Eine Frau isst einen Hamburger bei einer Fast-Food-Kette.
Bildrechte: BR/Julia Müller

Werbeverbot für Ungesundes kommt nicht voran

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Werbeverbot für ungesunde Nahrungsmittel kommt nicht voran

Um Kinder zu schützen, will Ernährungsminister Özdemir Werbung für Ungesundes stark einschränken. Doch das Gesetzesvorhaben tritt seit einem Jahr auf der Stelle. Jetzt appellieren Gesundheitsexperten an die Ampel, die Blockade zu überwinden.

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Vor einem Jahr war die Freude unter Verbraucherschützern und Gesundheitsexperten groß, als Ernährungsminister Özdemir ein weit reichendes Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel vorstellte. Jetzt herrscht Ernüchterung. "Es braucht eine größere Aufmerksamkeit in der Bundesregierung", sagt Carola Reimann, Vorstandschefin des AOK-Bundesverbands. Özdemirs Gesetzesvorhaben kommt seit einem Jahr nicht voran.

Werbeverbot für Ungesundes wichtig im Kampf gegen Übergewicht

Dabei wären aus Sicht der AOK Werbebeschränkungen eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen Adipositas. Zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland haben Übergewicht. "Das ist etwas, was uns als Krankenkassen schon auch umtreibt", so Reimann, die früher Gesundheitsministerin (SPD) in Niedersachsen war. Neben dem individuellen Leid koste das auch die Volkswirtschaft viel Geld.

Studien zeigten, dass oft ungesunde Lebensmittel beworben werden, sagt Reimann. "Wir wissen auch, dass diese Werbung die Präferenzen der Kinder und Jugendlichen was Kaufverhalten und Konsumverhalten beeinflusst, negativ beeinflusst." Davor müsse man Kinder und Jugendliche schützen. Die AOK-Chefin hat deshalb zusammen mit Verbraucherschützern und Gesundheitsexperten einen Appell an die Bundesregierung und Kanzler Scholz geschickt, das Werbeverbot nicht scheitern zu lassen.

Ampelparteien streiten über Details des Werbeverbots

Özdemir ist im vergangenen Sommer bereits von seinen Maximalwünschen abgerückt, hat den Gesetzesentwurf entschärft. Jetzt sagt er: "Man braucht Geduld bei dieser Arbeit, die habe ich, und gleichzeitig braucht man Hartnäckigkeit."

Die Bundesregierung habe sich nochmal dazu bekannt, dass es dieses Gesetz geben soll, betont der Grünen-Politiker gegenüber BR24. Aber über den Inhalt des Gesetzes gehen die Meinungen zwischen den Ampelparteien weit auseinander.

Werbeverbot zur Primetime

Özdemir will Werbung für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz zu bestimmten Zeiten im Fernsehen und Online komplett verbieten. Unter anderem montags bis freitags von 17 bis 22 Uhr. Außerdem soll es eine Bannmeile für Plakatwerbung rund um Kitas und Schulen geben. Und Sponsoring – zum Beispiel Werbebanner auf dem Sportplatz – soll bei ungesunden Lebensmitteln verboten werden, wenn es sich zum Beispiel in der Aufmachung direkt an Kinder richtet.

Für den bayerischen Bundestagsabgeordneten Thomas Hacker, FDP, gehen die Vorschläge viel zu weit. Er betont, "wenn wir uns auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag konzentrieren, dann hat Özdemir unsere Unterstützung." Der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion will Werbung nur im Umfeld von Sendungen, die sich an Kinder unter 14 Jahre richten, verbieten. Die Zielgruppe der Sendung sei da entscheidend.

Auch Lebensmittelverband und Werbeindustrie haben sich seit Bekanntwerden der Vorschläge vehement dagegen gewehrt. Unter anderem mit Anzeigen in Zeitungen und eigenen Studien sowie Gutachten. Sie fürchten eine Überregulierung und Nachteile für den TV-Markt. Außerdem zweifeln sie daran, dass Werbeverbote einen positiven Effekt haben.

FDP: Sport wichtiger als Werbeverbote

Ähnlich sieht das FDP-Politiker Hacker. Maßnahmen müssten zielgerichtet sein. "Der Zusammenhang zwischen einer Maßnahme und dem Erfolg muss nachgewiesen sein. Und das ist bei Werbeverboten noch nicht der Fall." Sehr gut belegt seien hingegen die positiven Effekte von Bewegung und Sport.

In der Regel seien Kinder und Jugendliche, die von Adipositas betroffen sind, nicht durch Werbung für Süßigkeiten in diesen Zustand geraten, sagt sein Parteikollege Gero Hocker. "Sondern aufgrund eines ungesunden Alltags mit zu wenig Bewegung und zu wenig Informationen vielleicht auch vom Elternhaus über Lebensmittel und wie man sich ausgewogen ernährt." Deshalb müsse man statt Werbeverboten Sport und Bewegung fördern.

AOK: Individuelle Eigenverantwortung überbewertet

Das eine dürfe man nicht gegen das andere ausspielen, findet hingegen AOK-Chefin Reimann. Häufig werde in Diskussionen die individuelle Verantwortung überbetont, sagt Reimann. "Verhaltensforscher können sehr klar nachweisen, dass die Umgebungsbedingungen wichtig und ausschlaggebend sind." Sie hofft, dass das Werbeverbot doch noch kommt.

Ernährungsminister Özdemir gibt sich zuversichtlich. Die Bundesregierung habe sich jetzt auf ein paar Punkte verständigt. "Also grünes Licht, der Gesetzentwurf wird kommen, aber der Gesetzentwurf wird nochmal angepasst, überarbeitet, berücksichtigen das Feedback, das wir bekommen haben." Bald soll es dazu mehr Informationen geben – so zumindest die Ankündigung des Ministers.

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