Rohrsysteme von Nord Stream 2
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Bürgermeister fordern Nutzung von Gaspipeline Nord Stream 2

Mit Beginn des Ukraine-Kriegs war Nord Stream 2 in Berlin vom Tisch. Putin griff die Pipeline in einem Statement kürzlich wieder auf. Auch Rügener Bürgermeister weisen auf die Möglichkeit einer Inbetriebnahme hin. Doch die Ampel-Position ist klar.

Berliner Regierungspolitiker stellen sich vehement dagegen, aber die Diskussion um die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 reißt nicht ab. Kommunalpolitiker der Insel Rügen schlagen nun in einem Schreiben an die Landes- und Bundesregierung die Nutzung der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline vor.

Der Brief, über den die Deutsche Presse-Agentur und der NDR berichteten, sei von sieben Bürgermeistern unterschrieben, etwa von Anja Ratzke (Bergen, parteilos) oder Reinhard Liedtke (Sellin, parteilos). Wie der Sassnitzer Bürgermeister Frank Kracht (parteilos) am Mittwoch der dpa schrieb, hätten ihn nachträglich noch mehrere weitere Gemeinden unterzeichnet.

Dauerhafte Energiesicherheit durch Nord Stream 2?

Es gehe nicht darum, Nord Stream 2 "auf Krampf" zu aktivieren. Vielmehr gehe es um dauerhafte Energiesicherheit, sagte Kracht. Wenn es technische Schwierigkeiten gebe, diese etwa über die Pipeline Nord Stream 1 zu gewährleisten, müssten neue Wege gefunden werden. Nord Stream 2 sei eine Möglichkeit, für eine "zusätzliche Gasversorgung". Kracht zufolge dürfe es keine Denkverbote geben.

Mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine heißt es in dem Schreiben der Bürgermeister, man verurteile "auf das Schärfste dieses Kriegsgeschehen". Dennoch gelte es abzuwägen, wie groß die Schäden für die Bevölkerung und die Wirtschaft in der eigenen Region werden könnten. Sich von russischem Gas zu trennen, bedeute eine Explosion der Lebenshaltungskosten, berichtet der NDR aus dem Schreiben. Die Kommunalpolitiker warnten: Dies führe zu einem sozialen Ungleichgewicht, das unkontrolliert wachsen könnte.

Rügener Bürgermeister halten Energie-Weg der Regierung für falsch

"Wir sind der Meinung, dass der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg, sich von den Energieträgern Russlands zu trennen, nicht der Richtige ist." Um die Energiesicherheit, insbesondere die Versorgung mit Gas, ausreichend zu gewährleisten, empfehle man zusätzlich zu Nord Stream 1 die Nutzung von Nord Stream 2. In dem Papier ist die Rede von Sorgen angesichts der Planungen der Bundesregierung zur Gasversorgung und der dafür notwendigen Infrastruktur. Derzeit geplante Alternativen gingen mit enormem Kosten- und Zeitaufwand einher. Den geplanten Ausbau der Windkraft mit verringerten Abständen zu Wohngebäuden kritisieren die Schreiber.

Brief geht an Schwesig und Habeck

Das Schreiben ging Kracht zufolge unter anderem an die Schweriner Staatskanzlei sowie an den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen). Laut NDR erklärte ein Regierungssprecher aus der Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), man habe den Brief "zur Kenntnis genommen" - doch die Frage über die Inbetriebnahme stelle sich nicht.

Nord Stream 2 ist zurzeit nicht genehmigt. Ein Zertifizierungsverfahren wurde im Februar gestoppt, nachdem Russland den Krieg in der Ukraine begann.

  • Zum Artikel: "Nach Aus für Nord Stream 2: Zahlt am Ende der Steuerzahler?"

Russland verweist auch auf Nord Stream 2

Aus der russischen Regierung waren zuletzt immer wieder Stimmen zu hören, die auf Nord Stream 2 verwiesen. "Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen", zitierte etwa die staatliche russischen Nachrichtenagentur Tass Russlands Präsidenten Wladimir Putin Mitte vergangener Woche. Er erklärte schon früher, der Betrieb von Nord Stream 2 könnte die Gaspreise senken.

Denkbar wäre, dass Moskau die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 durch die Drosselung von Nord Stream 1 erzwingen will. Kremlsprecher Dmitri Peskow widersprach an diesem Mittwoch solchen Vorwürfen. Nicht der Kreml, sondern Gazprom sei Lieferant. Das Unternehmen liefere so viel wie benötigt und so viel wie technisch möglich, versicherte Peskow.

Bundesregierung lehnt Inbetriebnahme ab

In Brüssel und Berlin gilt es als völlig ausgeschlossen, sich dem Druck Moskaus zu beugen und aus Angst vor einer Gas-Versorgungskrise doch eine Betriebsgenehmigung für die Gaspipeline Nord Stream 2 zu erteilen. Politiker aus den Reihen der Ampelkoalition sprachen von einem "plumpen Erpressungsversuch" bezüglich Putins Äußerungen.

Auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kamen Absagen. Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, teilte diese Haltung zuletzt: "Das wäre ein großer Fehler. Von Putin vor sich hergetrieben zu werden, dieses gefährliche Spiel darf die Ampel nicht mit sich machen lassen."

Habeck: "Nord Stream 2 würde Abhängigkeit noch verstärken"

Bundeswirtschaftsminister Habeck sagte erst am Dienstag: "Nord Stream 2 zu genehmigen, wäre die Abhängigkeit von russischem Gas noch einmal zu verstärken - das Gegenteil von dem, was wir das letzte halbe Jahr hier unternommen haben - und damit aber natürlich auch die Kapitulation mit allen Sanktionsmaßnahmen, die wir ergriffen haben."

Der Energieexperte der Linksfraktion, Klaus Ernst, wiederum erneuerte kürzlich seine Forderung nach Gesprächen mit Moskau zur Energieversorgung. Mit seiner Nord-Stream-2-Forderung erntete er aber bereits zuvor Widerspruch in der eigenen Partei.

Seit Mittwoch fließt noch weniger Gas durch Nord Stream 1

Der russische Energiekonzern Gazprom verringerte am Mittwoch entsprechend seiner Ankündigung die Liefermenge durch Nord Stream 1 nach Deutschland noch einmal um die Hälfte - von bisher 40 auf jetzt nur noch 20 Prozent der maximalen Kapazität. Als Grund gab der Konzern die Wartung einer weiteren Turbine an, die noch nicht aus der Reparatur zurück sei.

Die Bundesregierung kritisierte den Schritt und wies auch die Begründung zurück: "Wir sehen dafür wie schon zuvor keine technischen Ursachen", sagte eine Regierungssprecherin. "Was wir hier sehen, ist tatsächlich ein Machtspiel, und davon lassen wir uns nicht beeindrucken." Eine gewartete Turbine stehe bereit, um an den russischen Energiekonzern Gazprom übergeben zu werden, damit sie eingesetzt werden könne.

Netzagentur-Chef Müller erklärte, dass die Gaslieferungen inzwischen Teil der russischen Außenpolitik und womöglich auch Teil der Kriegsstrategie seien. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass in den kommenden Wochen durch Nord Stream 1 wieder 40 Prozent der möglichen Menge kämen, sagte Müller im Deutschlandfunk. Sparanstrengungen seien notwendig.

Mit Material von dpa.

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