Rote Aids-Schleifen liegen auf einem Tisch.
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Welt-AIDS-Tag: Warum er auch heute noch wichtig ist

Für viele hat Aids seinen Schrecken verloren. Die Infektionszahlen sind im Vergleich zu früher gering, Medikamente machen ein normales Leben mit der Krankheit möglich. Doch nicht alle haben Zugang - und die Corona-Pandemie sorgt für weitere Probleme.

Heute ist Welt-Aids-Tag. Er wird seit 1988 jährlich am 1. Dezember begangen. Sein Ziel ist es, die Rechte der HIV-positiven Menschen weltweit zu bekräftigen und zu einem Miteinander ohne Vorurteile und Ausgrenzungen aufzurufen. Darüber hinaus dient er als Gedenktag für die Menschen, die an den Folgen von HIV (Humane Immundefizienz-Virus) und Aids (Acquired Immunodeficiency Syndrome) gestorben sind.

Seit Beginn der Epidemie Anfang der 1980er sind 36,3 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben. 2020 waren es 680.000 Menschen. In diesem Jahr steht der Welt-Aids-Tag unter dem Motto "Ungleichheiten beenden. Aids beenden. Pandemien beenden." Er will damit die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Medien daran erinnern, dass Gesundheitschancen gerechter verteilt werden müssen, denn es gibt bereits die Medikamente, die es möglich machen, die Epidemie zu beenden.

Nicht alle haben Zugang zu lebensrettenden Medikamenten

Weltweit leben etwa 38 Millionen Menschen mit HIV. 73 Prozent von ihnen erhalten Medikamente – mit diesen Medikamenten ist eine HIV-Infektion längst kein Todesurteil mehr. Aber 27 Prozent haben keinen Zugang zu diesen Medikamenten. Das südliche Afrika ist am stärksten betroffen. Zudem ist die Zahl der Infektionen in den letzten Jahren in Osteuropa und Zentralasien stark gestiegen.

Corona-Pandemie schränkt mancherorts die Versorgung ein

Die Corona-Pandemie hat die Lage verschärft, denn sie wirft die Maßnahmen gegen HIV/Aids zurück. Die Kontaktbeschränkungen haben dazu geführt, dass weniger HIV-Tests durchgeführt werden konnten und deshalb wurden in vielen Ländern weniger Erkrankungen erkannt, die entsprechend auch nicht behandelt werden können. Auch die Versorgung mit Medikamenten wurde teilweise eingeschränkt oder unterbrochen.

9.500 Menschen in Deutschland wissen nichts von ihrer HIV-Infektion

In Deutschland sinkt die Zahl der Menschen, die sich neu mit HIV infizierten, seit 2015 jährlich. 2020 haben sich 2.000 Menschen infiziert. Insgesamt leben rund 91.400 Menschen mit HIV. 97 Prozent dieser Menschen nehmen HIV-Medikamente, die die Vermehrung der Viren im Körper verhindern. Eine HIV-Therapie verhindert die Übertragung beim Sex und bei der Geburt auf das Kind.

Rund 9.500 Menschen in Deutschland wissen allerdings nichts von ihrer Infektion. Daher erhalten sie keine Behandlung und können auch andere anstecken. Deswegen erkranken auch immer noch rund 900 Menschen pro Jahr an Aids oder einem schweren Immundefekt – obwohl es vermeidbar wäre. Ohne eine Behandlung schädigt HIV die Abwehrkräfte des Körpers. Irgendwann – meist Jahre später – tritt dann die Krankheit Aids auf, die tödlich endet. Mit Medikamenten ist zwar bisher keine Heilung möglich, aber ein langes Leben.

HIV-Prävention nach wie vor auch in Deutschland wichtig

Essenziell für die Prävention einer HIV-Infektion sind neben dem Zugang zum Gesundheitssystem nach wie vor Aufklärung über sexuelle Gesundheit und sexuell übertragbare Infektionen. Was jede einzelne Person tun kann, ist, sich durch ein Kondom beim Sex zu schützen und sich regelmäßig testen zu lassen, denn es sind die unerkannten und damit unbehandelten Infektionen, die zu neuen Ansteckungen führen und zum Ausbruch der Krankheit Aids. Zudem gibt es seit 2016 das Medikament PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) für HIV-negative Menschen, das vor einer Ansteckung mit HIV schützt.

BR-Podcast klärt über Testmöglichkeiten und den Bezug zur LGBTIQ*-Community auf

Informationen und Aufklärung darüber, wie und wo man sich auf HIV testen lassen kann und wie HIV/AIDS aufgrund seiner Geschichte die LGBTIQ*-Community bis heute prägt, liefert eine Episode "Willkommen im Club", dem LGBTIQ*-Podcast von PULS, dem jungen Content-Netzwerk des BR.

Welche Testmöglichkeiten gibt es?

Im Podcast lässt Moderator Julian Wenzel sich selbst auf HIV testen. Das kann man bei Aidshilfen und Gesundheitsämtern anonym (und bei letzteren kostenlos) tun. Dort füllt man in der Regel einen Fragebogen aus, wo man beispielsweise Geschlecht und sexuelle Orientierung angibt und mit wie vielen Personen man in den letzten zwölf Monaten Sex hatte und mit wie vielen davon ungeschützt. Das wird detaillierter nach Praktiken abgefragt, um bestmöglich ein Risiko einschätzen zu können. Anschließend bespricht man diesen Bogen und potenzielle Fragen mit einer beratenden Person.

Es kommt auf den Ort an, an dem man sich testen lässt, ob dort ein sogenannter Schnelltest durchgeführt wird oder klassisch venöses Blut aus der Armbeuge abgenommen wird. Bei einem Schnelltest ist es wichtig, dass die letzte Risikosituation mindestens zwölf Wochen zurückliegt. Bei einem Test, bei dem Blut abgenommen wird und ins Labor geht, reichen sechs Wochen aus und der Test wird von medizinischem Personal durchgeführt.

HIV-Schnelltest in Apotheken zu kaufen

Auch der Schnelltest erfolgt natürlich mit Blut. Dem Testkit liegt eine sterile Stechhilfe bei, mit der man mit einer kleinen Nadelspitze in die Fingerspitze pikt. Mit einer Pipette wird der Bluttropfen dann zusammen mit einer Flüssigkeit auf eine Testkassette gegeben. Diese Testkassette sieht so ähnlich aus wie bei einem Corona-Schnelltest. Nach rund zehn Minuten kann man dann das Testergebnis ablesen. Den HIV-Schnelltest kann man im Übrigen auch in einer Apotheke kaufen und zu Hause selbst durchführen.

Man kann zum Testen auch zu Ärztinnen und Ärzten gehen. Dort kostet ein HIV-Test ebenso wie bei der Aidshilfe Geld. Wenn Blut abgenommen und im Labor untersucht wird, erhält man das Testergebnis natürlich nicht sofort.

Podcast-Moderator Julian Wenzel bekommt als schwuler Mann beim HIV-Test der Aidshilfe die Empfehlung, sich mindestens einmal im Jahr testen zu lassen. Obwohl Jahrgang 1993, hat auch Wenzel sich in seiner Jugend im Zusammenhang mit seinem Coming-out viele Gedanken über HIV/AIDS gemacht, weil die Krankheit und ihre Stigmatisierung Einfluss auf die LGBTIQ*-Community hatte, die bis heute nachwirkt.

So prägt HIV/AIDS aufgrund seiner Geschichte die LGBTIQ*-Community bis heute

"Schwulenpest" oder "Homosexuellen-Seuche" – so wurden HIV und AIDS von vielen in den 80er-Jahren genannt. Am Anfang, als über HIV und AIDS noch nicht viel bekannt war, glaubten die Menschen, dass nur schwule Männer betroffen sein könnten, da bei ihnen zunächst besonders viele Fälle bekannt waren - auch wenn schon bald klar wurde, dass es alle Menschen betrifft.

Moderator Julian Wenzel und Moderatorin Kathi Roeb wollten herausfinden, wie das Virus die gesamte LGBTIQ*-Community bis heute prägt. Dafür sprechen sie u.a. mit Stefan, der die AIDS-Krise damals in den 80ern miterlebt hat, sowohl in Deutschland als auch in den USA. Zu der Zeit herrschte viel Angst. In den USA gab es bereits mit der sogenannten "Gay Liberation"-Bewegung eine Politisierung, die in Deutschland erst später kam.

Soziale Ausgrenzung über Jahrzehnte

Das Aufkommen der Krankheit habe die Community in ihrer Trauer und Sorge auch verbunden. Besonders schlimm sei damals allerdings die soziale Ausgrenzung gewesen. Die gesamte schwule Community wurde in dieser Zeit extrem angefeindet, in einer Zeit, in der sie ohnehin noch nicht akzeptiert waren und für ihre Rechte kämpften. In einer Spiegel-Ausgabe von 1983 finden sich beispielsweise Aussagen von Horst Seehofer, wonach er Aids-Kranke in speziellen Heimen sammeln wolle. Wortwörtlich sprach er von "konzentrieren".

Auch wenn HIV/AIDS heute zum Glück nicht mehr in diesem enormen Maße der Stigmatisierung ausgesetzt ist, ist es nach wie vor ein großes Thema und gewisse Vorurteile existieren trotzdem bis heute. Daher gab es auch bis 2017 das Blutspende-Verbot für schwule und bisexuelle Männer und trans* Personen. Seitdem dürfen diese Personen spenden, aber zunächst nur, wenn sie ein Jahr keinen Sex hatten, eine Regel, die die Allermeisten nach wie vor ausschloss.

Erst dieses Jahr wurde die Regelung dahingehend geändert, dass diese Personen, wenn sie sich in einer monogamen Beziehung befinden, Blut spenden dürfen - ansonsten kommt es weiterhin zu einem Ausschluss - jetzt von vier Monaten. Auch das gilt für die Community nach wie vor als stigmatisierend. Im kürzlich vorgestellten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht jetzt die vollständige Abschaffung dieses Verbots.

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