Gerade erst haben Deutschland und die Ukraine eine Sicherheitsvereinbarung getroffen. Jetzt will die Ampelmehrheit im Bundestag ein weiteres Zeichen der Solidarität mit dem angegriffenen Land setzen.
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Taurus-Marschflugkörper würden der Ukraine womöglich helfen, sich besser gegen russische Angriffe zu verteidigen.

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Waffenhilfe für die Ukraine: Ampel-Antrag mit Leerstelle

Gerade erst haben Deutschland und die Ukraine eine Sicherheitsvereinbarung getroffen. Jetzt will die Ampelmehrheit im Bundestag ein weiteres Zeichen der Solidarität mit dem angegriffenen Land setzen. Doch eine wichtige Frage bleibt offen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Vor zwei Jahren hat das russische Regime mit dem Angriff auf die gesamte Ukraine begonnen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob die ukrainische Armee die Aggressoren zurückdrängen könnte. Doch mittlerweile ist die Front festgefahren, zuletzt haben die Truppen des Putin-Regimes die strategisch wichtige Stadt Awdijiwka erobert. In dieser Lage will die Ampel-Koalition deutlich machen, dass Deutschland in seiner Unterstützung für Kiew nicht nachlässt. Das geht aus einem Antragsentwurf der Koalitionsfraktionen hervor, der in Berlin die Runde macht.

Darin wird der russische Überfall auf die Ukraine eine "seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellose Zäsur auf unserem Kontinent" genannt. Und weiter: "Russland ist verantwortlich für millionenfaches Leid, für Gewalt und den Tod von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Ukraine." Die Ampel-Fraktionen werfen der russischen Armee Kriegsverbrechen vor und fordern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

FDP-Abgeordneter bezeichnet Ukraine-Antrag als Fortschritt

In den Reihen der Regierungsfraktionen wertet man den Antragsentwurf als wichtiges Signal der Solidarität mit der Ukraine. Der FDP-Verteidigungspolitiker Nils Gründer spricht von einem echten Fortschritt: "Wir bekennen uns als Bundestag zum Nato- und EU-Beitritt der Ukraine", betont der Abgeordnete aus der Oberpfalz auf BR24-Anfrage. "Außerdem werden wir zum ersten Mal als Regierungsfraktionen beschließen, dass wir uneingeschränkt die volle Souveränität und territoriale Integrität von 1991 der Ukraine wiederherstellen wollen." So umfassend sei das bisher nicht der Fall gewesen, stellt Gründer fest.

Die Ukraine in den Grenzen von 1991: Das schließt die Halbinsel Krim und die anderen von Russland besetzten Gebiete ein. Allerdings spielt in der Diskussion über Möglichkeiten, den Krieg zu beenden, unter anderem die Frage nach einem Verzicht Kiews auf besetzte Regionen eine Rolle. Mit dem Antrag stellt das rot-gelb-grüne Regierungsbündnis klar, dass es von solchen Überlegungen nichts hält.

Auch Grüne stehen hinter Ukraine-Antrag

Die Ampel-Abgeordneten wollen außerdem ihre Unterstützung für die Sicherheitsvereinbarung deutlich machen, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche getroffen haben. Darin verspricht Deutschland eine umfassende Zusammenarbeit mit Kiew – politisch, wirtschaftlich und militärisch. "Wir stehen als Parlament dahinter", sagt die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni BR24. Die Koalition ziehe hier an einem Strang.

In einem Punkt aber zeigen sich Bruchlinien. Im Antragsentwurf wird die "Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen" gefordert, um der ukrainischen Armee "Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen". Ein bestimmtes Waffensystem wird in dem Text nicht genannt, aber die Formulierung passt unter anderem auf den Marschflugkörper Taurus.

Streit über Taurus-Marschflugkörper

Dabei handelt es sich um Flugkörper mit eigenem Antrieb, die bis zu 500 Kilometer weit fliegen können und in der Lage sind, Bunker zu brechen. Dass der Taurus den ukrainischen Verteidigern militärisch helfen würde, ist unstrittig. Doch die Frage nach der politischen Verantwortbarkeit wird unterschiedlich beantwortet. Auch wegen der hohen Reichweite, die – jedenfalls theoretisch – tief nach Russland hineinreicht.

Scholz lehnt eine Taurus-Lieferung bisher ab, offenbar aus Sorge vor einer weiteren Eskalation des Kriegs. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat erst zu Wochenbeginn erklärt, dass es in dieser Sache keinen neuen Stand gebe. Der Antragsentwurf hat die Diskussion aber aufleben lassen. "Zu spät und an wichtigen Stellen unpräzise" - so bewertet Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, den Ampel-Vorstoß. Der CSU-Abgeordnete aus Oberbayern spricht von einem "blumigen Antrag", der das Wort "Taurus" vermissen lasse.

Strack-Zimmermann will Unionsantrag zu Taurus zustimmen

Ein Punkt, den auch eine prominente Ampel-Vertreterin kritisiert. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, schreibt auf der Online-Plattform X, der Antrag sei "deutlich weitergehender als alles, was zuletzt mit der SPD machbar schien". Dann schiebt sie jedoch nach: "Es fehlt aber exakt ein Wort zur Richtigkeit." Gemeint ist der Taurus, für dessen Lieferung an die Ukraine sich die FDP-Politikerin weiter einsetzt.

Die CDU/CSU-Fraktion wird in dieser Woche einen eigenen Antrag zur Waffenhilfe für die Ukraine einbringen. Und darin ausdrücklich fordern, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Strack-Zimmermann will für beide Anträge stimmen – also auch für den der Union. Eine Ankündigung, die den Koalitionspartner SPD erstaunt. Fraktionschef Rolf Mützenich macht aus seinem Ärger keinen Hehl: Es sei ein Irrtum anzunehmen, "diesen großen Konflikt alleine mit einem Waffensystem lösen" zu können. Und so werden deutliche Risse in der Koalition erkennbar, noch bevor der gemeinsame Antrag überhaupt in den Bundestag eingebracht wurde.

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