaft und Politik gut findet. Er erkennt in der geplanten Zusammenlegung das Prinzip „Führung aus einer Hand“ – also die Idee, einen zentralen Ansprechpartner für alle Beteiligten von Einsätzen anzubieten. Unabhängig davon, ob Aufgaben im In- oder Ausland zu erledigen sind.

Experte kritisiert Einzelheiten des Bundeswehr-Konzepts

Allerdings sieht der Verteidigungsexperte auch einige "Unschärfen" in dem Entwurf aus dem Ministerium. Einerseits werde ein zentraler Unterstützungsbereich für alle Teilstreitkräfte gegründet – mit Sanität und Logistik. Andererseits sei geplant, beispielsweise die Kräfte zur Abwehr von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen dem Heer zuzuordnen – also einer bestimmten Teilstreitkraft. Das passt aus Sicht von Arnold nicht zusammen, wie er im ARD-Interview deutlich macht.

Und noch etwas fällt beim Blick auf das vorläufige Papier auf. Das Schlüsselthema Personalgewinnung wird angesprochen. Schließlich liegt auf der Hand, dass eine voll einsatzfähige Armee über ausreichend Soldatinnen und Soldaten verfügen muss. Jedoch ist in dem entsprechenden Abschnitt wenig Konkretes zu finden – etwa die Ankündigung, vier regionale Personalzentren einzurichten.

Im Gespräch ist auch, die ausgesetzte Wehrpflicht wiederzubeleben. Das aber sei eine politische Entscheidung, heißt es im Entwurf. Pistorius prüft zurzeit verschiedene Modelle und will demnächst einen eigenen Vorschlag in die Diskussion einbringen. An diesem Donnerstag dürfte es allerdings noch nicht so weit sein.

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