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Wahlplakat der Linken

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Wahlprogramme im Check: Wenn die Linke alleine regieren dürfte

Die kleinen Parteien kämpfen um Platz 3 und werden höchstens Partner in einer Regierungskoalition. Was wäre, wenn die Linke alleine regieren könnte? Eine Analyse des BR-Hauptstadtstudios mit Fokus auf Europa, Wirtschaft, Finanzen, innere Sicherheit.

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Ein links regiertes Deutschland würde in Brüssel auf EU-Reformen drängen. Aus Sicht der Partei dient die Europäische Union in ihrer jetzigen Form mehr den Interessen der neoliberalen Märkte als denen der Bürger. Ein linker Kanzler bzw. eine linke Kanzlerin würde also den Wunsch vieler südeuropäischer Länder erfüllen und die Sparpolitik beenden.

Stattdessen gäbe es ein europäisches Investitionsprogramm. Dem "Neustart" in der EU würden neue Verträge zugrunde liegen, denen alle Mitgliedstaaten zustimmen müssten. Für Griechenland gäbe es einen Schuldenschnitt. Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) glaubt zwar, dass die Linke innerhalb der EU für eine noch stärkere Abkehr von der reinen Sparpolitik eine Mehrheit finden könnte – nicht allerdings für einen radikalen Umbau der Union.

"Sicher würden manchen EU-Mitglieder sagen: Es wäre schön, mehr deutsches Geld zu bekommen. Aber das bekommt man nur, wenn Deutschland brummt. Und der eine oder andere Mitgliedstaat würde sich schon Gedanken machen, ob ein Deutschland mit der Wirtschaftspolitik der Linken noch leistungsfähig genug wäre." Cornelius Adebahr, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

NATO-Auflösung? Kaum umsetzbar

Die Linken wollen die NATO auflösen und durch ein "kollektivistisches Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Russland" ersetzen. Die Chancen, dass sich ein links regiertes Deutschland damit durchsetzen könnte, werden von Experten als minimal eingestuft. Es bliebe also nur der NATO-Austritt. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr würde ein linkes Kabinett ohnehin sofort beenden. Deutschland würde an Einfluss in der Welt verlieren.

"Der Vorschlag geht weit über das hinaus, was eine Bundesregierung tun kann. Die Auflösung der NATO können nur alle NATO-Staaten gemeinsam beschließen. Und da sehe ich kein Interesse bei den anderen Mitgliedstaaten. Ein Austritt der Bundesrepublik aus der NATO wäre theoretisch möglich. Bisher ist aber noch nie ein Staat aus dem Bündnis ausgetreten." Cornelius Adebahr, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Reiche würden zur Kasse gebeten werden

Ein Finanzminister der Linken würde das deutsche Steuersystem auf den Kopf stellen – und kräftig umverteilen: Höherer Grundfreibetrag, höherer Spitzensteuersatz, höhere Reichensteuer. Ab einem Einkommen von einer Million Euro soll letztere 75 Prozent betragen. Eine Vermögensteuer gäbe es unter der Linken auch. Andreas Peichl, Steuerexperte am Münchner ifo-Institut, geht allerdings davon aus, dass die höhere Belastung für Reiche nur kurzfristig die Staatskasse füllen würde.

"Wenn die Linke an die Macht käme und ihr Steuerkonzept sofort oder sogar rückwirkend umsetzen würde, würden die Reichen erst einmal höhere Steuern zahlen. Je mehr Zeit sie aber hätten, um zu reagieren, umso niedriger fielen dann die Steuereinnahmen aus. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass es immer Wege gibt, Steuern zu vermeiden. Dafür haben wir genug Steuerberater in Deutschland." Andreas Peichl, ifo-Institut

Zu hohe Steuern für Vermögende würden aus Peichls Sicht auch zu weniger Wachstum und zu weniger Jobs führen. Denn Reiche würden nicht nur ihr Einkommen ins Ausland verlagern, sondern auch ihre wirtschaftliche Aktivität.

Die Staatsschulden würden wohl steigen

Wer als Single bis zu 77.000 Euro verdient, würde durch eine linke Regierung entlastet oder zumindest nicht mehr belastet. Das ifo-Institut hat berechnet, dass allein die Änderungen bei der Einkommensteuer jährliche Mindereinnahmen von 21,9 Milliarden Euro für den Staat bedeuten würden.

Zusätzlich würde Linke die Investitionen des Staates in Infrastruktur massiv erhöhen, um 120 Milliarden Euro. Das hätte aus Sicht von Experten ein tieferes Loch im Staatshaushalt zur Folge, auch wenn die Linke Konzerne stärker zur Kasse bitten würde. Aber: Da die Partei die Schuldenbremse abschaffen will, wäre Kreditaufnahme für die Regierung rechtlich kein Problem.

Keine Freihandelsabkommen und Verstaatlichung von Unternehmen

Aus Sicht der Wirtschaft wäre eine rein linke Regierung kein erfreuliches Szenario. Die Verbände fürchten weniger Wachstum und weniger Arbeitsplätze. Ein Wirtschaftsminister der Linken würde keine Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP abschließen und außerdem die Verstaatlichung von Unternehmen vorbereiten: Banken, Versicherungen, Energiekonzerne, Pharmaunternehmen und andere für die Daseinsvorsorge zuständige Firmen.

"Die Linke hat aus dem großen sozialistischen Experiment des 20. Jahrhundert nichts gelernt." Verband 'Die Familienunternehmer'

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hält die Wirtschaftspläne der Linken für "wachstumsfeindlich" und fasst sie mit einem Wort zusammen: "Realitätsverweigerung". Der BGA sieht gar eine "Gefahr für die geltende Rechts- und Wirtschaftsordnung"

Keine Waffen, keine Geheimdienste

Es gäbe unter einem linken Bundeskanzler keine Geheimdienste mehr in Deutschland; das heißt: Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendient würden abgeschafft. Die Linke betrachtet Geheimdienste als "Fremdkörper der Demokratie". Ursula Münch, die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, bezeichnet die Forderung als "wohlfeil, wenn man weiß, es wird nicht geschehen".

"Eine Konsequenz wäre, dass man verfassungsfeindliche Bestrebungen auch im Vorfeld nicht wahrnehmen könnte. Bei aller Kritik am Verfassungsschutz, es hat ja auch eine abschreckende Wirkung. Man würde im Grunde ein Signal nach außen geben, dass man sich da keine Sorgen mehr machen muss als Extremist oder als potentieller Terrorist. Ich halte das für ein riskantes Unterfangen mit Blick auf die innere Sicherheit." Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung

Unter einer linken Bundesregierung gäbe es auch keine privaten Sicherheitsdienste wie die "Schwarzen Sheriffs"; sie würde diese abschaffen und verbieten. Die Polizei soll stattdessen mehr Personal bekommen. Uniformierte Polizeibeamte wären dabei identifizierbar; eine Ombudsstelle würde deren Fehlverhalten untersuchen.

Polizei würde Bagatelldelikte nicht mehr verfolgen

Gleichzeitig soll die Polizei ansprechbarer werden für Bürgerinnen und Bürger und würde dafür keine Bagatelldelikte wie Schwarzfahren, Drogengenuss und illegale Einreise mehr untersuchen. Auch der Kampf gegen mutmaßliche Verbrecher würde erschwert, sofern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedes Einzelnen bedroht wäre. Das hieße: keine Vorratsdatenspeicherung, keine Online-Durchsuchung, keine Rasterfahndung. Privater Waffenbesitz wäre verboten.